In guten, wie in schlechten Zeiten: Während sich andere Teams allmählich dem Red-Bull-Konzept annähern, hält Mercedes seiner Zero-Side-Pod-Philosophie die Treue. Zuletzt hatte McLaren von seinem Ursprungsdesign Abstand genommen und brachte eine neue Ausbaustufe des MCL36, sichtbar inspiriert von Red Bull und Ferrari. Warum eine Änderung bei Mercedes trotzdem unwahrscheinlich ist und wie der Plan für die kommende Saison aussieht.

Mercedes: Keine Zwangsheirat mit den Seitenkästen

Seit den Testfahrten 2022 verzichtet Mercedes auf klassische Seitenkästen und bleibt dabei. "Wir glauben nicht, dass wir nur durch das Verändern unserer Side Pods unsere Konkurrenzfähigkeit steigern", meinte Andrew Shovlin beim Frankreich Grand Prix. Der Trackside-Engineering-Direktor von Mercedes schließt eine Veränderung aber nicht ganz aus. "Es ist nicht so, dass wir mit dem Konzept verheiratet sind!" Natürlich schaue Mercedes auf die anderen Ideen im Feld und analysiere diese. "Wir sagen auch nie: Genau so muss ein Mercedes ausschauen."

Mercedes war schon bei den Testfahrten in Bahrain mit ihren unüblichen Seitenkasten-Design aufgefallen, Foto: Motorsport-Magazin.com
Mercedes war schon bei den Testfahrten in Bahrain mit ihren unüblichen Seitenkasten-Design aufgefallen, Foto: Motorsport-Magazin.com

Eine Variante wäre auch eine Kombination verschiedener Fahrzeugkonzepte. "Es ist ein schrittweiser Prozess", meint Andrew Shovlin. Aber: "Ich glaube nicht, dass sich das Aussehen unseres Autos in dieser Saison noch fundamental ändern wird." Jetzt scheint die Heirat zwischen dem W13 und dem Mercedes-Formel-1-Team aus der schwierigsten Phase herausgekommen zu sein. Mit zwei aufeinanderfolgenden Doppelpodien in Frankreich und Ungarn geht es für das Team aus Brackley stetig bergauf. Nächster Schritt: Siege. "Wir hätten lieber mehr Siege als Podien", so der ehemalige Renningenieur von Jenson Button beim Ungarn-Debrief.

"Vor allem zu Beginn der Saison war es tough für uns. Nichts hat so richtig Sinn gemacht!", berichtet Shovlin weiter. So fanden sich keine Ingenieure, sondern eher Feuerwehrleute in den Reihen von Mercedes wieder: "Wir waren permanent damit beschäftigt, irgendwelche Feuer zu löschen." Jetzt hieße es für Mercedes: Zurück zum 'Business as usual'.

Andrew Shovlin und Lewis Hamilton fokussieren sich zurzeit noch auf den W13, Foto: LAT Images
Andrew Shovlin und Lewis Hamilton fokussieren sich zurzeit noch auf den W13, Foto: LAT Images

Keine heiligen Kühe bei Toto Wolff

Problem: Lange wusste Mercedes nicht, was funktioniert und was nicht. "Nicht viel!", haderte Toto Wolff noch in Le Castellet. "Uns ist einfach noch nicht klar, was uns einbremst." Aber auch der Teamchef versichert, dass Mercedes nicht stur auf seinem Fahrzeugkonzept beharren wird. "Es gibt keine 'heiligen Kühe', die nicht in Erwägung gezogen werden!" Und gibt sich zuversichtlich: "Die größte Waffe unseres Teams ist unsere Kultur!" Sie halte auch in schwierigen Zeiten beim Arbeiten die Moral hoch.

Für die nächste Saison ist eine Konzeptveränderung bei Mercedes jedoch nicht unwahrscheinlich. "Ich wäre überrascht, wenn unser nächstjähriges Auto gleich aussehen würde", gibt Andrew Shovlin Ausblick auf den W14. Wann Mercedes seinen Fokus auf 2023 legen wird? "In der Formel 1 ziehst du nie so eine klare Linie. Es ist eine allmähliche Verschiebung von Ressourcen weg vom W13 und hin zum W14", sagt der Mercedes-Ingenieur. Zuerst müssten aber noch die Regeln zu 100% klargestellt werden.

Silberstreif und Silberpfeil am Horizont von Mercedes

Inzwischen arbeitet Mercedes noch am W13. "Wir werden das Auto jetzt noch eine kleine Weile weiterentwickeln", kündigt Andrew Shovlin vor der Sommerpause an. Für Belgien ist ein Update-Paket geplant: "Wir versuchen, mit mehr Performance nach Spa zu kommen." Mit dem Upgrade hofft das Team, die Lücke zur Spitze ganz zu schließen. Das ganze Team arbeite hart und hätte gleichzeitig so viel Spaß wie noch nie in dieser Saison. "Wir wollen bald Rennen gewinnen!", lautet die Kampfansage des 48-Jährigen an Red Bull und Ferrari.

"Aber jedes Team hat zumindest schon ein bisschen angefangen", gibt Andrew Shovlin im Hinblick auf das nächstjährige Auto dann doch zu. Dank der 'schlechteren' Position in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft hat das Team aus Brackley zumindest den kleinen Vorteil, mehr Zeit in Windkanal und CFD für aerodynamische Tests zu bekommen. Es bleibt nach wie vor spannend, 2022 wie 2023.