Die angedachten Änderungen am Formel-1-Reglement für die Saison 2023 erhitzen die Gemüter im Fahrerlager. Die FIA verkündete kürzlich, die Unterböden kastrieren zu wollen, um das Problem des Porpoising zu eliminieren.
Doch genau der Plan der FIA, die Regeländerungen aus Sicherheitsgründen durchzudrücken, spaltet das Fahrerlager in zwei Lager. Vor allem Ferrari und Red Bull befürchten, der Automobilweltverband wäre auf einen Trick von Mercedes hereingefallen.
Der Vorwurf der Konkurrenz: Mercedes hätte das Problem sicherheitstechnisch politisiert, um Regeländerungen zu erzwingen. Von diesen Änderungen würde dann, so die Befürchtung, vor allem Mercedes profitieren, weil der Dauerweltmeister die größten Probleme mit dem springenden Boliden hat.
"Eine Lex Mercedes wird es sicher nicht geben", poltert Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko. "Max [Verstappen] ist vom Arzt befragt worden und es war überhaupt kein Thema. Nur ein Team spielt das so hoch."
Bei Mercedes sieht man das naturgemäß anders. "Wir arbeiten daran, unsere Probleme zu lösen. Dabei machen wir gute Fortschritte", versichert Strecken-Chefingenieur Andrew Shovlin. "Man kann verstehen, dass Teams die Regeln nicht ändern wollen. Wir als Mercedes wissen aber selbst nicht, ob uns die Regeländerung entgegenkommen wird."
Der Brite denkt dabei an 2021 zurück. Als wegen Corona die 2020er Autos größtenteils eingefroren wurden, gab es kleinere Regeländerung am Unterboden. Die sollten dazu dienen, die Pirelli-Reifen, die eigentlich nicht weiterentwickelt werden sollten, nicht mit immer schneller werdenden Fahrzeugen zu überfordern - eine Frage der Sicherheit also.
"Wir wussten damals nicht, dass diese Regeländerung ein Auto mit niedriger Bodenfreiheit stärker treffen würde", erinnert sich Shovlin. "Man kann nicht sagen, dass die Regeländerung definitiv gut für Mercedes ist. 2020 hatte niemand etwas dagegen, die Regeln zu ändern: Weder Red Bull, noch Ferrari - aber vor allem auch Mercedes nicht. Die Änderung kam und hat nicht zu unserem Auto gepasst."
Viele Formel-1-Experten erwarten, dass Porpoising 2023 gar kein Thema mehr sein wird. Die Ingenieure verstehen die Probleme langsam und können daran arbeiten. Außerdem greift ab dem Belgien GP in Spa TD039: Die Technische Direktive setzt ein Limit, wie stark ein Auto auf und abspringen darf.
Doch in den Augen der FIA ist das für die Zukunft nicht genug. Man will das Problem an der Ursache bekämpfen, am Unterboden. Weil davon auszugehen ist, dass die Teams durch die Weiterentwicklung noch mehr Abtrieb am Unterboden finden, glaubt man beim Automobilweltverband, dass die Porpoising-Problematik dadurch wieder verschärft werden könnte.
Der derzeitige Vorschlag der FIA sieht vor, den Rand des Unterbodens um 25 Millimeter anzuheben. Dadurch können die Venturi-Kanäle nicht mehr so gut versiegelt werden, Abtrieb geht verloren. Gleichzeitig soll es auch Änderungen am Kanal selbst geben. Der niedrigste Punkt wird 2023 angehoben.
Die Luft im Kanal kann dadurch aus zwei Gründen nicht mehr so stark beschleunigt werden. Einerseits verkleinert sich die Volumenänderung im Kanal, andererseits vergrößert sich der Abstand zum Asphalt, der Ground-Effect wird schwächer.
Bei der Mercedes-Konkurrenz gibt es nicht nur die Befürchtung, dass denn Stuttgartern die Änderungen entgegenkommen. Man sieht auch Probleme auf der eigenen Seite. "Wir unterstützen die FIA in ihrem Vorhaben, die Sicherheit zu verbessern - aber hier stellen wir das in Frage", so Alfa-Technikchef Jan Monchaux. "Man braucht zusätzliche Ressourcen, die wir dafür nicht eingeplant haben. 25 Millimeter spielen eine Rolle. Man brauch Stabilität in den Regeln. Wenn wir sie alle sechs Monate ändern, dann macht es das Leben ziemlich kompliziert."
Und auch der Zeitpunkt sorgt für Ärger. Noch immer sind die Änderungen noch nicht definitiv. Sowohl über das ob, als auch über das wie wird gestritten. Bleibt es bei den vorgeschlagenen 25 Millimetern oder werden es doch mehr? "Wir brauchen Klarheit", fordert Alpine-Boss Laurent Rossi, der die Thematik ebenfalls durchaus kritisch sieht. "Wir wollen nicht, dass Dinge für die Probleme eines einzelnen Teams geändert werden."
Die angedachten Änderungen kommen spät, aber nicht zu spät. "Idealerweise hätten wir es gerne schon im April gewusst, aber da war das Problem noch nicht offensichtlich", erklärt McLarens Technik-Chef James Key. "Zum aktuellen Zeitpunkt sind die Geometrien des Getriebegehäuses und der Radaufhängung schon recht fortgeschritten."
Sauber-Kollege Monchaux fordert deshalb: "Wir können nicht noch vier bis sechs Wochen warten. Wir brauchen die Regeln vor dem Shutdown." Der ist nach dem nächsten Rennen in Ungarn. Noch lieber wäre Monchaux aber eine andere Lösung: "Die Änderungen erst 2024 - oder gar nicht."
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