"Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", sinnierte Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Kanada-Grand-Prix. Nach zwei Podestplätzen in Folge für George Russell in Aserbaidschan und Lewis Hamilton in Kanada hofft das einstige Weltmeisterteam auch in Silverstone auf ein gutes Ergebnis. Größere Updates am W13 sollen den Silberpfeilen zum Erfolg verhelfen.
Mercedes: Dreifaches Heimrennen für das deutsche Formel-1-Team
Zwei Briten als Piloten und zwei Heimatorte in Brackley und Brixworth lassen keine Zweifel zu: Silverstone ist das Heimspiel für das Mercedes-Formel-1-Team. Nicht nur für Mercedes, mit Ausnahme von Ferrari (Maranello), AlphaTauri (Faenza) und Alfa Romeo (Hinwil) haben sich alle Teams mit ihren Werken und Fabriken in Großbritannien angesiedelt.
Andrew Shovlin, Trackside Enginneering Director bei Mercedes weist auf die große Bedeutung des Rennwochenendes hin: "Silverstone ist ein Ziel-Event für uns und wurde am Kalender markiert!" Shovlin zum angekündigten Update: "Wir haben ein Paket, an dem wir arbeiten und haben das Auto so ziemlich jedes Wochenende ein bisschen verändert." Für Silverstone würde man aber größere und sichtbarere Updates im Gepäck haben. "Hoffentlich machen wir damit einen Schritt nach vorn."
Hamilton und Russell: Mehr Updates, weniger Experimente
In den letzten Rennen experimentierte das Team mit einigen kleineren, subtileren Neuerungen an beiden Autos. Bislang nur mit mäßigem Erfolg und nicht immer zur Freude von Lewis Hamilton: "Künftig müssen wir etwas mehr Vorsicht walten lassen und nicht zu viele Experimente vornehmen." Der 37-Jährige Brite scherzte, dass Teamkollege George Russel in der zweiten Hälfte zum Testobjekt Nummer eins aufsteigen sollte. Beide Piloten fuhren in den freien Trainings in Kanada mit Anpassungen an ihren Unterböden. Ohne Erfolg, Russels zusätzliche Strebe wurde zudem nach Androhung von Protesten anderer Teams wieder entfernt.
Laut Mercedes' CTO James Allison beinhalten die angekündigten Updates verschiedene Frontflügel, Heckflügel und Änderungen am Unterboden. "Und ein paar andere Kleinigkeiten." Mit der nächsten Ausbaustufe versuche man einerseits, das Auto schneller zu machen und andererseits noch mehr aus dem bestehenden W13-Silberpfeil herauszuholen. Auch Hamilton freut sich: "Ein Upgrade ist immer gut." Speziell in Zeiten der Kostenobergrenze seien neue Komponenten hoffentlich ein großer Schub nach vorne.
Mehr Schwalben für Toto Wolff und Mercedes?
Gemeinsam mit den Eigenschaften der Strecke in Silverstone gibt es Grund zur Hoffnung. "Ich glaube, wir werden uns auf einer Strecke wie Silverstone leichter tun", meinte ein optimistischer Toto Wolff nach dem Rennen in Kanada.
Was sagt die Konkurrenz? Carlos Sainz ist gespannt, ob ihnen Mercedes vielleicht sogar im WM-Kampf gegen Red Bull behilflich sein kann, indem es den direkten Konkurrenten ein paar Punkte abnimmt. Weltmeister Verstappen traut sich keine Vorhersage zu, im Gegensatz zu Dr. Helmut Marko: "Wir dürfen auch Mercedes nicht aus den Augen lassen."
Zurück zu den Vögeln: "Wir sahen diese Schwalbe in Barcelona, aber sie ist dann irgendwo anders hingeflogen", meinte Wolff. In Barcelona schlugen schon viele Mercedes-Fanherzen höher, als das Auto in Wolffs Augen das ganze Wochenende hinweg eine gute, 'weltmeisterliche' Pace zeigte. Auch das Porpoising-Problem schien in Spanien gelöst zu sein.
100 Wege des Hüpfens im Mercedes-Formel-1-Auto
"Wir lösen ein Problem am Auto und treffen auf das Nächste", meint George Russell. Kaum hatte man das aerodynamische Phänomen des Porpoising im Griff, stieß man auf das mechanisch ausgelöste Bouncing. Die harte Abstimmung mit der Hamilton und Russell fahren (müssen), sowie die neuen 18 Zoll-Pirelli-Reifen bringen das Auto wiederum zum Hüpfen und die Rücken beider Mercedes-Piloten zum Schmerzen.
Die nachfolgenden Rennen in Monaco, Baku und Montreal brachten viele nicht nur durch das Bottoming des W13 auf den Boden der Realität zurück. Aber: Allesamt Stadtkurse, in Silverstone fährt man nach drei Rennen wieder auf einer permanenten Hochgeschwindigkeits-Rennstrecke.
Mercedes-Siegchance nur durch Fehler von Red Bull und Ferrari
"Vorsichtig optimistisch", beschreibt James Allison die Situation bei Mercedes vor dem Heimrennen. "Ich denke, einige der Charakteristiken der Strecke liegen dem Auto." Er fügte jedoch hinzu, dass das Auto weiterhin nicht siegfähig sei. Zumindest nicht aus eigener Kraft. Dafür sei die Lücke zu den zwei Top-Teams zu groß. Wie man doch gewinnen könnte? Hoffen auf einen Ausrutscher von sowohl Red Bull als auch Ferrari.
"Aber wenn wir das Auto durch Maggotts und Becketts und die schnelleren Kurven zähmen können, dann denke ich, dass wir eine gute Chance auf ein konkurrenzfähiges Wochenende haben", meint Allison.
Mike Elliot, der Allisons Position des Technischen Direktors 2021 übernahm, gibt als Fernziel des Teams an, den Anschluss an die Spitze wieder herzustellen. "Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein. Im Moment befinden wir uns einen Tick hinter den Top-Teams." In einem normalen Rennen wäre es hart für Mercedes. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke in Silverstone würde aber mit seiner glatten Oberfläche, den langen Geraden und den schnellen Kurven dem W13 entgegenkommen. "Vielleicht wird es hier nur ein bisschen schwierig für uns", fügt Elliot hinzu.
Trumpf gegenüber Ferrari & Red Bull: Zuverlässigkeits-Weltmeister Mercedes
Ein weiteres Plus für Mercedes? Zuverlässigkeit. Nicht nur von George Russell, auch vom Auto: Neun Rennen ohne Ausfälle. Trotz Führung in Fahrer- und Konstrukteurswertung kämpft Red Bull (wie auch Ferrari) in dieser Saison mit der Zuverlässigkeit seiner Autos. Auch Max Verstappen weist darauf hin: "Wenn du nicht ausfällst und immer Punkte sammelst, kannst du trotzdem in einer guten Position sein." Er gibt auch gleich eine Handlungsempfehlung für sein eigenes Team: "Wir müssen die Rennen immer beenden!"
Immer zur Stelle, um einen Platz auf dem Podest abzustauben? Mercedes. "Aber man darf sich da nicht in Sicherheit wiegen, das kann ganz schnell in die andere Richtung schwingen", mahnt Vogel-Freund Toto Wolff auch hier zur Vorsicht.
Ende der Negativserie in Silverstone für die Silberpfeile?
Seit 2013 ist Mercedes eigentlich eine Übermacht in Silverstone. Von den letzten zehn Rennen stand man bei acht ganz oben auf dem Treppchen. Nur 2018 und beim Jubiläums-Grand-Prix 2020 verhinderten Sebastian Vettel und Max Verstappen die Mercedes-Party.
Aber: Zehn sieglose Rennen in Folge markiert die längste Serie ohne Sieg seit Beginn der Turbo-Hybrid-Ära 2014. Der letzte Mercedes-Sieg gelang Lewis Hamilton in Saudi-Arabien, allerdings beim Rennen im letzten Jahr. Ornithologen sowie Motorsportfans warten schon gespannt, ob noch mehr Schwalben für Mercedes in Silverstone gesichtet werden können.
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