Die beiden McLaren-Piloten Lando Norris und Daniel Ricciardo überquerten beim Formel-1-GP in Baku nach einem auf den ersten Blick langweiligen Rennen die Linie auf den Plätzen 8 und 9. Doch im Funkverkehr der beiden Papaya-Piloten war das Rennen alles andere als ereignisarm. Mehrmals setzte die Mannschaft aus Woking Teamorders durch - sehr zum Unmut von Norris.

Der teaminterne Zwist begann bereits im ersten Stint. Daniel Ricciardo, der auf harten Reifen in den GP gestartet war, lief in der Startphase schnell auf Norris und dem davor fahrenden Alonso auf - beide Mediums. Doch das Team erlaubte ihm nicht, einen Überholversuch gegen seinen Teamkollegen zu starten. "Ich hatte mehr Pace auf dem Hard als Fernando und Lando auf dem Medium", beschrieb der Australier.

McLaren auf der Gerade zu langsam

Die Erklärung, warum McLaren keinen Zweikampf zwischen seinen Piloten gestattete, findet sich in den Topspeed-Werten. Denn Ricciardo hatte zwar eine bessere Pace als Alonso vor dem McLaren-Duo, die Strategen gingen aber trotzdem davon aus, dass er keinen Weg an dem Alpine vorbei finden würde.

Alpine war an diesem Wochenende tonangebend, was die Geschwindigkeit auf der Geraden anging. Während der Alpine A522 auf der Start-Ziel-Linie Werte knapp unter 340 Km/h aufs Radar brachte, erreichte der McLaren ungefähr 20 Km/h weniger. Sogar mit DRS konnten Norris und Ricciardo kaum mit Alonso mithalten.

Überhol-Verbote für Norris und Ricciardo

Gleichzeitig befand sich Ricciardo unter Druck von Pierre Gasly. "Wenn Daniel Lando attackiert hätte, hätte das nur einen Jojo-Effekt zur Folge gehabt, so wie wir ihn in diesem Jahr schon bei anderen Teams gesehen haben", erklärte Seidl. Mit einem Zweikampf der beiden Teamkollegen hätte man riskiert das DRS von Alonso zu verlieren. "Unsere Idee war: Wenn wir beide Autos hinter Alonso halten, konnten wir sicherstellen, dass wir Gasly unter Kontrolle halten."

Die zweite Episode im Teamorder-Streit der McLarens gab es dann gegen Ende des Rennens mit umgekehrter Rollenverteilung. Daniel Ricciardo war zuvor dank eines Boxenstopps während der virtuellen Safety Car Phase vor Norris zurück auf die Strecke gekommen. Diesmal war er es jedoch, der mit den Medium-Reifen Probleme hatte.

"Die Pace war für zwei Runden da und dann fiel sie einfach ab", so Ricciardo. Norris schloss zu ihm auf, doch erneut funkte das Team dazwischen, ehe es zu einem Zweikampf kam. Zuerst lautete noch die Anweisung, dass Ricciardo Alonso attackieren könne und man bei einem Misslingen dieser Attacke die Positionen zwischenzeitlich tauschen würde, damit auch der zweite McLaren sein Glück versuchen kann.

Diesen Plan zog man allerdings wieder zurück. "Wir glauben, dass Alonso zu schnell ist. Wir werden die Positionen halten", wurde ihm mitgeteilt. Als Erklärung wurde die Teamorder im ersten Stint herangezogen, bei der Ricciardo ihn ebenfalls nicht attackierte. "Ja, aber da ging es um die Strategie, hier geht es um die Zielposition", beklagte sich der 22-Jährige daraufhin.

Norris bissig: Bin kein Rebell

Norris fügte sich der Anweisung, aber ganz damit einverstanden war er auch nach dem Rennen nicht. "Daniel hat mir in der Mitte des Rennens geholfen, da gab es eine Runde, in der er mich überholen konnte und musste ihm den Gefallen zurückgegeben, indem ich auf den letzten drei Runden überhaupt nicht mehr Überholen durfte. So muss ich das wohl akzeptieren", so Norris bissig. Dass Ricciardo den gesamten ersten Stint hinter Norris verbrachte und nicht nur eine Runde, ließ er in dieser Argumentation allerdings unter den Tisch fallen.

"In Kurve 1 habe ich ihm Vorfahrt gegeben, aber ich hätte Achter werden können, wenn ich ein bisschen mehr ein Rebell wäre. Aber ich akzeptierte, was wir als Team getan haben. Wir wollten mit beiden Autos in den Punkten landen und das haben wir geschafft", gab sich Norris auch noch etwas versöhnlicher. Im Endeffekt waren sich aber sowohl Teamboss Seidl als auch die beiden Fahrer einig: Mehr als die Positionen 8 und 9 seien mit dem brustschwachen MCL36 nicht möglich gewesen und die Teamorder-Strategie sei der beste Weg gewesen, diese Schadensbegrenzung auch zu erreichen.