1. - S wie Startaufstellung

Zum vierten Mal in Folge und zum insgesamt sechsten Mal in der Saison 2022 sicherte sich Charles Leclerc im Qualifying der Formel 1 in Baku die Pole Position für den Großen Preis von Aserbaidschan. Direkt neben dem Monegassen startet der nach seinem Sieg in Monaco erneut stark auf aufgelegte Baku-Spezialist und Vorjahressieger Sergio Perez. Max Verstappen musste sich dem Mexikaner erneut knapp beugen und startet das Rennen heute nur vom dritten Platz neben Carlos Sainz.

Im Kampf um den Titel des weit abgeschlagenen Best of the Rest verfügt George Russell mit Platz fünf über die besten Karten. Noch vor Teamkollege Lewis Hamilton startet Pierre Gasly von P6 ins Rennen. Yuki Tsunoda, Sebastian Vettel und Fernando Alonso komplettieren die Top-10 der heutigen Formel-1-Startaufstellung in Baku. McLaren verpasste die oberen Tabellenhälfte trotz starker Generalprobe knapp. Mick Schumacher legt heute nach einem bislang von Technikpech und mangelnder Pace geprägten Wochenende vom letzten Startplatz los. Alle News zur Formel 1 heute in Baku gibt es im Liveticker.

2. - S wie Start

Der erste schwierige Moment für Polesitter Leclerc kommt wie schon in den vergangenen drei Rennen gleich am Start. Bislang hielt der Monegasse hier jeder Attacke stand, doch gilt das auch in Baku? Die Konkurrenz geht sogar davon aus. "Der Run zur ersten Kurve ist hier super kurz, da kannst du nicht viel machen", sagt Verstappen. Falsch liegt der Niederländer damit mit Sicherheit nicht. Nur 137,8 Meter beträgt die Distanz von Pole bis zum ersten Bremspunkt - das sind Monaco-Verhältnisse.

Allerdings lässt es sich in Aserbaidschan über die ersten Kurven hinweg deutlich besser attackieren als im Fürstentum. Insbesondere nach der zweiten Kurve kommt gleich eine lange Gerade mit hartem Bremspunkt am Ende, die zu Attacken einlädt. Eine gute Traktion aus der Kurve ist entscheidend. Mit Vorteilen für den einen oder anderen dank abweichender Reifenwahl

Der Weg bis zur ersten Kurve in Baku ist kurz, Foto: LAT Images
Der Weg bis zur ersten Kurve in Baku ist kurz, Foto: LAT Images

3. - S wie Strategie

Genau diese Frage führt uns direkt zum zweiten Schlüsselfaktor, der Strategie. Einen Start auf Soft hält Pirelli durchaus für taktisch möglich, allerdings nicht für die insgesamt schnellste und flexibelste Variante, die 51 Rennrunden von Baku hinter sich zu bringen. Ideal sei dafür ein Start auf Medium-Pneus und ein Wechsel auf harte Reifen. Viel schlechter sei allerdings auch der Soft zu Beginn nicht. Wer hier eher zugreift? Sowohl Ferrari als auch Red Bull hätten gute Gründe. Leclerc zur sicheren Abwehr der Bullen zu Rennbeginn, Perez, Verstappen und auch Sainz zum schnellen Angriff auf mögliche Medium-Starter.

Insbesondere wenn alle auf Medium starten und ein irgendwann eingehender Soft keinen Boxenstopp erzwingt wird dann das große Taktieren beginnen, um auf ein mögliches Safety Car für einen zeitsparenden Service zu warten. Denn mehr als einen Stopp erwartet Pirelli nur in Ausnahmefällen oder durch eben gute Gelegenheiten wie ein Safety Car. Sonst seien zwei Stopps, auch wegen der 330 Meter langen Boxengasse mit nur 60 km/h Tempolimit direkt neben der ultraschnellen Gerade, ganz klar langsamer.

Besondere Spannung an der Spitze könnte allerdings der Faktor Sainz generieren. Verbessert sich der Spanier nicht gleich am Start, kann Red Bull Leclerc mit gleich zwei Autos in die Zange nehmen und womöglich einbremsen. "Das ist ein Vorteil", kommentiert Motorsportchef Helmut Marko den in Baku abfallenden Sainz. Der Grazer hofft auf ein zweits Monaco: "Wir haben die Ferrari gesplittet und im Renntrimm sind wir stark. Jetzt ist es wieder eine taktische Entscheidung, wer wie oft reinkommt. Vielleicht sind wir ja wieder besser!"

4. - S wie Safety Car

Der Abschnitt zu den Strategien hat es bereits nahegelegt. Mit sieben Safety Cars in bislang erst fünf Ausgaben des F1-Rennens in Baku ist die Wahrscheinlichkeit für einen Einsatz Bernd Mayländers in Baku extrem hoch. Durch die zahlreichen Nadelöhre wie Kurve drei und allen voran die nur gut sieben Meter breite Kurve acht an der Schlossmauer besteht im Fall größerer Unfälle sogar die Chance einer roten Flagge. Immerhin droht hier schnell eine völlig versperrte Strecke. Noch mehr als eine Safety-Car-Phase kann das ein Rennen völlig auf den Kopf stellen. Völlig in ihre Strategien einkalkulieren können die Teams eine Neutralisierung allerdings nicht. Die sieben SC-Einsätzen verteilten sich tatsächlich nur auf drei Rennen, die zwei übrigen gingen gänzlich ohne Unterbrechung über die Bühne.

5. - S wie Speed

Rund 330 km/h erreichen die Formel-1-Autos der Generation 2022 am Ende der 2,2 Kilometer langen Vollgaspassage am Ende der Runde. Das ist deutlich weniger als der mit 378 Stundenkilometern sechs Jahre alter Rekord durch Valtteri Bottas, in diesem Jahr allerdings dennoch fast heikler. Grund dafür ist das extreme Bouncing und Bottoming zahlreicher Boliden auf der langen Geraden in Baku. "Ich konnte nicht einmal mehr den Bremspunkt sehen", schilderte George Russell die Folgen des Phänomens.

Die berühmten DRS-Schlachten der vergangenen Jahre werden 2022 durch dieses neue Element also wohl nur noch brisanter. Wer hat hier die Nase vorne? Nach dem Umbau auf einen kleineren Heckflügel seit FP2 muss sich Ferrari zumindest keine gewaltigen Sorgen mehr wegen Red Bull machen. Nach mehr als zehn Stundenkilometern Nachteil im FP1 hat Ferrari den Nachteil halbiert. So fuhr Leclerc auch im Qualifying selbst im letzten Sektor praktisch auf Augenhöhe mit beiden Red Bull - während er speziell im zweiten Sektor dominierte.

Heißt im Umkehrschluss: Leclerc kann den Bullen womöglich weit genug enteilen, bevor diese einen nicht mehr ganz so eklatanten Topspeed-Vorteil ausspielen können. Das weiß auch Verstappen. "Vielleicht sind wir bisschen schneller, aber man muss auch in den Kurven schnell sein, nicht nur auf den Geraden", mahnt der Niederländer. Entscheidend sein wird hier auch, wenn die Rennleitung das DRS freigibt.

6. - S wie steife Brise

Apropos DRS: Das bereitete Verstappen im ersten Freien Training wie schon in Spanien wieder Probleme. Extrem flatterte der Flügel, immerhin öffnete der Flap. Nach einer Verstärkung und Fixierung zum FP2 tauchte das Problem dann nicht mehr auf. Doch übersteht der Flügel auch 51 Rennrunden? Und das auch noch mit möglichem Gegenwind auf der langen Geraden? Generell beherrschte der Wind große Teile des bisherigen Wochenendes.

Gerade am Freitag beklagten fast alle Fahrer in der "Stadt der Winde" Seitenwind mit starken Böen von bis zu 50 km/h und leisteten sich auch deshalb Verbremser in die Notausgänge in Serie. Im Training ist das kein Problem, im Rennen sehr wohl. Bremst ein Fahrer einmal in Erwartung von Gegenwind zur Unterstützung, erwischt dann allerdings eine Böe von hinten, ist ein Verbremser schnell geschehen - mit dann riesigem Zeitverlust. So manches Rangiermanöver in den engen Auslaufzonen dauerte gleich eine ganze Minute.

7. - S wie Sieger

Doch wer verfügt nun über den wichtigsten Trumpf? Bessere Pace und besseres Reifenmanagement. Immerhin hat in der bisherigen Saison nichts mehr Rennen entschieden. Interessant: Irgendwie gehen beide Seiten von einem kleinen Vorteil aus. Auch wenn Ferrari nach dem Qualifying wieder Sorgen wegen der bei Red Bull 2022 gegenüber dem Qualifying stets besseren Rennpace zumindest leise Bedenken anmeldete, hatte der Monegasse schon nach den Longruns am Freitag vor Selbstverstrauen gestrotzt.

Tatsächlich sah das Bild etwas anders aus. Auf dem Medium fuhr Perez bei gleicher Stintlänge und ähnlichen Reifenalter eine Zehntel schneller als Sainz. Auf dem Soft schüttelte derweil Verstappen Leclerc sogar um drei Zehntel ab. Das allerdings auch auf einem fünf Runden jüngeren Reifen bei nicht einmal halber Stintlänge gegenüber Leclerc.

"Wir wissen um unseren Rennspeed", betont Marko. "Dann kommt es aber darauf an, wer die Reifen besser behandelt. Und da haben wir noch zwei Sätze Hard, Ferrari nur einen. Wenn die Temperaturen da ähnlich hoch sind wie heute Nachmittag kann das auch einen Vorteil für uns bringen." Anders als das Qualifying um 18:15 Uhr Ortszeit startet das Rennen bereits um 15 Uhr.