Heute vor vier Monaten, am 12. Dezember 2021, ereignete sich einer der größten Kontroversen in der gesamten Sportgeschichte der Formel 1. Beim großen WM-Showdown zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen in Abu Dhabi kosteten fatale Fehlentscheidungen des damaligen Rennleiters Michael Masi bei der Auflösung einer späten Safety-Car-Phase den Mercedes-Fahrer seinen achten WM-Titel.

Riesig war der Ärger im Lager um Hamilton und Teamchef Toto Wolff. Unmittelbar legte Mercedes, inklusive anwaltlicher Unterstützung, gleich zwei Proteste ein. Einen gegen ein Überholmanöver Verstappens hinter dem Safety Car, einen zweiten gegen die Wertung des Rennens. Beide Proteste kanzelten die Stewards nach stundenlanger Untersuchung ab. Mercedes behielt sich daraufhin das Recht auf Einspruch vor, entschied sich einige Tage später jedoch gegen den Gang vor die Sportgerichtsbarkeit.

Wolff hat Abu Dhabi nicht vergessen: Persönliche Abrechnung mit Masi

Und das trotz guter Aussichten auf Erfolg, ließ Teamchef Wolff Wochen später wissen. Um einen Abschluss zu finden und das Image des Sports nicht weiter zu beschädigen. Auch Mercedes, aus eigener Sicht zwar im Recht, hätte bei einer großen Prozessführung als schlechter Verlierer dagestanden. Immerhin ging es um die erste Niederlage nach zuvor sieben WM-Titeln in der Fahrerwertung in Serie. "Wir müssen auf 2022 schauen", sagte Wolff. Man müsse Abu Dhabi nun hinter sich lassen. Vergessen können werde man die Vorfälle allerdings nicht. "Niemals", heiß es schon in Abu Dhabi. "Das ist unmöglich."

Leere Worte waren das nicht. Wie tief der Stachel selbst heute noch sitzt, verdeutlicht ein Interview der Press Association mit dem Österreicher im Rahmen des Australien Grand Prix. Darin ist es endgültig vorbei mit aller Diplomatie. Wolff rechnet schonungslos - und auf persönlicher Ebene - mit dem inzwischen durch den neuen FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem abgesetzten Rennleiter Michael Masi ab.

Wolff: Masi war immun für Feedback und eine Belastung für die Formel 1

"Er war einfach immun für jedwedes Feedback und selbst heute hat er nicht richtig reflektiert, dass er etwas falsch gemacht hat", wettert Wolff gegen den Australier. "Er war eine Belastung für den Sport, denn alle haben weiter über Abu Dhabi und den Rennleiter geredet, aber der Rennleiter sollte eigentlich keine Person sein, über die die Leute reden, sondern jemand, der seinen Job macht und sicherstellt, dass das Rennen regelkonform durchgeführt wird."

Das mache der neue Rennleiter Niels Wittich - alternierend mit Eduardo Freitas im Amt - bereits jetzt besser. "Wie er die ersten paar Rennen geleitet hat, war respektvoll, solide und er hat keinen einzigen Fehler gemacht", lobt Wolff. Einzig das jüngst reanimierte Verbot von Schmuck im Auto hinterfragt der Wiener zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Immerhin ärgert das nicht zuletzt seinen Starfahrer Hamilton. "Aber wenn sich das als der größte unglückliche Fehltritt eines Rennleiters entpuppt, würde ich das tausendfach hinnehmen", ergänzt Wolff.

Wolff: Fahrer haben Masi als nahezu respektlos empfunden

Dabei denkt der Mercedes-Leiter offensichtlich schon wieder an die in seinen Augen sehr viel größeren Verfehlungen Masis. Dazu erzählt Wolff gleich mehrere Anekdoten. "Man hört ja von den Fahrern wie die Fahrerbriefings abgehalten wurden und einige von ihnen haben gesagt, dass es fast schon respektlos war, wie er einige von ihnen behandelt hat", behauptet Wolff.

Damit nicht genug. "Es gibt einen Promoter eines der Rennen im Mittleren Osten, der gesagt hat, er sei er so erleichtert, dass er [Masi] weg sei, weil er so von ihm so sehr beschimpft worden ist", ergänzt der Österreicher.

Wolff geigte Masi die Meinung - schon vor Abu Dhabi

Seine Meinung habe er Masi auch persönlich mitgeteilt, so Wolff. Nicht nach Abu Dhabi - da herrscht bis heute Eiszeit -, sondern bereits im Vorfeld. "Es ist ganz interessant, denn ich war am Mittwoch vor dem Rennen mit ihm Mittagessen und ich habe ihm gesagt, dass 'ich dir wirklich mitteilen will, ohne dich zu bevormunden, dass du Kritik annehmen und dich damit weiterentwickeln musst'", erinnert sich Wolff. "'Lewis macht das jeden Tag, aber du scheinst ein Typ zu sein, der es immer besser zu wissen scheint.'"

Damit habe er Masi nicht beeinflussen wollen. "Es ging mir wirklich darum, ihm mein ehrliches Feedback zu geben, dass er nicht andere Meinungen einfach als falsch abblockt", beteuert Wolff. Fünf Tage nach diesem sicherlich eher unangenehmen Lunch kam es dann zu den berüchtigten Funksprüchen in Abu Dhabi. "Nein, Michael! Nein Michael, nein! Das war sowas von nicht richtig!", entrüstete sich Wolff. "Toto, man nennt es Autorennen, okay? Wir sind Autorennen gefahren", kam es zurück.