Nach den ersten drei Rennen der Formel-1-Saison 2022 ist die Mercedes-Bilanz nach eigenen Maßstäben schlecht. 39 Punkte fehlen dem Team in der Konstrukteurswertung auf Ferrari, und dem bestplatzierten Fahrer George Russell fehlen schon 34 auf WM-Leader Charles Leclerc. Lewis Hamilton liegt gar 43 Punkte zurück. Auf der Strecke fehlten den beiden meist eine knappe Sekunde, sowohl im Qualifying als auch im Rennen.

Viel mehr Sorgen als der große Rückstand macht aber der fehlende Fortschritt. Nach eigenen Angaben hat das Team bislang nur kleine Schritte bei Setup und Balance geschafft. So etwas bringt Zehntel, nicht die gesuchte Sekunde. Die fundamentalen Defizite des Mercedes W13 sind auch nach Australien da. Lewis Hamilton macht inzwischen mehr Druck, denn er spürt, wie die WM-Chancen, selbst bei noch 20 verbleibenden Rennen, langsam entgleiten. Weitere Rennen ohne Upgrades will er nicht mehr abwarten müssen.

Mercedes bringt trotz großen Problemen keine Upgrades

Mit ein Grund ist, dass es bislang keine Upgrades gab. Das Team brachte lediglich in Saudi-Arabien ein Aero-Paket mit weniger Abtrieb für die schnellere Strecke. Aus gutem Grund, wie Teamchef Toto Wolff in Australien erklärt. Das Team versteht nämlich die Probleme noch immer nicht: "Deshalb machen Updates auch keinen Sinn. Du verwirrst dich nur noch mehr."

Immer noch überstrahlt das Bouncing des Autos bei hohem Tempo alles andere. Zwar kristallisiert sich inzwischen heraus, warum Mercedes stärker darunter leidet - das Problem besteht auch noch beim Einlenken in die Kurve, während sich andere Autos schneller stabilisieren. Und nach zwei Rennen gibt es etwa die Erkenntnis, dass das Auto im Rennmodus bei langsamerem Tempo und vollen Tanks kein so extremes Bouncing mehr aufweist. Trotzdem ist es nicht schnell, und will auch nicht schneller werden. Diese Stagnation ist es, die die Beteiligten zunehmend zu frustrieren beginnt.

Hamilton fordert Performance sofort, kündigt Gespräche an

"Wir brauchen es jetzt, nicht in zwei oder drei Rennen", fordert Hamilton daher am Sonntag in Australien nach seinem vierten Platz mehr Performance. Ein Wochenende Pause folgt nun, dann geht es nach Imola, und der siebenfache Weltmeister hat sich seinen Terminkalender daher schon für Arbeit freigeräumt.

"Es wird viele Zooms geben, um den Leuten im Windkanal, den Aero-Jungs, nachzujagen", kündigt Hamilton Gespräche an. "Es gilt Leistung zu finden in Bereichen, die wir kennen." Er selbst will auch in den Simulator. In der Vergangenheit war das nicht unbedingt Hamiltons Standard-Programm, der oft seinen Teamkollegen und den Entwicklungsfahrern die virtuellen Tests überließ.

Hamilton jettet zwischen Simulator, Sponsoren, Management und Rennterminen hin und her: "Ich bin in vielen Zoom-Konferenzen mit unseren Sponsoren, unseren Chefs, damit wir uns alle richtig zusammentun. Wir müssen einige Verbesserungen machen, und wir brauchen dafür von jedem die Unterstützung."

"Also stelle ich sicher, dass kein Stein auf dem anderen bleibt", erklärt Hamilton. "Ich stelle sicher, dass der Hunger wirklich da ist und wir absolut jeden Moment maximieren." Da hat er noch immer volles Vertrauen in das Team, für das er seit 2013 fährt: "Wir müssen nur die Motivation, die Energie oben halten." Er warnt davor, dass die Konkurrenz schließlich nicht schläft: "Mit jeder kleinen Verbesserung werden sie wohl ähnliche Schritte machen."

Wolff sieht noch 40 Prozent WM-Chance

Toto Wolff, der die Lage aus einer übergeordneten Perspektive beobachtet, muss so auch realistisch bleiben: "Du weißt, wie es in der F1 läuft. Du musst einfach an den kleinen Schritten arbeiten, während du das Auto verstehst, und ich bin optimistisch, dass wir es letztendlich schaffen werden."

"Ob das jetzt in zwei oder fünf Rennen oder am Ende der Saison sein wird, weiß ich nicht, aber wir müssen demütig bleiben", so Wolff. "Mein Horizont liegt nicht bei einem Rennwochenende oder bei einem Jahr. Der ist eher so bei zehn Jahren. Ich will zurückblicken und ein wettbewerbsfähiges Team haben, und es wird Jahre geben, in denen das schwieriger ist. Dieses ist eines."

Die WM-Chance schreibt er 20 Rennen vor Schluss natürlich aber nicht ab: "Ich würde wohl sagen, dass die Chancen 20 zu 80 stehen, aber wir sprechen hier vom Motorsport. Teams können ausfallen, und wenn wir dem Auto das Potential entlocken, sind wir sofort wieder dabei. Also will ich als Racer sagen, dass die Chancen eher 40 zu 60 stehen."