So gut die vergangene Saison für Formel-1-Weltmeister Max Verstappen endete, so schlecht startete das neue F1-Jahr 2022 für den Red-Bull-Piloten. Beim Großen Preis von Bahrain kämpfte Verstappen bis kurz vor Rennende gegen einen durchweg leicht überlegenen Charles Leclerc im Ferrari, ehe ein technischer Defekt am Red Bull RB18 Verstappens Rennen vorzeitig beendete und dem Niederländer zum Saisonauftakt eine bittere Nullnummer einhandelte.

"Das ist manchmal auch Motorsport. Das kann passieren - darf nicht - aber es passiert. Jetzt muss man alles analysieren, was da falsch gelaufen ist", kommentiert ein enttäuschter Verstappen nach seinem vorzeitigen Aus in Bahrain. Red Bull vermutet derzeit ein Problem innerhalb des Benzinsystems. Genug Sprit eingefüllt sei gewesen, allerdings sei das am Ende nicht mehr im Motor angekommen.

Verstappen sauer wegen Ausfall: Das darf nicht passieren

Damit nicht genug der Defekte. Auch die Servolenkung an Verstappens Auto streikte nach dem letzten Boxenstopp. Hier war offenbar beim Absenken des Wagenhebers etwas beschädigt worden, hieß es aus dem Red-Bull-Lager. "Ich habe Lenkprobleme bekommen und natürlich am Ende der Ausfall wegen Benzindruck oder so. Keine Ahnung. Aber das darf nicht passieren. Ich habe so viel Punkte verloren, sehr schlecht", klagt Verstappen.

Groß war der Ärger allerdings schon lange zuvor gewesen. Bereits kurz nach seinem zweiten Boxenstopp in Runde 30 entrüstete sich Verstappen plötzlich am Boxenfunk. "Das ist das zweite Mal, dass ich es locker angegangen bin und locker hätte vorne sein können! Das mache ich nie wieder", schimpfte der Niederländer in Richtung Red Bull.

Verstappen schimpft auf Red Bulls Outlap-Taktik: Mache ich nie wieder!

Hintergrund: Gerade war ein zweiter Undercut Red Bulls gegen den Führenden Leclerc nur knapp gescheitert. Zuvor hatte man es bereits in Runde 14 versucht. Die Parallele in beiden Fällen: Red Bull hielt den Niederländer dazu an, auf der Outlap seine Reifen nicht gleich zu hart ranzunehmen. Für Verstappen ein Fehler, wie der Niederländer - wegen der Defekte nach dem Rennen eigentlich in noch viel größeren Problemen - nicht vergessen hat.

Formel 1: Red Bull Drama! Ging Verstappen der Sprit aus? (22:56 Min.)

"Ich werde jetzt nur noch nach meinen Gefühlen fahren, das ist viel besser", betont Verstappen im Interview. Also nicht mehr auf seinen Renningenieur? "Das ist nicht nur der Ingenieur, das kommt auch von anderen. Aber ich werde es jetzt nur noch selbst machen", erklärt der Titelverteidiger.

Red Bull gesteht: Wirksamkeit des Undercuts unterschätzt

Was Red Bull dazu sagt? "Wir haben den Undercut unterschätzt. Also dass Max mit einer voll gefahrenen Outlap vorne gewesen wäre", gesteht Motorsportchef Dr. Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com. "Er [der Undercut] war wesentlich wirksamer als wir kalkuliert haben. Max wäre jeweils vorne gewesen, wenn er die entsprechend schnelle Outlap gefahren wäre. [...] Und wenn du vorne bist, schaut die Welt ganz anders aus."

Teamchef Christian Horner ist nicht ganz so sicher. Immerhin hätte Verstappen mit einer schnelleren Outlap später womöglich den Preis dafür bezahlt. "Es ist immer eine Balance. Wenn du den Reifen zu früh im Stint rannimmst, zählst du später im Stint dafür", sagt der Brite. "Aber vielleicht haben wir den Undercut unterschätzt", gesteht auch Horner.

Horner: Hätten Ferrari auch mit Track Position nicht geschlagen

Anders als Marko geht der Teamchef jedoch nicht davon aus, dass die Führungsübernahme allzu viel geändert hätte. "Ferrari hatte heute die Pace. Selbst wenn wir die Track Position geholt hätten, hätten sie da Überholmanöver gemacht. Wir hatten heute nicht ganz ihre Pace", sagt Horner. Das zeigte sich vor allem in der Phase unmittelbar nach den ersten Boxenstopps. Vorbei war Verstappen zu diesem Zeitpunkt zwar nicht, aber nach zuvor 3,5 Sekunden Rückstand auf Leclerc direkt dran am Ferrari. Dreimal attackierte Verstappen am Ende der Hauptgeraden, zweimal davon konterte Leclerc auf der folgenden Geraden nach Kurve drei eiskalt. Einmal war der Ferrari schon in Kurve eins wieder vorbei - Verstappen hatte diesmal zu spät gebremst.

Zweimal überholte Verstappen Leclerc - der konterte eiskalt, Foto: LAT Images
Zweimal überholte Verstappen Leclerc - der konterte eiskalt, Foto: LAT Images

Das waren die Szenen des Rennens, der große Kampf, Rad an Rad um die Führung. Und es war der Beweis, dass der Ferrari in Bahrain auch im Rennen das schnellere Auto war. Zumal Leclerc nach dem Duell sofort wieder leicht davonzog, kaum hatte sich Verstappen aus dem DRS-Bereich verabschiedet. "Wir hatten zum Teil auch Bremsprobleme, deshalb mussten wir uns auch wieder zurückfallen lassen", erklärt Marko mit einem dritten Problem bei Red Bull an diesem Sonntag.

Ferrari für Red Bull besser als gedacht

Grundlegend fehlte es dennoch schlicht an dem letzten etwas Pace, das gesteht auch Marko. "Das ist sehr bitter, denn wir haben uns ehrlich gesagt Hoffnungen auf den Sieg gemacht. Wir konnten im Rennen das Tempo der Ferrari nicht gehen", sagt Marko. "Die waren in Sektor zwei schneller, die waren auf den Geraden schneller." Also war es nicht nur der 2022 deutlich wiedererstarkte Ferrari-Motor, sondern auch das Chassis.

Vor allem der Reifenabbau des RB18 war dem des F1-75 unterlegen. "Wir haben nicht gedacht, dass die im Rennen dieses Tempo kontinuierlich gehen können", sagt Marko. "Hinzu gekommen ist, dass bei uns der Reifenabbau größer war als bei Ferrari. Auch das ist etwas konträr zu dem, was wir angekommen haben." Dann komme der Motor nur noch hinzu. "Der Ferrari-Motor ist derzeit der stärkste, glaube ich. Die waren sauschnell auf den Geraden", sagt Marko zu Motorsport-Magazin.com.

Marko: Red Bull hat jetzt deutlich nachzuschärfen

"Wir haben deutlich zu arbeiten und nachzuschärfen", mahnt Marko deshalb. "Aber ich glaube nicht, dass die WM dieses Jahr schon entschieden ist." Mit der Basis des RB18 könne man immerhin zufrieden sein. "Jetzt müssen wir aber schauen, was die Ursachen für die vielen kleinen Zwischenfälle sind, die wir heute hatten", sagt der Österreicher. Angesichts dessen hält es Teamchef Horner sogar für ermutigend, überhaupt mit Ferrari gekämpft haben zu können. "Darauf können wir aufbauen", sagt der Brite. "Glückwunsch an Ferrari, aber heute waren die etwas zu schnell für uns. Für die Saison ist es dennoch ermutigend."

Verstappens Ärger und Enttäuschung kann Horner nachvollziehen. "Es ist natürlich sehr enttäuscht. Aber er ist auch pragmatisch. Er weiß, dass es ein langes Jahr ist und er ein gutes Auto hat", sagt der Brite. "Wir müssen einfach das Problem lösen und uns nächstes Wochenende zurückkämpfen. Ich bin froh, dass ich mit diesem Hangover hier jetzt nicht zwei Wochen warten muss. [...] Das ist natürlich dein schlimmster Albtraum."

Wie geil ist die neue Formel 1 2022? | Bahrain GP Reactions (25:00 Min.)