Ab der Saison 2022 verzichtet die Formel 1 auf ihre in den beiden Vorjahren noch groß orchestrierten Anit-Rassismus-Zeremonien vor den Starts ihrer Grands Prix. Im Rahmen ihrer Kampagne "We Race As One" (WRAO) zur Förderung von Diversität und Kampf gegen Rassismus hatte die Königsklasse vor jedem Rennstart, noch vor der Nationalhymne, einen speziellen Zeitslot reserviert, zu dem sich sämtliche Fahrer an der Spitze der Startaufstellung versammeln mussten und ein Zeichen setzten konnten, etwa für Diversität oder gegen Rassismus.

Üblich dabei waren mitunter T-Shirts mit Botschaften oder der spätestens seit der Black-Lives-Matter-Bewegung aus den USA bekannte Kniefall. Nach dem gewaltsamen Tod George Floyds machte sich insbesondere Lewis Hamilton stark dafür, mit der gesamten Formel 1 verschiedene Zeichen zu setzen und Aktionen wie eine eigene Kommission zur Förderung unterrepräsentierter Gruppen zu starten. Auch die gesamte WRAO-Initiative startete erst in diesem Kontext und soll auch weiterlaufen.

Vettel überrascht von Formel 1: Nicht abgesprochen

Doch mit der Zeremonie vor den Starts macht die Formel 1 nun Schluss, wie kürzlich CEO Stefano Domenicali bei Sky UK verriet. "Die Geste war wichtig für einige, die von ihrer Bedeutung überzeugt sind. Aber es ist nun an der Zeit weiterzuziehen und andere Maßnahmen zu ergreifen", erklärte der Italiener. "Wir müssen von Gesten zu Taten wechseln."

Bei Sebastian Vettel, der neben Hamilton in Sachen Diversität umtriebigste Formel-1-Pilot der vergangenen Jahre, kommt das nicht gerade gut an. Zumal es nicht mit den Fahrern abgesprochen worden sei, so Vettel. "Nein, sie haben es einfach geändert", sagte der Deutsche im Rahmen der Präsentation des Aston Martin AMR22. Mit Kritik sparte Vettel daraufhin nicht. "Ich war etwas überrascht. Die Probleme, die wir da angehen, werden nicht binnen zwei Jahren verschwinden, deshalb bin ich überrascht", sagte Vettel.

Vettel: Probleme sind in zwei Jahren nicht einfach verschwunden

Nun hoffe er, dass die Fahrer unter sich Wege finden würden, um etwas anderes zu organisieren. "Vielleicht kümmert das nicht alle Fahrer. Aber ich denke, dass es einige gibt, die es sehr kümmert", sagte Vettel. Weil nicht abgesprochen, kann Vettel über die Gründe der gestrichenen Geste nur grübeln. Einen Verdacht hegt der Heppenheimer allerdings: "Vielleicht ist es für die geschäftliche Seite der Dinge etwas zu stark und zu individuell geworden ...

Im Vorjahr hatte Vettel für eine seiner Aktionen eine offizielle Verwarnung kassiert, weil er beim Ungarn-GP sein Regenbogen-Shirt (s. Bild oben) zur Unterstützung der LGBTQ+-Gemeinschaft nach der Zeremonie zur Nationalhymne nicht wieder abgelegt hatte. Schon im Vorfeld des Rennens hatte Vettel die ungarische Regierung scharf kritisiert. Vorausgegangen war ein auch von EU-Seite kritisierter Gesetzesentwurf, der die Erwähnung anderer Lebensgemeinschaften als der klassischen Familie in Lehrmaterialien verbieten sollte. Auch Lewis Hamilton machte seinem Ärger Luft.

Vettel setzt deutliche Zeichen: Im Vorjahr sogar verwarnt

Generell trat Vettel mehrfach mit verschiedenen Utensilien in Regenbogen-Farben auf, von T-Shirts über Sneaker bis Helmen - besonders gerne bei Events wie in Ungarn, der Türkei oder auf der arabischen Halbinsel, wenn das Thema Menschenrechte aufgrund lokaler Missstände in den genannten Regionen durch das Gastspiel der Formel 1 in den medialen Fokus rückte.

Wie Vettel zeigt sich auch Lando Norris überrascht. Der Brite, der sich stets an dem Kniefall beteiligte, wurde ebenfalls nicht in Kenntnis gesetzt, geht nun allerdings ebenfalls davon aus, dass die Fahrer eigenständig tätig werden. "Ich bin noch nicht ganz sicher, es ist etwas früh für mich, um zu sagen, was passieren wird. Aber natürlich glaube ich, dass es gute Gründe gibt, wenn wir es nicht machen", kommentierte Norris die Entscheidung der Formel 1 etwas diplomatischer als Vettel. "Ich bin sicher, dass die Formel 1 über den Winter an neue Dinge und neue Wege - oder andere Wege - gedacht hat, solche Gesten zu machen - oder eine andere Kommunikation dazu oder was auch immer."

Auch Norris plant Austausch mit Fahrern über neue Aktionen

"Und es wird andere Dinge geben, die wir stattdessen tun, um solche Dinge aufzubringen und darüber zu reden." Denn: "Als Fahrer haben wir Dinge, auf die wir aufmerksam machen wollen und über die wir sprechen wollen."

Anders als Vettel und Norris soll Hamilton britischen Medienberichten zufolge sehr wohl über den Schritt der Formel 1 informiert worden sein. Wie die Sun berichtet, soll der siebenmalige Weltmeister die Pläne auch akzeptiert haben. Das lässt auf anderweite Aktionen, wie von Norris erwartet, schließen. Ohnehin hatte Domenicali davon gesprochen, nun erst recht Taten folgen zu lassen.

Formel 1 verlängert Stipendien-Programm

Eine erste Aktion folgte gleich parallel zu dem Interview des Formel-1-Chefs. So verlängerte die Königsklasse ein Programm, das zehn Stipendien an unterrepräsentierte Gruppen an Unversitäten in Italien und Großbritannien vergibt, bis 2025. Zudem wird ohnehin nur der Zeitslot vor dem Rennen gestrichen. Der "We-Race-As-One"-TV-Einspieler vor den Rennen bleibt bestehen, genauso das WRAO-Branding rund um die Strecken.