Das Jahr der großen Revolution der technischen Regularien in der Formel 1 ist da. Mit einem Jahr Verspätung wegen der Corona-Pandemie gelten ab 2022 nun völlig neue Vorgaben für die Boliden. Die augenscheinlich größte Änderung, Felgen mit 18 Zoll statt 13 Zoll, sind da nur ein Element von vielen. Hinzu gesellen sich komplett ausradierte Bargeboards, eine laut ersten Modellen der F1 umgestaltete Frontpartie, deutlich anders geformte Heckflügel ohne echte Endplatten, eine Rückkehr des Ground Effects zur Kompensation des durch eine beschnittene Aerodynamik verlorenen Abtriebs und vieles mehr.

All das dient vor allem einem Zweck: Mehr Raceability soll her. Die Fahrer sollen mit der neuen Generation von Formel-1-Boliden also besser und enger miteinander kämpfen können. Riesige Verluste von Abtrieb wegen Luftverwirbelungen des vorausfahrenden Autos sollen dank der neuen Formel-1-Regeln 2022 der Vergangenheit angehören, die Autos einander somit dichter folgen können, was zu mehr 'echten' Überholmanövern neben den oftmals eher künstlichen DRS-Aktionen - der aufklappbare Heckflügel bleibt vorerst erhalten - führen soll.

Dirty Air: Formel 1 erwartet 2022 deutliche Verbesserung

In der Theorie rechneten Formel 1 und FIA bereits vor, wie viel besser die neue Formel 1 für dichtes Hinterherfahren geeignet sein sollen. Bei einer Fahrzeuglänge Abstand sollen die 2022er Autos nur noch rund 18 Prozent ihres maximalen Abtriebs verlieren, zuletzt waren es 47 Prozent. Bei drei Fahrzeuglängen Abstand soll der Verlust von 35 auf nur noch vier Prozent zurückgehen. Für diese Werte nimmt man gerne einen erwarteten Rückgang der Rundenzeiten auf ein Niveau von anfangs 2016 in Kauf.

Doch kommt es in der Praxis wirklich so? Abschließend lässt sich das erst nach den ersten Rennen beurteilen, frühere Indizien werden die Testfahrten liefern. Eine noch frühere Wasserstandsmeldung gibt nun Nico Hülkenberg ab. Der Emmericher arbeitet 2022 weiterhin als Ersatz- und Simulatorfahrer bei Aston Martin. Auf seinem LinkedIn-Profil zieht Hülkenberg in der inzwischen bereits fortgeschrittenen Entwicklungsphase eine erste Zwischenbilanz zu seinen bisherigen Eindrücken der Trockenübungen im Simulator - und die dominiert vor allem ein Motiv: Zweifel.

Nico Hülkenberg zweifelt an neuen Formel-1-Regeln

In einem ersten Teil des "Hulk Reports", den der 179-malige GP-Starter auf dem Berufsnetzwerk ab sofort als Sprachrohr nutzen will, schreibt Hülkenberg mit Blick auf die in der Theorie besseren Möglichkeiten, dem Vordermann in den Kurven besser folgen zu können, zunächst von einer spannenden Entwicklung. Deshalb habe es sich die ersten Modelle der neuen Autos ganz genau angeschaut.

Formel 1 2022: Der große Saisonausblick: (26:01 Min.)

Während sich optisch so einiges bewegt habe und die neuen Autos nun futuristischer daherkommen würden, fürchtet Hülkenberg nach seinen Erfahrungen im Simulator allerdings deutlich geringere Auswirkungen der Regeländerungen auf das Racing. "Ob durch die Änderungen tatsächlich mehr Überholmanöver entstehen, wird man erst nach ein paar Rennen sehen - ich sehe das skeptisch, hoffe aber positiv überrascht zu werden", schreibt Hülkenberg.

Hülkenberg: Neue Formel-1-Autos nicht zwingend langsamer

Allzu viel langsamer geworden sei die neue Formel 1 zumindest im Simulator nicht, so Hülkenberg. "Nach meinen ersten Erfahrungen sind die neuen Autos nämlich verdammt schnell und nicht zwingend langsamer als die letzte Generation", schreibt Hülkenberg. Damit nicht genug. "Auch das Fahrgefühl hat sich, zumindest im Simulator, nicht großartig verändert", ergänzt der Aston-Martin-Reservist.

Deshalb ist Hülkenberg längst nicht abschließend überzeugt, wie viel besser da Racing wirklich werden wird. "Es wird also sehr spannend zu beobachten, ob diese Autos speziell in den schnellen Kurven dem Vordermann wirklich so gut folgen können und wir noch mehr Rennaction erwarten können als im vergangenen Jahr. Vor allem die Kurven-Geschwindigkeiten sind im Simulator immer noch extrem hoch und damit ist das Risiko für die Entstehung von "Dirty Air" meiner Meinung nach weiterhin gegeben", schreibt Hülkenberg.

Hülkenberg hofft auf besser Praxis als Simulator-Theorie

Hoffnungsvoll fügt der Emmericher an, auch ein Simulator sei noch immer viel Theorie. "Fahrer und Teams werden bei den Tests herausfinden wie sich die Autos in Realität verhalten", so Hülkenberg. Zumindest ein bisschen langsamer und schwieriger zu fahren, erwartet Hülkenberg die neue Generation dann doch. Da sei er gespannt, wer am besten aus den Startlöchern komme.

Eine Herausforderung prognostizierte schon im vergangenen Jahr Charles Leclerc, schon allein wegen der neuen 18-Zoll-Räder. "Das ist ganz schön anders", sagte der Ferrari-Fahrer. "Es macht es ziemlich knifflig für uns als Fahrer und es wird insgesamt einfach herausfordernder sein, diese Autos zu fahren. Es gibt jetzt vielleicht ein etwas größeres Arbeitsfenster und bei kalten Bedingungen fühlt es sich ziemlich gut an, aber es wird ziemlich knifflig, gerade wenn du das Auto in den Highspeed-Bereichen fährst."

Zum wahren Realitätscheck kommt es Ende Februar, wenn voraussichtlich in Barcelona die erste von zwei Testwochen über die Bühne geht. Eine offizielle Bestätigung der genauen Daten steht aus. Der Saisonstart erfolgt fix am 20. März in Bahrain - zuvor soll in der Wüste die zweite Testwoche stattfinden.