Neun Pressekonferenzen mussten die Pressevertreter beim Formel-1-Saisonfinale in Abu Dhabi auf das große Highlight warten. Neun Mal rund 15 Minuten Pressekonferenz, ehe das Rededuell auf dem Plan stand, auf das sich alle Blicke richteten: Max Verstappen gegen Lewis Hamilton.

Die beiden Titelanwärter gehen mit 369,5 zu 369,5 Punkten in das Finale. Wie üblich vor Titelentscheidungen gab es am Donnerstag eine gemeinsame Pressekonferenz. Hamilton und Verstappen verzichteten dabei auf gespielte Lockerheit, widmeten sich gegenseitig keines Blickes. Nicht einmal das übliche Handshake-Foto gab es.

Formel 1: Hamilton kann alleiniger Rekordweltmeister werden

Hamilton, der Titelverteidiger, nahm auf dem linken Sessel Platz, Verstappen auf dem rechten. Zwischen den beiden Kontrahenten: Die WM-Trophäe. Hamilton könnte den Pokal am Sonntag zum achten Mal gewinnen und sich damit zum alleinigen Rekordweltmeister krönen.

"Das, was wir als Team erreichen können, hat noch niemand geschafft", so Hamilton. "Dabei hatten uns einige dieses Jahr schon abgeschrieben. Dass wir jetzt noch um den Titel kämpfen können, ist eine unglaubliche Teamleistung. Niemand hat zuvor acht Titel geschafft."

Lewis Hamilton: Ich fühle mich immer als Jäger

Für Verstappen wäre es der erste Titel. Auch der Herausforderer zeigte sich dankbar: "Nach dem letzten Jahr hatte ich nicht wirklich viel Hoffnung, dass wir am Ende des Jahres hier sitzen würden und um den Titel kämpfen. Wir hatten eine gute Saison, gute Rennen und auch ein paar Enttäuschungen. Aber wir können stolz auf dieses Jahr sein."

Dabei sieht sich Hamilton selbst noch als Herausforderer, nicht als Titelverteidiger: "Ich bin von dem Zeitpunkt an Jäger, an dem ich zu trainieren beginne. Ich fahre nicht mit der 1, ich fahre mit der 44. Für mich fühlt es sich wie jede andere Meisterschaft an. Ich fühle mich nicht als Weltmeister, wenn ich in eine Saison gehe, sondern als Jäger."

Max Verstappen hält sich nach Attacke zurück

Nachdem sich Verstappen am frühen Nachmittag in einer eigenen Pressekonferenz von Red Bull angriffslustig zeigte, hielt er sich bei der FIA-Pressekonferenz auffallend zurück. Kontroversen gab es in der WM-Pressekonferenz kaum.

Dabei musste sich Verstappen wohl die Lippen zusammenkneifen, als sein Titelrivale das Überholmanöver in Saudi-Arabien noch einmal schilderte, für das er eine Warnung kassiert hatte. "Das finde ich komisch, denn ich darf die ganze Strecke nutzen. Ich war schon komplett vorbei und wollte die ganze Breite der Strecke nutzen, um den bestmöglichen Kurvenausgang zu haben. Max hat versucht, außen wieder vorbeizukommen. Da war aber nicht genügend Platz. Ich wusste aber gar nicht, dass er da neben mir war. Ich hatte ihn schon überholt."

Verstappen sauer: Hamilton kam mit Verwarnung davon

Verstappen hatte die Situation zuvor aus seiner Perspektive beschrieben - und die klang naturgemäß etwas anders: "Er [Lewis Hamilton] hat mich von der Strecke gedrängt. Er schaut sogar zu mir rüber und lenkt einfach nicht ein. Er drückt mich einfach raus, außerhalb von der weißen Linie. Und er bekommt dafür nur eine Verwarnung."

Auch die Frage aller Fragen löste bei der Pressekonferenz keine Ekstase aus. Kommt es in Abu Dhabi zum WM-entscheidenden Unfall? "Als Fahrer denkst du über diese Sachen nicht nach. Du gibst dein Bestes und versuchst, das Rennen zu gewinnen. Die Medien starten diese Dinge", so Verstappen.

WM-Crash: Hamilton & Verstappen blocken ab

Hamilton wollte auf die Diskussion ebenfalls nicht einsteigen: "Ich verschwende überhaupt keine Energie mit so etwas. Ich versuche einfach, den besten Job mit diesem Team zu machen. Ich hätte nie gedacht, dass wir beim letzten Rennen noch Kopf an Kopf sein würden."

Danner Interview: Greift Verstappen in die unterste Schublade? (25:59 Min.)

Aber: Traut der erfahrene Brite dem jungen Niederländer noch, nach dem, was in Saudi-Arabien passierte? "Ich glaube, dass jeder hier ist, um zu gewinnen. Und ich glaube auch, dass es jeder in der richtigen Art und Weise machen will." 100-prozentiges Vertrauen hört sich anders an, einen Affront wollte Hamilton aber auch nicht starten.

FIA warnt Hamilton & Verstappen vor Punktabzug

Rennleiter Michael Masi hält offenbar auch nichts von blindem Vertrauen. In seinen Event Notes erinnerte er alle Teilnehmer an bestimmte Artikel des International Sporting Codes. Darin geht es um Fairness und auch um die Möglichkeit, einem Teilnehmer Punkte abzuziehen.

Lewis Hamilton ist ein Fan der freundlichen Erinnerung: "Ich bin mir sicher, dass die Stewards zuvor nicht die Vorsichtsmaßnahmen genommen haben wie diesmal. Ich denke, es ist fair, dass sie es machen. Hoffentlich kommt es nicht dazu und wir haben ein großartiges Rennen. Aber ich bin hier, um meinen Job zu machen, nicht um die Stewards zu sehen."

Verstappen, auf den die Erinnerung wohl hauptsächlich abzielen soll, weil er bei Punktegleichstand Weltmeister wäre, zeigt sich unbeeindruckt: "Ich weiß, was im Sporting Code steht. Ich glaube nicht, dass man jemanden daran erinnern muss. Das ist nichts Neues." Daran, wie er die Weltmeisterschaft holen will, lässt der Red-Bull-Pilot aber keine Zweifel: "Wir wollen gewinnen und wir wollen keine kontroverse Entscheidung."