Unverhofft kommt oft für Sebastian Vettel in der Formel-1-Saison 2021. Beim Großen Preis von Ungarn spülte es den Aston-Martin-Fahrer nach dem Aserbaidschan-GP bereits zum zweiten Mal in dieser Saison durch ein völlig chaotisches Rennen auf das Podium. Auf dem Hungaroring profitierte Vettel vor allem von gleich zwei großen Unfällen direkt am Start. Schon nach einer Kurve war der Deutsche Dritter.

Nach einem strategischen Fehler von Mercedes für Lewis Hamilton beim Re-Start lag Vettel sogar auf Rang zwei hinter Esteban Ocon. An dem späteren Sieger fand Vettel im offenbar schnelleren Auto nie einen Weg vorbei. Deshalb schien beim Zieleinlauf der Ärger über die verpasste Chance fast größer als der Jubel über den noch immer sensationellen zweiten Platz. Lautes Aufstöhnen am Boxenfunk sprach für sich.

Sebastian Vettel erklärt Enttäuschung trotz Sensation

"Ich bin natürlich ein bisschen enttäuscht, denn ich dachte den Großteil des Rennens, ich sei schneller. Aber Esteban ist fantastisch gefahren und hat keinen Fehler gemacht und ich konnte nicht nah genug herankommen", sagt Vettel. "Frustration ist vielleicht ein großes Wort. Nach der Linie gingen die Emotionen hoch, da war ich etwas niedergeschlagen, denn ich hatte das Gefühl, dass wir heute wirklich, wirklich die Chance auf eine große Überraschung haben."

Vettel weiter: "Aber die Überraschung war auf Estebans Seite und er hat sie genutzt. Man muss da keine Entschuldigungen suchen. Es ist sein Tag und sein Moment. Ich habe absolut alles getan, um ihn in einen Fehler zu treiben. Er hatte ein paar kleine Lock-ups, aber nichts Großes. Es ist nicht leicht, hier zu überholen. Aber auch nicht, unter Druck die Kontrolle zu behalten. Wir haben hart gepusht, aber er ist auf der Strecke geblieben und hat es verdient. Für uns ist es klasse, aber wenn du so nah dran bist, schaust du immer mehr auf den Sieg als auf den zweiten Platz."

Vettel und Aston Martin vergeben größte Chance

Vettels größte Chance vergab allerdings Aston Martin durch einen langsameren Boxenstopp beim Undercut-Versuch gegen den Franzosen in Runde 36. Rund eine Sekunde länger stand Vettel als Ocon im Umlauf danach. So reichte es trotz einer schnellen Outlap Vettels nicht, um den Franzosen zu kassieren. Extrem knapp zog Ocon am Boxenausgang wieder vor Vettel - genau jene Sekunde, die das Team zuvor an der Box verloren hatte.

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Doch auch Vettels Boxeneinfahrt passte nicht ganz, gesteht Vettel. "Ich bin auch echt hart reingepusht, vielleicht etwas zu hart, sodass die Hinterachse blockiert und Anti-Stall ausgelöst hat", gesteht Vettel. "Dann hat es auch etwas gedauert. Auf der Outlap habe ich auch wie verrückt gepusht und es war eng. Ich habe es versucht. Ich bereue nichts. Ich habe alles probiert, um einen Unterschied zu machen. Wir haben das Rennen nicht verloren, er hat es gewonnen!"

Vettel: Ich weiß, dass wir Glück hatten ...

Dass Vettel sich überhaupt in einer derart guten Position befand, zeugte von großem Glück in Runde eins. "Ich weiß, dass wir heute Glück hatten. Aber es war ein tolles Gefühl, das ganze Rennen für etwas von Bedeutung zu kämpfen, den Sieg, das Podium. Das hat Spaß gemacht", sagt Vettel.

Auf nasser Fahrbahn hatte Vettel eigentlich einen schlechten Start erwischt, war auf den ersten Metern vom zehnten Startplatz bis auf P15 durchgereicht worden. Dann sorgte erst vorne Valtteri Bottas mit einem Unfall für eine Kettenreaktionen, ehe kurz darauf Vettels Teamkollege Lance Stroll ganz innen in Kurve eins ebenfalls zwei Autos abräumte. So ging genau dort ein Loch auf, Vettel schlüpfte durch und war Dritter hinter Hamilton und Ocon.

Vettel: Dank schlechtem Start Massen-Crash entronnen

"Ich hatte einen sehr schlechten Start, aber das hat sich dann als bestmöglicher Ort erwiesen", berichtet Vettel. "Vor mir ist jede Menge passiert. Ich bin es locker angegangen, dann war die Innenbahn frei und schon habe ich mich vor dem Feld befunden. Das hat uns heute ganz klar dieses Rennen beschert."

Dieses Rennen war dann eine zähe Angelegenheit. Der Alpine von Ocon folgte Vettel das gesamte Rennen über wie ein Schatten. Ein deutliches Indiz dafür, wer schneller konnte. Doch auf dem engen Hungaroring fand sich für den AMR21 einfach kein Weg vorbei am A521. "Mit Esteban war es in Sachen Pace sehr eng. Ich habe so hart gepusht und versucht, ihn in einen Fehler zu treiben. Aber im Mittelsektor und im Schlussabschnitt ist es so schwer, nah dranzubleiben. Sonst hätte ich etwas probieren können. Aber wie gesagt, er hat es gut gemacht", sagt Vettel.

WM-Wertung: Vettel schon jetzt mit mehr Punkten als 2020

Durch die 18 Zähler für den zweiten Platz verbesserte sich Vettel in der WM-Wertung in die Top-10. Dort liegt der Deutsche nun mit 48 Punkten auf Platz neun. Damit hat Vettel nach elf Rennen nun bereits 15 Punkte mehr erzielt als in seiner gesamten und letzten Ferrari-Saison im Vorjahr.

Ungemach droht Vettel allerdings noch von den Stewards. Vor dem Rennen soll der Deutsche gegen die Vorgaben während der Hymne verstoßen haben. "Ich habe gehört, dass es darum geht, dass ich mein Shirt während der Hymne angelassen habe", berichtet Vettel bei Sky Sports F1. Vettel trug vor dem Rennen über seinem Overall ein Pride-Shirt in Regenbogenfarben mit der Aufschrift "Same Love" - auch während der Hymne. Da hätte er es ausziehen müssen. Vorab war das als Zeichen der "We Race As One"-Initiative in Ordnung, sogar erwünscht.

Pride-Shirt bei Hymne: Stewards ermitteln gegen Vettel

Bereits mehrfach hatte sich Vettel am Wochenende für die Rechte der LGBTQ+-Gemeinschaft stark gemacht, etwa mit Pride-Turnschuhen und dem Regenbogen auch auf seinem Helm. So wollte Vettel ein Zeichen gegen ein in Ungarn geplantes Gesetz setzen, dass die Abbildung von Homosexualität, Geschlechtsumwandlungen etc. in Lehrmaterialien für Kinder verbieten soll.

"Ich bin happy, wenn sie mich disqualifizieren", sagt Vettel. "Ich bin happy, was immer sie auch tun. Mir ist es egal. Ich würde es wieder tun!" Es sei traurig, dass es für manche Leute noch immer so schwer sei, andere Formen zu leben und zu lieben anzuerkennen, betont Vettel abermals. Vettel. "Wenn du siehst, wie viele Leute damit noch immer ihre Probleme haben, ist es nicht das Schlechteste, wenn wir diesen Planeten irgendwann verlassen müssen." Lewis Hamilton - am Wochenende mit ähnlichen Aussagen unterwegs - unterstützt Vettels Aktionen. Hamilton: "Und es wird ihm vielleicht keinen zu großen Ärger bringen ..." Damit sollte der Weltmeister Recht behalten: