Oranje-Party in Spielberg! Schon am Samstag sorgten tausende Verstappen-Fans auf den Tribünen des Red Bull Ring für Stimmung in der Formel 1. Komplette Ekstase erwartet die Königsklasse am heutigen Sonntag, wenn Max Verstappen gegen 16:30 Uhr die Ziellinie erneut als dominanter Rennsieger des Österreich-GP (Start: 15 Uhr, live auf Sky und im Livestream F1 TV) überqueren wird.

Moment mal: Ist nach der dritten Pole Position des Niederländers in Serie auch der dritte Sieg bereits ausgemachte Sache? Geht es nach dem Weltmeister, ist die Antwort eindeutig. "Sie haben erstens zwei Autos an der Spitze und zweitens sind sie drei Zehntel schneller als wir. Ich denke, dass sie ihr Auto nochmal verbessern konnten. Deshalb würde ich sagen, dass der Sieg ein lockerer Spaziergang für Max wird", prognostiziert Lewis Hamilton.

Mercedes liefert schlechtestes F1-Qualifying seit 2017

Im Zeittraining hatte Mercedes das schlechteste Teamergebnis seit Singapur 2017 eingefahren. Seitdem hatten es nie sowohl Hamilton, Valtteri Bottas und einmal George Russell nicht unter die Top-3 geschafft. In Spielberg aber startet Hamilton heute nur von Platz vier, Bottas von Platz fünf der Startaufstellung.

Anders als beim Steiermark-GP vor einer Woche startet mit Sergio Perez auf P3 auch noch der zweite Bulle vor den Benz-Boliden. Selbst Lando Norris vom Motorenkunden McLaren war schneller, sogar Zweiter. "Es schien fast so, als ob wir im Vergleich zum letzten Wochenende kleine Rückschritte gemacht hätten oder die anderen haben größere Schritte nach vorne gemacht als wir", wundert sich Bottas über das Qualifying.

Lewis Hamilton schließt Sieg über Max Verstappen aus

Doch steht ein Sieg über Verstappen deshalb wirklich schon außer Frage? "Das würde ich sagen. Wenn es um reine Pace geht, steht es auf jeden Fall außer Frage", sagt Hamilton. "Für uns geht es nur darum, zu versuchen, ob wir vor Perez kommen und so den Schaden begrenzen können." Ist das wirklich so? Oder hat Mercedes noch Chancen? Der Favoritencheck von Motorsport-Magazin.com gibt eine klare Antwort: Zumindest Hoffnungen kann sich Mercedes durchaus noch machen.

Das alles entscheidende Argument dafür ist der Wetterbericht. Was oft beliebig klingt, hat an diesem Wochenende durchaus große Relevanz. Am Freitag präsentierte sich die Steiermark von ihrer unfreundlicheren Seite. Leichter Nieselregen, kühle Bedingungen im Training. Das schmeckte Mercedes. Eine Verstappen-Bestzeit im FP1 konterte Mercedes so in der zweiten Session. Red Bull gab frei heraus zu, bei nur rund 30 Grad Celsius Asphalttemperatur den an diesem Wochenende noch weicheren Soft (C5) nicht perfekt zum Arbeiten bekommen zu haben - eigentlich eher ein Mercedes-Problem.

Red Bull am kühleren Samstag verwundbar

Genau das kehrte dann offenbar am Samstag zurück. "Wir müssen hinterfragen, ob wir den Soft-Reifen ins richtige Fenster bekommen haben", grübelt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin über die klare Niederlage und schickte schon eine Begründung voraus: "Die Streckentemperaturen waren heute viel höher und das schien uns nicht zu liegen."

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Tatsächlich: Am Samstag kletterte das Quecksilber auf dem Asphalt auf mehr als 50 Grad Celsus - nun herrschten Bedingungen wie vor einer Woche. Und damit dominierte Red Bull auch wieder wie vor einer Woche - während Mercedes noch deutlicher zurückfiel.

Mercedes sieht Probleme vor allem auf neuem C5-Soft

Das führt man vor allem auf die noch weicheren Reifen zurück. "Es scheint, dass Red Bull und vor allem McLaren an diesem Wochenende auf den C5-Reifen eindeutig etwas gefunden hat, ihr Auto scheint damit gut zu funktionieren", sagt Bottas. "Ich denke, es ist der C5-Reifen, weshalb wir irgendwie kämpfen", bestätigt Teamchef Toto Wolff. McLaren dagegen sei mit diesem Pneu sehr viel besser zurechtgekommen. "Und wir haben im Qualifying unterperformt." Dass es am Freitag noch besser funktioniert habe, sei kein Wunder. Wolff: "Gestern hat die Bahn 30 Grad Temperatur gehabt und heute 50. Das macht natürlich einen Riesenunterschied wie du performst."

Warum all das nun Hoffnung spenden soll? Weil die Meteorologen für den heutigen Rennsonntag Bedingungen vorhersagen, die sehr viel mehr denen des Freitags als des Samstags entsprechen. Nach rund 25 Grad Celsius am Qualifying werden am Sonntag maximal 21 erwartet. Noch dazu beträgt die Regenwahrscheinlichkeit zum Rennstart rund 35 Prozent und sinkt im Verlauf nur marginal. Genau deshalb wies Red Bull Verstappen im Training am Freitag an, seinen Longrun bei eben solchen Bedingungen durchzuziehen - weil es im Rennen eben ähnlich werden könne. Genau das zeichnet sich nun ab - und damit mehr Spannung als vor allem Hamilton erwartet.

Longrun: Mercedes und Red Bull bei kühlen Bedingungen gleichauf

Das Ergebnis der Longruns am Freitag war nämlich unfassbar knapp - und das auf dem Medium, der Soft sollte im Rennen an der Spitze ohnehin keine Rolle spielen. Auf dem Medium-Reifen - auch dieser Mischungen starten beide Mercedes, Red Bull und Norris - erzielten Hamilton und Verstappen nahezu zeitgleiche Durchschnittszeiten. Auch Bottas und Perez waren dran. Einziger Unterschied: Red Bull, vor allem der Mexikaner, fuhr dabei die deutlich längeren Stints. Dennoch: Bei derartigen Bedingungen schien Mercedes zumindest nicht völlig chancenlos.

Formel 1 Österreich: Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeitStint
Sainz1331:09,5842/2
Hamilton2081:09,6521/1
Verstappen25171:09,6911/1
Bottas23151:09,8001/1
Leclerc1791:09,8291/1
Gasly1751:09,8582/2
Perez30211:09,8801/1
Russell1081:09,9141/2
Latifi18101:10,1862/2
Räikkönen21111:10,3121/1
Tsunoda1531:10,3742/2
Stroll1641:10,5082/2
Giovinazzi1991:10,5141/1
Mazepin1631:10,6792/2
Schumacher21111:11,2911/2

"Immerhin können wir mit beiden Autos auf den Medium-Reifen starten. Hoffentlich können wir eine gute Rennpace zeigen und so in den Kampf an der Spitze eingreifen", hofft deshalb Andrew Shovlin. Auch Bottas gibt nicht auf. "Im Rennen erwarte ich immer noch einen Fight gegen Red Bull", sagt der Finne. "Wir sind mit dem C4 besser als mit dem C5 und wir haben das Setup etwas verändert, was hoffentlich besser für das Rennen ist." Gleich mehre Zehntel werde das allerdings nicht bringen. Deshalb erwartet auch Wolff zwar Chancen, aber nicht gleich gegen beide Red Bull. "Im Rennen ist wieder alles offen. Max fährt in einer eigenen Liga, aber hoffentlich können wir als Schadensbegrenzung den Pérez knacken", sagt der Mercedes-Leiter.

Red Bull dennoch im Vorteil: Sergio Perez sei Dank

Red Bull selbst ist sich seiner idealen Ausgangslage dank Perez als Abschirmdienst unterdessen sehr bewusst. "Mit zwei Autos können wir mit einer gewissen Beruhigung ins Rennen gehen", sagt Dr. Helmut Marko im ORF. Das gelte auch mit Blick auf einen möglicherweise unerwarteten Genger. Marko: "Von den Temperaturen wird es abhängen, ob es einer oder zwei Stopps werden - oder wenn Norris aufs Tempo drückt. Aber mit zwei Autos sind wir dafür gewappnet."

Grundsätzlich geht der Grazer ohnehin davon aus, dass Red Bull McLaren im Renntrimm wieder regulär im Griff haben wird. Zumindest zu Rennbeginn kann Norris die Bullen dennoch ärgern. "Er ist ein guter Starter", warnt Marko. Sich verstecken und nur auf sein eigenes Rennen schauen wie vor einer Woche will Norris nicht - zumindest nicht sofort. "Ich habe in den ersten Kurven die Chance, etwas zu bewirken und einen Platz gutzumachen", sagt der Brite. "Wenn ich eine Chance habe, auf P1 zu gehen und gegen Max zu fahren, dann werde ich es auch versuchen. Das mache ich noch immer, ich fahre noch immer Rennen!"

Lando Norris: Zünglein an der Waage?

Spätestens im weiteren Verlauf wird Norris sich allerdings wieder der Realität beugen müssen. "Ich weiß, was für uns das Beste ist, für mich und das Team, und gegen wen wir - leider - wirklich fahren", sagt Norris. Ein Angriffsverbot um das wahre eigene Rennen nicht zu gefährden gibt es von McLaren-Seiten nicht. "Wenn er am Start eine Chance hat, gegen Max zu kämpfen, wird er es machen. Dann müssen wir weitersehen", sagt Teamchef Andreas Seidl.

Gelingt es Norris einen oder gleich zwei Red Bull einzubremsen, könnte das Mercedes Gelegenheiten bieten. Völlig unterschiedliche Strategien schließt etwa Bottas schon grundlegend nicht aus. Viel zu verlieren habe man ohnehin nicht. Pirelli geht trotz der weicheren Reifen weiterhin von einer Einstoppstrategie aus - erst Medium, dann Hard. Wer auf dem Soft losfährt oder losfahren muss könne allerdings auch auf zwei Stopps setzen, etwa Soft-Medium-Soft oder sogar ganz bunt mit allen drei verfügbaren Mischungen. "Das wird ein strategisch komplexes Rennen", frohlockt Pirelli-Leiter Mario Isola.

Genau darin sieht Max Verstappen die größte Bedrohung. "Wir haben andere Reifen. Das wird schwieriger zu managen", mahnt der Niederländer. Doch Verstappen weiß auch: "Das ist ja für alle gleich ..."

Fazit: Max Verstappen startet durchaus als klarer Favorit ins zweite Rennen in Spielberg. So klar, wie es etwa Lewis Hamilton darstellt, ist es allerdings auch wieder nicht. Sowohl das mögliche Störfeuer durch Lando Norris als auch ein bei kühleren Bedingungen wieder verändertes Kräfteverhältnis Mercedes sind Risikofaktoren. Demgegenüber stehen allerdings Schützenhilfe in Form von Sergio Perez auf P3 - und schlicht der Vorteil in der Startaufstellung. Immerhin war Mercedes selbst bei kühleren Bedingungen noch immer nicht schneller, geschweige hat seine Defizite auf den Geraden binnen einer Woche ausgeräumt.