Charles Leclerc hatte nach dem Rennen in Österreich allen Grund, von einer seiner besten Performances der Formel-1-Karriere zu sprechen. Aus der ersten Runde kam der Ferrari-Pilot als 18. von 19 noch fahrenden Autos zurück, mit über 30 Sekunden Rückstand. 70 Runden später beendete er eine furiose Aufholjagd zwölf Sekunden hinter Teamkollege Carlos Sainz auf Platz sieben.

Dafür wurde er auch von den F1-Fans zum Fahrer des Tages gewählt - aber eigentlich war er ja ohnehin auf dem siebten Rang losgefahren. Die Aufholjagd kam erst zustande, weil er sich in der ersten Runde in einer Kollision mit Pierre Gasly den Frontflügel kaputtfuhr. Das hinterlässt einen bitteren Beigeschmack.

"Wenn du die erste Runde wegnimmst, würde ich das als eine meiner besten Leistungen einstufen", urteilt Leclerc selbst nach dem Rennen. "Ich bin unglaublich happy mit dem Job heute, mit dem Auto natürlich, aber ich habe auch viele Überholmanöver geliefert, und es war einfach ein unterhaltsames Rennen."

Leclerc crasht in erster Österreich-Runde mit Gasly

Nur die erste Runde wiegt schwer. Leclerc war in der ersten Kurve als dritter Fahrer außerhalb von Fernando Alonso und Pierre Gasly übriggeblieben und hatte durch die Auslaufzone gemusst. Trotzdem blieb er erst noch mit seinem Frontflügel auf Höhe von Gaslys Hinterreifen, fiel aber auf der Bergauf-Geraden langsam zurück. Als er sich dann versuchte, in den Windschatten von Gasly einzureihen, verschätzte er sich bei der Position seines Autos.

"Ich war links von Pierre, und ich glaube, er versuchte in den Windschatten jener links von ihm zu kommen, und er kam in dem Moment nach links, als ich mich hinter ihn einreihen wollte", versucht Leclerc eine Analyse, die sich nicht ganz mit den Replays deckt. Gasly scheint geradeaus zu fahren, während Leclerc nach rechts zieht und mit seinem Frontflügel den linken Hinterreifen des AlphaTauri aufschlitzt.

"Kleiner Kontakt mit großen Konsequenzen", nennt es Leclerc. Größere für Gasly, der sich mit dem kaputten Reifen in Kurve drei drehte, und dem dann auf dem Weg zurück zur Box die Aufhängung kaputtging. Wobei ein resignierter Gasly keinen Schuldspruch treffen wollte: "Ist mir am Ende des Tages egal, weil unser Rennen schon vorbei war. Eine Strafe ändert da nichts."

Leclerc brennt nach Crash Überhol-Feuerwerk ab

Die Stewards entschieden auf Startunfall, und leiteten keine Untersuchung ein. Für Leclerc war die Konsequenz also nur ein kaputter Flügel. Nach dem Tausch fand er sich auf dem vorletzten Platz wieder. Allerdings jetzt mit Hard-Reifen. Mit denen konnte er in einem langen 36-Runden-Stint die Lücke zu der sich in einem DRS-Zug steckenden und auf Soft gestarteten Konkurrenz schließen, und dann mit Medium-Reifen einen 33-Runden-Schlussspurt fahren.

Mit starken, aber auch kompromisslosen Überholmanövern kämpfte er dann zurück in die Punkte, vorbei an Kimi Räikkönen, Sebastian Vettel, Yuki Tsunoda, Fernando Alonso und Lance Stroll, von denen viele nach im Vergleich zu Leclerc gut zehn Runden früher gesetzten Wechseln auf Hard-Reifen Probleme hatten. "Alle Manöver waren am Limit, aber ich musste Risiken eingehen, weil ich nach der ersten Runde so viel Zeit verloren hatte, dass ich so schnell wie möglich durch den Verkehr musste", rechtfertigt Leclerc.

Dabei fuhr er Räikkönen über den Frontflügel, und touchierte Alonsos Alpine: "Den Kontakt mit Kimi habe ich tatsächlich nicht gespürt, nur den mit Fernando. Nach dem Rennen habe ich mit ihm gesprochen, und er meinte, er hatte ein stehendes inneres Vorderrad und ist weit raus, und dass wir fast gecrasht wären, aber zum Glück sind wir durch die Kurve gekommen."

Am Ende blieb für Leclerc so nach starken 70 von 71 Runden ein siebter Platz, und Ferrari konnte den Rückstand in der Team-WM zu McLaren auf zwölf Punkte verkürzen. Nach dem Frankreich-Nuller eine Erleichterung für die Scuderia, die aber mahnt: Die Reifen-Probleme sind bei weitem nicht gelöst. Renn-Fokus beim Setup hat geholfen, aber auch die Strecken-Charakteristik. Und ein ungewohnt schwaches Qualifying müssen sie nun hinterfragen.