Gemischte Gefühle, wo eigentlich grenzenloser Jubel herrschen müsste: Charles Leclerc zittert nach der schnellsten Runde im Qualifying zum Großen Preis von Monaco 2021 um seine Pole Position in der Startaufstellung beim morgigen Formel-1-Rennen.

Grund dafür ist der Unfall des Ferrari-Piloten bei seinem zweiten Versuch im Zeittraining. Dabei übertrieb es Leclerc in der zweiten Schwimmbad-Schikane und knallte in die Leitschiene. Das verdarb zwar allen Konkurrenten die Chance auf einen Konter und sicherte Leclerc die Pole, lässt den Monegassen nun jedoch eine Strafe für einen Getriebewechsel oder - noch schlimmer - einen Chassiswechsel befürchten.

Leclerc bangt um seinen Ferrari: Sieht nicht okay aus

Ersteres hätte eine Strafversetzung um fünf Ränge zur Folge, letzteres würde Leclerc am Start ans Ende des Feldes oder in die Boxengasse verbannen. „Ich habe gemischte Gefühle. Durch den Crash weiß ich jetzt noch nicht, wo ich morgen starte. Das hängt von den Beschädigungen am Auto ab“, sagt Leclerc. Sonderlich zuversichtlich gibt sich der Lokalmatador nicht. „Ich hoffe es ist okay, aber es sieht nicht okay aus“, fürchtet Leclerc. „Aber warten wir ab.“

Mut macht Teamchef Mattia Binotto. Die Italiener geht - allerdings nur nach einem ersten Blick auf den SF21 - nicht von einem Chassiswechsel aus. Maximal ein Getriebeschaden könne vorliegen. Beides würden die Mechaniker nun analysieren. Ein Ergebnis könne man erst in einigen Stunden erwarten, so Binotto.

Erinnerungen an Michael Schumacher in Rascasse

Das Thema Absicht könne es in diesem Fall wegen des heftigen Einschlags nicht im Ansatz geben, so Leclerc. „Ich weiß, woher das kommt“, antwortet Leclerc auf Nachfragen dazu. Erinnerungen an Michael Schumachers legendäres ‚Parkmanöver‘ in der Rascasse vor 15 Jahren gingen bei der Szene sicherlich den meisten in der Formel 1 durch den Kopf. Anders als Schumacher schlug Leclerc allerdings ein. „Wenn ich es absichtlich gemacht hätte, hätte ich versucht die Mauer weniger hart zu treffen. Es war also keine Absicht“, sagt Leclerc.

Den Unfall selbst schildert der Monegasse wie folgt: „Ich habe einfach ans Limit gepusht. Ich habe die Innenseite zu sehr mitgenommen, auf meiner schnellsten Runde habe ich [die Leitschiene] innen auch erwischt, wenn du es dir anschaust. Aber nicht hart wie auf der zweiten Runde. Da war es mehr. Dann bin ich weggesprungen. Es war einfach eine Fehleinschätzung.“

Leclerc: Unfall zu hart, eindeutig keine Absicht

Leclerc weiter: „Wenn es absichtlich passiert, ist es eine andere Geschichte, aber heute war es ziemlich eindeutig. Aktuell mache ich mir einfach nur Sorgen um das Heck. […] Ich hoffe, dass das Auto nicht zu so schlimm beschädigt ist, dass ich von hinten starten muss. Wenn das nicht der Fall ist, dann bin ich natürlich unglaublich zufrieden damit, was vor dem Crash passiert ist.“

Das war großes Kino. Das gesamte Qualifying über gelang es Ferrari den starken Eindruck aus den Trainings zu bestätigen. Schon im Q2 wurde es für Leclerc deshalb mental schwierig. Dort bemerkte der Monegasse erst final, dass seine achte Formel-1-Pole tatsächlich greifbar sein würde. „Wir waren in Barcelona im dritten Sektor stark, klar. Aber hier ist es nochmal ganz anders, eine ganz andere Strecke. Außerdem haben wir erwartet, dass Mercedes und Red Bull hier noch etwas im Köcher haben würden“, berichtet Leclerc.

Ferrari zurück: Bis zum Qualifying nicht dran geglaubt

„Aber das war wohl nicht so. Wir waren von Anfang an stark, aber bis zum Qualifying haben wir trotzdem nicht daran geglaubt, dass wir wirklich um Pole kämpfen würden“, ergänzt Leclerc. „Es war sehr schwierig, die ganze Session zu managen. Nach Q2 war ich sehr emotional, weil ich gesehen habe, dass die Pole möglich ist. Da müsste ich mich erst einmal beruhigen. Dann habe ich im ersten Versuch im Q3 eine großartige Runde geschafft.“

Keine zwei Zehntel fehlten Leclerc mit seiner 1.10.346 auf den Streckenrekord von Lewis Hamilton. „Diese Runde war sehr, sehr gut. Es war im ersten Sektor vielleicht nicht klasse, da habe ich es vielleicht etwas zu locker genommen. Aber ich hatte dort schon das ganze Wochenende Probleme. Danach habe ich auf dieser Runde aber meine besten Kurven zusammengepackt“, schildert Leclerc. „Es fühlt sich gut an, gerade zuhause. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl. Es fühlt sich nicht gleich an, wenn du es in der Mauer beendest. Und wie ich vorhin erklärt habe, ist mein Kopf derzeit woanders.“

Eine Strafe würde für Leclerc nur in seine Pleitenserie bei seinem Heimrennen passen. Noch nie sah der Monegasse zuhause die Zielflagge, Nachwuchskarriere eingeschlossen. 2019 verwachste Ferrari ihm zudem das Qualifying durch eine Fehleinschätzung der Drop-out-Zeit, 2021 ging es bereits am Freitag mit einem Getriebeschaden weiter. Der führte dazu, dass Leclerc beinahe das gesamte erste Training aussetzen musste. „Ich hatte aber in FP2 und FP3 viele Runden, um wieder auf Speed zu kommen. So viel hat mich das nicht gekostet, wenn man sich auch jetzt das Qualifying-Ergebnis anschaut“, sagt Leclerc.

Leclerc glaubt an Siegchancen - wenn die Pole bleibt

Dennoch sind spätestens durch die Sorgen um Chassis und Getriebe die Gedanken an den Heimfluch wieder da. Leclerc: „Ich hoffe, wir können das Wochenende auf einem Hoch beendet. Etwas, das mir hier noch nie geglückt ist …“ Sollte er seine Pole behalten, geht Leclerc von exzellenten Siegchancen aus: „Wenn wir die gleiche ordentliche Pace haben wie schon das ganze Wochenende, dann bin ich sicher, dass es möglich ist!“

Update 19:45 Uhr: Ferrari gibt in einem ersten, knappen Statement vorsichtige Entwarnung. Die erste Inspektion des Getriebes habe keinen ersthaften Schaden ergeben. Weitere Checks sollen am Sonntag folgen. Erst dann wird final entschieden, ob das Getriebe im Rennen eingesetzt werden kann. Ob Strafe oder nicht, wird sich somit erst am Renntag entscheiden.