Monaco hat in der Formel 1 seine eigenen Gesetze. Die kürzeste Strecke im Rennkalender führt durch die engen Straßenschluchten des Fürstentums und ist mit keiner anderen Rennstrecke der Königsklasse auch nur ansatzweise zu vergleichen. Deshalb ist der Traditions-GP immer für Überraschungen gut.

Und so staunte auch am Trainingstag der 2021er-Ausgabe die Formel-1-Welt nicht schlecht, als plötzlich Ferrari die Zeitenliste mit beiden Boliden anführte. Dass die Scuderia in Monaco gute Chancen haben würde, hatten viele erwartet. Dass es für ganz vorne reicht hingegen nicht.

Nachdem Charles Leclerc das 1. Freie Training aufgrund eines Getriebeschadens fast komplett verpasst hatte, schlug der Monegasse auf seiner Heimstrecke am Nachmittag zurück. Er fuhr die Tagesbestzeit vor Teamkollege Carlos Sainz. Der Spanier überraschte schon am Vormittag mit der zweitschnellsten Runde.

Formel 1 zittert in Monaco nach Trainings vor Ferrari

"Beeindruckend", fasste Red Bulls Dr. Helmut Marko die Vorstellung der roten Rivalen zusammen. Für den Grazer ist Ferrari nun Topfavorit für das restliche Wochenende. Bei Mercedes ist man ähnlicher Meinung, wie Chef-Ingenieur Andrew Shovlin erklärt: "Man muss die Zeitenlisten nicht lange untersuchen, um zu sehen, dass ihre Pace unverfälscht ist. Sie könnten hier ein echter Sieganwärter sein."

Nachdem Leclerc den Vormittag verpasst hatte, brauchte er im 2. Training etwas länger, um in Tritt zu kommen. Er fuhr seine schnellste Zeit erst in Runde sieben auf den Soft-Reifen. Nicht nur das eine Kampfansage an die Konkurrenz: "Ich habe mich wohl gefühlt im Auto und wir haben sogar noch etwas Potential, uns zu verbessern."

Dabei reihte er noch nicht einmal seine besten Sektoren aneinander. Rund eine Zehntelsekunde ließ Leclerc im ersten Sektor noch liegen. Während die Spitzenpiloten im ersten Sektor nahe beieinander liegen, deklassierte Leclerc die Konkurrenz im Mittelsektor nahezu. Vier Zehntel brummte er Teamkollege Sainz auf, zweieinhalb Zehntel Lewis Hamilton und Max Verstappen.

POSFahrerTeamSektor 1Sektor 2Sektor 3Theo. Bestzeit
1LeclercFerrari18,85133,60319,1121:11,566
2SainzFerrari18,81333,99918,9841:11,796
3HamiltonMercedes18,86733,83819,1021:11,807
4VerstappenRed Bull18,96333,83119,2361:12,030
5BottasMercedes19,07133,99419,0041:12,069
6NorrisMcLaren19,02233,96219,3371:12,321
7GaslyAlphaTauri19,22733,70019,4451:12,372
8GiovinazziAlfa Romeo19,20434,04219,2811:12,527
9PerezRed Bull19,10934,10819,3861:12,603
10RaikkonenAlfa Romeo19,25334,27519,3741:12,902
11AlonsoAlpine19,31634,14819,4491:12,913
12VettelAston Martin19,24034,34919,3881:12,977
13OconAlpine19,45634,27719,4191:13,152
14StrollAston Martin19,30634,47919,4101:13,195
15RicciardoMcLaren19,24334,53719,4771:13,257
16RussellWilliams19,32034,37319,5911:13,284
17LatifiWilliams19,45934,50019,5191:13,478
18SchumacherHaas19,61434,77319,7271:14,114
19MazepinHaas19,68334,71419,8941:14,291
20TsunodaAlphaTauri19,75034,95220,0231:14,725

In Monaco ist es vor allem aufgrund des Verkehrs nicht unüblich, dass die Piloten ihre besten Sektoren nicht in eine Runde zusammenbringen. Blickt man auf die theoretischen Bestzeiten, ist Weltmeister Lewis Hamilton eine Zehntel näher dran an Ferrari.

Red Bull wird im Training Monacos Negativ-Überraschung

Anders sieht es bei Red Bull aus. "Wir müssen wirklich Pace finden. Jeder hat Verkehr und wenn man sich die optimalen Rundenzeiten ansieht, dann waren wir auch da ziemlich weit weg", mahnt Verstappen. Vier Zehntel fehlten ihm auf die tatsächliche Bestzeit, in der Theorie war es sogar fast eine halbe Sekunde.

Dabei lief es bei Red Bull am Vormittag noch so gut: Sergio Perez fuhr Bestzeit, Max Verstappen landete auf Rang drei. Allerdings hatte Perez im 1. Training schon die Soft-Pneus aufgeschnallt. Die Konkurrenz hingegen begnügte sich da mit Medium.

Das ist auch nicht die einzige Erklärung, warum es am Nachmittag in Relation schlechter lief. "Wir müssen nur verstehen, was zwischen dem ersten und dem zweiten Training passiert ist und das in den Griff bekommen. Wir haben uns vom Setup nicht weiter- sondern eher zurückentwickelt", erklärt Dr. Marko.

Red Bull klagte in Monaco über das Setup, Foto: LAT Images
Red Bull klagte in Monaco über das Setup, Foto: LAT Images

Die Lösung scheint denkbar einfach für den Doktor: "Es reicht, einfach nur zu dem zurückzugehen, was wir hatten, und das dann zu verfeinern." Allerdings fuhr Verstappen am Vormittag den Soft-Reifen noch gar nicht. Letztendlich wird aber nur die Performance auf den Soft-Pneus entscheidend sein.

Verstappen fehlte nicht nur die Zeit, sondern auch das Gefühl: "Ich fühle mich normalerweise ziemlich wohl im Auto, dieses Wochenende ist das aber noch nicht so. Zum Glück haben wir morgen einen Tag frei und können uns ansehen, was wir verbessern können." Vom biegsamen Flügel profitiert Red Bull in Monaco übrigens nicht: Die Bullen setzten wie alle Teams auf maximalen Abtrieb. Dabei kommt ein anderer Heckflügel zum Einsatz, der sich nicht so stark verbiegt.

Mercedes nach Monaco-Trainings deutlich besser aufgelegt

Bei Mercedes war im Gegensatz zu Red Bull immerhin eine Seite der Garage zufrieden. "Unser Auto ist gut. Uns sind bei der Balance einige ordentliche Schritte gelungen, so gesehen bin ich sehr happy", meint Lewis Hamilton. "Ich habe einige Veränderungen, die ich heute Abend bei der Analyse vornehmen möchte, und dann wird es am Samstag ganz sicher eng zugehen."

Teamkollege Valtteri Bottas war zwar nur wenige Tausendstel langsamer, der Finne war aber deutlich weniger zufrieden: "Aus meiner Sicht passt es auf dieser Strecke an der Vorderachse noch nicht ganz. Ähnliche Probleme hatten wir schon auf anderen Kursen, größtenteils mitten in der Kurve, aber hier gibt es nur langsame Kurven. Wenn man dann kein gutes Gefühl für die Vorderachse hat, kann man leicht Zeit verlieren. Unser Auto fühlt sich auf den Bodenwellen und in den erhöhten Kurven recht steif an."

Mercedes liegt nach den Trainings in Lauerstellung, Foto: LAT Images
Mercedes liegt nach den Trainings in Lauerstellung, Foto: LAT Images

Dazu hatte Bottas Probleme damit, die Reifen sofort ins Fenster zu bekommen. "Heute ist mir das auf der ersten Runde nicht sofort gelungen, entsprechend müssen wir morgen hart daran arbeiten", klagt der Finne.

Während die Konkurrenz Ferrari nach dem starken Freitag bereits zum Favoriten erklärt, traut die Scuderia selbst dem Braten noch nicht so recht. "Wir sollten nicht zu euphorisch sein, ich bin überzeugt davon, dass unsere Konkurrenten noch etwas in der Hinterhand haben", mahnt Leclerc.

Tatsächlich zeigt Ferrari am Freitag bereits tendenziell etwas mehr als Mercedes und Red Bull. Allerdings machen Spritmengen und Motormodi in Monaco nicht ganz so viel aus wie auf anderen Strecken. Außerdem war die Scuderia zuletzt auf eine Runde näher dran als im Renntrimm. In Monaco würde das reichen.

Formel 1 Flügel-Streit eskaliert: Wolff befürchtet Proteste (14:55 Min.)

Longruns sind in Monaco so eine Sache. Einerseits verfälscht der Verkehr die Daten komplett, andererseits sind sie irrelevant. Es zählt ohnehin nur das Qualifying. Weil Mick Schumacher mit seinem Abflug am Ende der ohnehin nur 60-minütigen Session für Rot sorgte, gibt es ohnehin keine sinnvollen Daten.