Ein ungewöhnlicher Funkspruch sorgte zum Ende des Qualifyings der Formel 1 in Portugal kurz für Aufsehen. "Tu ihm keine Gefallen", wurde McLaren-Pilot Lando Norris auf seiner Aufwärmrunde per Funk angewiesen, als hinter ihm ein schneller Max Verstappen seine letzte gezeitete Runde begann.

Der Funkspruch - publikumswirksam im TV gespielt - bezog sich auf die Tatsache, dass Verstappen da noch keine Zeit stehen hatte, daher hinter Norris in der Startaufstellung zu finden war. Tatsächlich fluchte Verstappen nach seiner Runde, mit der er P3 holte, gleich über Verkehr. Norris' Schuld? Er und das Team wollen von Vorwürfen nichts wissen. Nicht zuletzt ärgern sich Norris und ein mit P16 bedienter Daniel Ricciardo selbst über Verkehr.

Norris überrascht: Nichts getan, nur keinen Windschatten gegeben

Die Vorwürfe kamen nämlich in Form eines Kommentars von Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko auf Servus TV: "Dem Lando Norris sagt man, er soll dem Max keinen Gefallen tun. Sehr sportlich, die Mercedes-Riege." Verstappen lief am Ende seiner Runde noch auf Sebastian Vettel auf, musste sich schließlich hinter den Werks-Mercedes auf P3 einreihen.

Was aber war wirklich passiert? Norris und Verstappen hatten hintereinander die Box verlassen. Norris fuhr zum Ende von Q3 zwei Aufwärmrunden, Verstappen nur eine. Daher lief Verstappen auf seiner schnellen Runde zwangsweise auf Norris auf. Der erhielt von seinem Renningenieur in der letzten Kurve den eben genannten Funkspruch: Tu ihm keinen Gefallen.

"Einfach um ihm keinen Windschatten zu geben, schätze ich?", ist Norris, als er darauf angesprochen wird, verwirrt. "Ich wüsste nicht, was ich falsch gemacht habe. Ich war vor ihm, habe ihn dann vorbeigelassen, war ganz rechts auf der anderen Seite der Strecke und habe mein Bestes getan, um von ihm wegzukommen." Die Replays zeigen genau das. Verstappen bekommt keinen nennenswerten Windschatten auf den Geraden, und Norris lässt ihn im Mittelsektor anstandslos vorbei.

McLaren spart sich Vorwürfe: Fahren nur für uns selbst

Von den Stewards gibt es kein Wort dazu. Warum auch, wenn man das Replay sieht. Von irgendwelchen Theorien, dass McLaren als Mercedes-Kunde blockt, will Teamchef Andreas Seidl erst recht nichts wissen. Will er Markos Aussagen kommentieren? "Nein."

Seidl im Detail: "Um es klarzumachen, wir fahren für uns selbst. Nicht für sonst jemanden. Unser Ziel ist, so weit wie möglich vorne anzukommen. Das ist alles. Es ist normal, jemandem keinen Windschatten geben zu wollen. Das hilft dem Gegner. Im Qualifying geht es um die eigene Rundenzeit, ohne Hilfe. Ich weiß nicht einmal, von welchen Funksprüchen ihr sprecht. Aber wenn man schaut, was jeder auf der Zielgeraden getan hat - du fährst einfach zur Seite, um jeden die Runde selbst fahren zu lassen."

McLaren enttäuscht in Portugal - Ricciardo sieht schwarz

Norris klagt am Ende selbst über Verkehr - denn wie Verstappen lief auch er im dritten Sektor auf einen langsamen Sebastian Vettel auf, was seine Reifen-Vorbereitung zerstörte: "Also musste ich die Runde früh abbrechen. Ich hätte ein paar Plätze weiter vorne sein können, aber Platz sieben ist keine schlechte Position." Er und Seidl sind sich einig: McLaren hat hier wieder ein Top-5-Auto, das sollte im Rennen ein realistisches Ziel sein.

Immerhin fühlte sich Norris besser als Ricciardo. Der erlebte ein Desaster, als er in Q1 hängenblieb. Wieder war Verkehr im Spiel, erklärt er danach. Auf seiner letzten Runde in Q1: "Es begann in Kurve eins. Ich finde, dass da jemand ein bisschen netter hätte sein können. Dann kam aber der Rest der Runde, ich bin es wohl ein bisschen überfahren, und im letzten Sektor waren meine Reifen durch."

Sonst wäre er wohl weitergekommen - aber auf Norris fehlte ihm in diesem Segment eine Sekunde. Das gibt Ricciardo, der gestern noch dachte, erste Antworten auf seine Balance-Probleme mit dem MCL35M gefunden zu haben, doch einen Dämpfer. "Fühlt sich düster an, heute hier zu sein. Darüber muss ich schlafen."

Teamchef Seidl baut ihn auf: "Wir haben in den Trainings gesehen, dass das nicht die Lücke ist, die er zu Lando hat. Hier ist eine Runde nicht leicht, mit dem Verkehr, dem Wind, dem wenigen Grip. Mit den Problemen, die er im Auto hat - die vervielfachen sich auf dieser Strecke. Deshalb ist er da, wo er ist. Wir müssen ruhig bleiben, weiter arbeiten. Es wird sicher kommen."