Die Formel-1-Testfahrten 2021 waren eine äußerst kompakte Angelegenheit und endeten mit der Bestzeit durch Red-Bull-Pilot Max Verstappen. An nur drei Tagen auf dem Bahrain International Circuit offenbarten sich interessante Erkenntnisse für das erste Rennen des Jahres. Wir liefern die Antworten auf die wichtigsten Fragen der Wintertests in der Wüste.

Wie viel langsamer ist die Formel 1 2021?

Um den stetig sinkenden Rundenzeiten und damit einhergehenden Reifenproblemen Einhalt zu gebieten, hat die FIA zur Saison 2021 am Technischen Reglement Hand angelegt. In erster Linie wurde die Aerodynamik des Unterbodens beschnitten, um eine Reduktion des Anpressdrucks zu erreichen. Doch wie viel Performance haben diese Maßnahmen gegenüber 2020 gekostet?

Mit 1:28.960 Minuten war die absolute Bestzeit der Testfahrten wie erwartet langsamer als die Pole Position für den Bahrain GP 2020. Im vergangenen November fuhr Hamilton im Qualifying mit 1:27.276 Minuten die schnellste Zeit. Die Bestmarke ist insofern mit Verstappens Test-Bestzeit vergleichbar, da beide Piloten ihre Runden auf Pirellis C4-Reifen fuhren.

Allerdings haben die Italiener für 2021 auch an der Konstruktion gearbeitet. Laut Pirelli-Manager Mario Isola sollte die Differenz gegenüber den Compounds aus 2020 bei sechs bis sieben Zehntelsekunden liegen. Unter Berücksichtigung von Verstappens Aussage am letzten Testtag, dass Red Bull keineswegs vollwertige Qualifying-Simulationen absolviere, fällt das Defizit von 1,696 Sekunden gegenüber Hamiltons Pole-Zeit aus dem Vorjahr ziemlich überschaubar aus.

Mercedes strauchelt: Ist Red Bull jetzt Favorit in der Formel 1 (18:23 Min.)

Welche Probleme plagten Mercedes?

Für die Weltmeister verlief das erste Kräftemessen im neuen Jahr augenscheinlich alles andere als vielversprechend. Hamilton beendete die Testfahrten als Fünfter in der kumulierten Zeitenliste, eine Sekunde hinter Verstappen - und das, obwohl er mit dem C5 den in der Theorie schnelleren Reifen benutzte. "Letztendlich ist das hier nur ein Test. Mercedes war in den letzten Jahren beim Testen nie regelmäßig vorne, also sagt das über ihr Performance nicht so viel aus", so Verstappen, der die Favoritenrolle für Red Bull ablehnt.

Die Rundenzeiten waren allerdings nicht die einzige Auffälligkeit beim Weltmeisterteam. Schon am ersten Testtag wurde Bottas am Vormittag von einem Getriebeproblem lahmgelegt. Darüber hinaus fiel Hamilton mit ungewohnt vielen Fahrfehlern auf. Mehrfach drehte er sich, weil er das Heck des F1 W12 verlor. Einmal sorgte er dabei sogar für eine rote Flagge. Die neue Aerodynamik bereitet Sorgen.

"Das Heck fühlt sich mit diesen neuen Regeln nicht sonderlich gut an, aber wir versuchen es in den Griff zu bekommen", so Hamilton, dessen Aussage von Bottas bestätigt wurde. Zwar mahnt der amtierende Champion, bis zum Saisonstart keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, doch der leitende Mercedes-Ingenieur an der Rennstrecke gibt die Favoritenrolle für den Moment ab. "Anhand der Daten, die wir über die Tage mit Blick auf die Rennpace gesammelt haben, sind wir nicht so schnell wie Red Bull", sagt Andrew Shovlin.

Weshalb fuhr Sebastian Vettel so wenige Runden?

Noch frustrierender als für Mercedes lief der Saisonstart für Aston Martin. Das ehemalige Racing-Point-Team hat für den neuen Auftritt mit Teamleader Sebastian Vettel hohe Ambitionen angemeldet, doch für den viermaligen Weltmeister begann der Neustart mit einem Fehlstart. Mit 117 Runden absolvierte Vettel das kleinste Pensum aller Stammfahrer. Lediglich Williams-Entwicklungsfahrer Roy Nissany sammelte mit 83 Umläufen noch weniger Kilometer.

In der Zeitenliste ließ Vettel ebenfalls nur den Paydriver hinter sich. Auf Verstappens Bestzeit fehlten knapp dreieinhalb Sekunden. An allen drei Tagen wurde Vettel von Technik-Problemen gestoppt. Auf einen Software-Glitch am Freitag folgten Getriebeprobleme sowie ein Turoblader-Defekt an den darauffolgenden Tagen.

Vettel bleibt trotz des Rückschlags optimistisch. "Wir müssen viel über das Auto lernen, was das Setup angeht, aber wir sind alle in dieser Position. Bei nur drei Tagen ist es unmöglich, alles zu verstehen", so der 33-Jährige. "Die ersten Rennen werden für uns, und insbesondere für mich, eine steile Lernkurve."

Sebastian Vettel sieht für den Saisonstart mit Aston Martin reichlich Nachholbedarf, Foto: LAT Images
Sebastian Vettel sieht für den Saisonstart mit Aston Martin reichlich Nachholbedarf, Foto: LAT Images

Hat Ferrari das Power-Problem gelöst?

Vor einem Jahr wurde Ferrari per Reglement ein Riegel vorgeschoben, nachdem Unregelmäßigkeiten an der Power Unit festgestellt wurden. Die Scuderia erlebte daraufhin ihre schlechteste Saison seit 1980. Auf Power-Strecken wie Monza oder Spa-Francorchamps waren Charles Leclerc und Sebastian Vettel hoffnungslos verloren. Für 2021 wurde in Maranello kein Stein auf dem anderen gelassen, um diese Scharte auszuwetzen.

Die Testfahrten beendete Vettel-Nachfolger Carlos Sainz als schnellster Ferrari-Pilot auf Platz drei. Auf dem C4-Reifen fehlten sechseinhalb Zehntel auf die Bestzeit. Das erste Fazit von Teamchef Mattia Binotto fiel positiv aus: "Wenn wir in die Daten schauen, ist unser Speed auf den Geraden in Ordnung. Es scheint kein so großer Nachteil wie letztes Jahr zu sein."

Der Italiener fühlt sich außerdem darin bestätigt, dass nicht allein das Verbot der 2019 eingesetzten Power Unit zum Performance-Einbruch 2020 führt. "Wir wissen, dass es nicht nur Motorleistung ist, sondern auch der Luftwiderstand des Autos. Beides in Ordnung zu bringen, hat unsere Höchstgeschwindigkeit auf den Geraden verbessert."

Wie fuhr Rookie Tsunoda zu Platz zwei?

Im Klassement noch vor Ferrari landete die andere Scuderia unter den Formel-1-Teams. AlphaTauri scheiterte durch die schnellste Runde von Yuki Tsunoda nur um eine Zehntelsekunde an der Bestmarke von Verstappen. Doch der Ruf eines Wunderkindes allein war nicht der einzige Grund, weshalb der Japaner mit schnellen Rundenzeiten für Aufsehen sorgte.

In der Live-Übertragung der Testfahrten war zu sehen, dass der 20-Jährige das DRS auch außerhalb der dafür vorgesehenen Zonen großzügig einsetzte. In der Radarfalle erreichte Tsunoda am Sonntag mit 322 km/h die höchste Geschwindigkeit aller Fahrer und war damit noch drei km/h schneller als Leclerc.

Da es sich bei den Testfahrten nicht um ein offizielles Formel-1-Rennwochenende handelt, sind die DRS-Zonen nicht verbindlich. Dementsprechend wurde Tsunodas Rundenzeit die Gültigkeit nicht aberkannt. Mit seiner Lernkurve war der Youngster ohnehin zufrieden: "Ich habe mich nur auf das Fahren konzentriert und einen guten Schritt gemacht, sowie gute Daten für Bahrain gesammelt."

AlphaTauri-Rookie Yuki Tsunoda überraschte mit Platz zwei, Foto: LAT Images
AlphaTauri-Rookie Yuki Tsunoda überraschte mit Platz zwei, Foto: LAT Images

Warum ist Alpines Airbox so dick?

Der von Mercedes mit viel Geheimniskrämerei behandelte Unterboden des F1 W12 wurde vor den Testfahrten mit Spannung erwartet. Doch die Ingenieursleistung der Weltmeister stand bei weitem nicht alleine im Fokus der Öffentlichkeit. Vielleicht lag es an der technisch nicht ganz einwandfreien Online-Präsentation des Alpine A521, dass die ausladende Motorabdeckung im Bereich der Airbox erst auf der Rennstrecke von Sakhir ins Auge stach.

Die Ingenieure in Enstone und Viry sorgten damit für einen Retro-Look, der an die Autos Mitte der 1970er Jahre erinnert. Der Grund für dieses unkonventionelle Design ist aber keineswegs in Ästhetikfragen begründet. "Es ist eine technische Entscheidung. Wir haben festgestellt, dass es ein guter Weg ist, die Seitenkästen schlanker zu gestalten", so Marcin Budkowski, seines Zeichens Executive Director von Alpines F1-Programm.

Das Ziel war, die Komponenten der Power Unit aerodynamischer unter der Motorabdeckung zu verpacken. "Wir haben ein paar sperrige Elemente hinter dem Lufteinlass angebracht", so der Pole. Etwaige Nachteile nimmt das Team von Fernando Alonso und Esteban Ocon gerne in Kauf: "Was den Schwerpunkt angeht, mussten wir Kompromisse eingehen. Aber in der Regel ist die Aerodynamik wichtiger als der Schwerpunkt."

Womit sorgte der McLaren-Diffuser für Aufsehen?

Ebenfalls viel Beachtung wurde dem Heck des McLaren MCL35M geschenkt. Im Zuge des neuen Reglements wurde der Kielgang des Diffusers um 50 Millimeter beschnitten. Die Ingenieure in Woking umgingen diese Einschränkung, indem der Unterboden bis in einen Bereich verlängert wurde, in dem die Reglementierung des Diffusers nicht greift.

Auf diese Weise ragt die Aerodynamik am Heck deutlich weiter als bei der Konkurrenz in Richtung Asphalt heraus. "Das ist ein normaler Designansatz und wir waren ehrlich gesagt etwas überrascht, dass wir vielleicht das einzige Team damit sind", so Technikdirektor James Key. Er erwartet, dass die Mitstreiter nicht lange auf sich warten lassen werden.

"Es dauert zwischen drei und fünf Wochen, vom Foto machen bis zur Montage an das Auto, wenn du das wirklich durchziehen willst", so der Brite. Gleichzeitig rechnet er nicht damit, dass die Idee seiner Aerodynamiker lange hohe Wellen schlagen wird: "Ich bin mir sicher, dass davon schon keine Rede mehr sein wird, wenn wir in ein paar Wochen wieder hier sind."