Haas hat mit der Präsentation des neuen Formel-1-Autos am 2. Februar den Startschuss für die Saison 2024 gegeben. Vor elf Jahren befand sich die Königsklasse Anfang Februar längst mitten in der Launch-Woche. Exakt vor elf Jahren, am 3. Februar 2013, erblickte ein ganz besonderer Bolide dieser Generation das Licht der Welt - speziell für Sebastian Vettel. Und das, obwohl es sich nur um eine Evolution seines Vorläufers handelte.
Ein radikaler Sinneswechsel schien damals bei Red Bull Racing angesichts dreier Weltmeistertitel in Fahrer- wie Konstrukteurswertung in Serie alles andere als verpflichtend. Ganz anders als zum Start der Formel-1-Saison 2021, als Red Bull mit dem RB16B trotz eines klaren Status als zweite Kraft schon dem Namen nach eine B-Version des Boliden aus dem Vorjahr brachte. Hintergrund sind die qua Reglement weitgehend eingefrorenen 2020er-Chassis.
Formel 1 2013: Red Bull 'nur' mit Evolution
2013 gestaltete sich die Ausgangslage anders. Eine Evolution wurde der RB9 nur unfreiwillig. Im Vorjahr hatte sich Red Bull mit Vettel in einem engen WM-Kampf gegen Ferrari und Fernando Alonso befunden. Deshalb ließ Red Bull die frühzeitige Entwicklung für das folgende Jahr zunächst ruhen. Ein großer Fokus auf das laufende Jahr und den RB8 erschien der Truppe um Stardesigner Adrian Newey notwendig, um keine WM-Niederlage zu riskieren. Diese Strategie ging mit dem Gewinn beider Championate auf, sorgte allerdings dafür, dass Red Bull mit dem nachfolgenden RB9 in Verzug geraten war.
Deshalb verkaufte Red Bull das, was das Team an diesem Sonntag, den 3. Februar 2013 im Hauptquartier Milton Keynes via Web-Stream präsentiere, als eine Evolution des Vorgängers. Immerhin war das Reglement vor der großen Hybrid-Revolution ein Jahr später ohnehin weitgehend stabil geblieben, eine Revolution war somit ohnehin nicht unbedingt erforderlich, um den Nimbus als Nummer eins der Formel 1 zu konservieren.
Evolution führte schon zur größten Schumi-Dominanz
Auf den ersten Blick waren die Unterschiede kaum auszumachen. Am prominentesten war vielleicht noch die neue, leicht angepasste Lackierung mit violetten Akzenten auf dem bekannten Bullen-Blau rund um den neuen Titelsponsor Infinity, ein japanischer Hersteller aus dem Renault-Nissan-Konzern. Ansonsten musste man schon ganz genau hinsehen.
(Positiv) auffällig noch am ehesten: Eine ab 2013 erlaubte Blende, um die damals wenig ästhetischen Stufennasen zu verdecken. Darüber hinaus schmiegte sich die Motorabdeckung gewohnt eng um den Renault-Antrieb, am Heck setzte Red Bull mit dem Coanda-Auspuff genauso auf Konstanz wie an der Front mit Druckstreben an der Vorderachse.
"Es ist ein ziemlich evolutionäres Auto", sagte Newey. "Die Steifigkeit des Frontflügels wurde erhöht", so das Design-Genie über eine der wenigen genannten Neuerungen. "Die meiste Anstrengung haben wir dafür aufgewendet, den RB8 zu verbessern", erklärte Newey. Genau das hatte man sieben Jahre später auch aus Brackley von Mercedes hören können – oder neun Jahre zuvor aus Maranello über den F2004. Eine Geschichte, die bekanntlich in Michael Schumachers dominantester Saison seiner Ferrari-Herrschaft endete. Dito Hamilton.
Sebastian Vettel tauft RB9 'Hungry Heidi'
Wenn ein Konkurrent damals daran gedacht haben mag, so dürfte er sich wenig später mehr als nur bestätigt gefühlt haben. In den Händen von Sebastian Vettel wurde der nur "ziemlich evolutionäre" RB9 zu einer regelrechten Waffe. Mit seiner ‚Hungry Heidi’, bei einem traditionellen Abendessen mit seinen Red-Bull-Mechanikern in Melbourne benannt nach seinem noch immer nicht gestillten Siegeshunger und Topmodel Heidi Klum, dominierte Vettel letztlich wie nie zuvor. Weder mit „Luscious Liz“, noch mit „Kinky Kylie“ oder „Abbey“ war eine derartige Überlegenheit gelungen, wie auf dem Weg zum vierten WM-Titel in Serie.
Vettel selbst hatte den großen Wurf bereits frühzeitig antizipiert. „Ich weiß, dass das Team mit dem Auto hervorragende Arbeit geleistet hat“, sagte Vettel schon bei der Vorstellung am 3. Februar. Wenig später meckerte der Deutsche bei den Testfahrten zwar noch - das bezog sich jedoch vor allem auf die neuen, schneller als zuvor abbauenden Reifen von Pirelli. Eine neue Eigenart, mit der mancher Konkurrent wie Lotus zunächst besser zu haushalten wusste. Dieses Thema sollte zur Saisonmitte noch eine ganz besondere Tragweite entfalten.
Vettel startet stark, dann kommen neue Reifen
Gestartet war die Saison für Vettel zunächst gut, aber noch nicht so überragend, wie sie enden sollte. Mit drei Siegen aus den ersten sieben Rennen lag der Deutsche zu diesem Zeitpunkt mit 36 Punkten Vorsprung auf seinen alten wie neuen Rivalen Alonso bereits souverän in Front. Wirklich Fahrt aufnehmen sollte Vettels bestes Jahr in der Formel 1 allerdings erst ausgerechnet mit einem Ausfall beim folgenden Großbritannien Grand Prix. Vettel schied mit einem Getriebeschaden aus, das Rennen schreib jedoch vor allem durch ein halbes Dutzend Reifenschäden Geschichte.
Die Folgen dieser Vorfälle fielen letztlich zusammen mit einer makellosen Vettel-Dominanz, für die Konkurrenz und manche Beobachter lag ein fast schon kausaler Zusammenhang auf der Hand. Was passiert war: Die Probleme bei Pirelli sorgten für derartig große Sicherheitsbedenken, dass die Italiener reagierten - und das nun auch durften. Angesichts der neuen Dramatik ringen sich nämlich erst jetzt auch Ferrari, Force India und Lotus dazu durch, ihren Widerstand gegen schon vorherige Bestrebungen aufzugeben, die stark abbauenden Reifen anzupassen.
Pirelli ändert Konstruktion, Vettel plötzlich unschlagbar
Die drei Teams hatten sich zuvor gegen Änderungen der Konstruktion ausgesprochen, da diese einen für sie mutmaßlich negativeren Einfluss auf die Aerodynamik genommen hätten als bei Konkurrenten, allen voran Red Bull. Nun kam es allerdings doch so: Gleich zum ersten Rennen nach Silverstone, brachte Pirelli zunächst eine verstärkte Konstruktion mit Kevlar- statt Stahlgürtel an den Nürburgring. Prompt gewann Vettel zum ersten und einzigen Mal sein Heimrennen. Zum nächsten Rennen, dem Ungarn GP, folgte die finale Reaktion. Pirelli ging zurück auf die Vorjahreskonstruktion, behielt lediglich die aktuellen Mischungen bei.
Eine Kombination, die wie für den Red Bull und Sebastian Vettel gemacht schien. Gleich in Ungarn sprang zwar nur ein dritter Rang heraus, allerdings hing Vettel auf dem engen Hungaroring zunächst auch im Verkehr fest und beschädigte sich dabei noch dazu seinen Frontflügel, nach der Sommerpause erwiesen sich Vettel und Hungy Heidi jedoch als unschlagbar - und das ist wörtlich zu verstehen.
Siege & WM-Vorsprung: Vettel rast im RB9 von Rekord zu Rekord
Neun Rennen, von Belgien bis Brasilien, stiegen nach der Sommerpause. Neunmal hieß der Sieger Vettel. Ein neuer Formel-1-Rekord. So viele Siege in Serie innerhalb einer Saison waren einem Fahrer noch nie zuvor gelungen. Saisonübergreifend hatte einzig Alberto Ascari 1952/53 so oft am Stück gewonnen. 2023 wurde Vettels Erfolg in Monza von Max Verstappen übertroffen. Mit seinem zehnten Triumph in Folge stellte der amtierende Weltmeister den Rekord des Deutschen ein.
Auch absolut fuhr Vettel 2013 zu einem Rekord. Mit 13 Saisonsiegen egalisierte Vettel die Marke seines Landsmanns Michael Schumacher aus der Saison 2004 - noch so eine Parallele zu diesem schon genannten Jahr. Schumacher stand mit 19 Läufen jedoch ein Rennen weniger zur Verfügung als Vettel. Doch auch diesen Rekord konnte Verstappen neun Jahre später mit 15 Saisonsiegen brechen.
Damit nicht genug der Rekorde. Beim dritten und letzten Formel-1-Rennen in Indien überhaupt machte Vettel vier Rennen vor Saisonende nicht nur vorzeitig den vierten WM-Titel klar und wurde mit 26 Jahren und 116 Tagen zum bis heute jüngsten vierfachen Weltmeister der Geschichte, sondern behielt auch seine 100-prozentige Siegquote in Greater Noida. Durch die folgenden Siege bis zum Finale in Brasilien baute der Red-Bull-Pilot daraufhin seinen WM-Vorsprung auf den Zweiten (Alonso) auf 155 Zähler in der Endabrechnung aus. Ein bis dato ebenfalls unerreichter Rekord, den Verstappen 2023 mit einem Vorsprung von 290 Punkten egalisierte.
2013 wurde Vettel mit dem RB9 in Korea und Singapur nach Ascari (1952) und Jim Clark (1963) zudem zum zweiten Fahrer überhaupt, der an aufeinander folgenden Wochenenden einen Grand Slam - also Pole, schnellste Runde und Sieg ohne Führungsverlust - erzielte.
Multi-21-Affäre & Reifenänderung als Makel
Wie sehr Vettel, nicht nur Red Bull, dem Jahr seinen Stempel aufdrückte, zeigt der Vergleich mit dem Teamkollegen. Mit einem 17:2 über Mark Webber im Qualifying-Duell und einem 18:1 im Rennduell sah der Australier gegen den Deutschen so gut wie keinen Stich, zudem blieb Webber in Vettels Siegrekord-Saison seinerseits ohne Sieg und nahm mit Saisonende frustriert den Hut.
Nicht unerwähnt bleiben darf dabei die berühmte Multi-21-Affäre beim Malaysia-GP. In Sepang hatte Vettel Webber wider Red-Bull-Anordnung überholt. Das rückt sowohl Siegrekord (Vettel) als auch Sieglosigkeit (Webber) zumindest in ein etwas anderes Licht.
Reifenprofiteur und Multi-21-Eklat hin oder her: Was bleibt, ist eine Saison voller Rekorde, mit der Sebastian Vettel Formel-1-Geschichte schrieb. Eine Saison, die Red Bull mit der Präsentation einer kleinen Evolution namens RB9 aka ‚Hungry Heidi‘ an jenem 3. Februar so unscheinbar eingeläutet hatte …
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