Mit Pietro Fittipaldi gibt an diesem Wochenende in Bahrain ein großer Name in der Formel 1 sein Comeback. Der Enkel der brasilianischen Legende Emerson Fittipaldi gibt als Ersatz für den verletzten Romain Grosjean sein Debüt. Nach zwei Jahren als Entwicklungsfahrer fühlt er sich gut auf den Ernstfall vorbereitet. Teamchef Günther Steiner hat nichts anderes erwartet. Für ihn war jemand wie Nico Hülkenberg für den Fall der Fälle nie ein Thema.

"Günther hat mich am Montag an die Rennstrecke beordert und mir gesagt, dass ich fahren werde", erklärt Fittipaldi gegenüber Motorsport-Magazin.com, dass die Wahl des Teams schnell auf ihn fiel. Er selbst habe sich über ein mögliches F1-Debüt zunächst aber gar keine Gedanken gemacht. "Für mich war nicht klar, dass ich fahre. Ich bin zwar einer der Ersatzfahrer des Teams, aber nach Romains Unfall hat sich das Team um ihn gekümmert und ich machte mir auch Sorgen um seine Gesundheit."

Für den Youngster wird es ein absoluter Kaltstart, denn seit seinem Einsatz als Young Driver beim Abu-Dhabi-Test 2019 hat er nicht mehr in einem Formel-1-Boliden gesessen. "Ich habe zwar Simulatorsessions gehabt und mich körperlich fit gehalten, aber es ist schwer die Fliehkräfte eines F1-Autos im Gym zu simulieren. Das ist fast unmöglich. Ein Jahr nicht gefahren zu sein, wird am Freitag ein Schock sein", sagt er. "Ich bin aber zuversichtlich, dass es gut wird."

Am wichtigsten wird für ihn sein, sich nicht vom Druck in der Königsklasse ablenken zu lassen. "Ich muss angesichts dieser ganzen Situation einfach ruhig bleiben. Das ist der Schlüssel. Ich muss es Schritt für Schritt angehen und vom Training zum Qualifying langsam aufdrehen, den Rhythmus aufbauen und mich an all die Abläufe im Auto gewöhnen", so sein Plan für einen erfolgreichen Einstand.

Bei allem Stress versucht ihn die Familie rund um Großvater Emerson Fittipaldi und seinen Onkeln Christian Fittipaldi und Max Papis, die allesamt auf F1-Erfahrung zurückblicken können, zu beruhigen. "Sie sagen mir, dass ich es genießen soll, denn sein F1-Debüt erlebt man nur ein Mal. Ich soll dort rausgehen, Spaß haben und dann Vollgas geben", sagt der 24-Jährige.

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Fittipaldi bei Haas von Anfang an erste Wahl

"Es wird für ihn natürlich nicht einfach. Aber wir haben ihn nicht als Maskottchen verpflichtet. Er wusste, dass es dazu kommen kann", so Steiner, der sich des Risikos, mit einem Rookie anzutreten, bewusst ist. Ein erfahrener Pilot wie Edelreservist Hülkenberg, der dieses Jahr schon drei Mal bei Racing Point aufgrund von Corona-Fällen spontan einsprang, war für ihn allerdings von vornherein keine Option. "Ich konnte niemand anderen ins Auto setzen, denn ich habe große Anstrengungen unternommen, damit er [Fittipaldi] hier ist, erklärt der Teamchef.

Neben Fittipaldi gehört auch Formel-2-Pilot Louis Delétraz zum Kader von Haas F1. Er ist ebenfalls Nachkomme eines Grand-Prix-Piloten, wobei Vater Jean-Denis Deletraz als Paydriver in den 1990er Jahren auf andere Weise von sich reden machte, als Großvater Fittipaldi. Als Ersatz für Grosjean kam allerdings von Anfang an nur Fittipaldi in Frage. "Wir hatten ohnehin mit ihm geplant, er hat einen COVID-Test und alles was dazugehört", sagt Steiner.

Da Deletraz an beiden Bahrain-Wochenenden in der Formel 2 im Einsatz ist, war Fittipaldi für den letzten Dreierpack im F1-Kalender 2020 als alleiniger Reservefahrer bestimmt worden. "Ich war eher besorgt, dass wir einen COVID-Fall bei unseren Fahrern haben könnten, als dass sich einer verletzt", so Steiner. "Deshalb hatte ich ihn gebeten, für drei Wochen hierher zu kommen. Er sagte, dass das eine lange Zeit sei, aber ich antwortete ihm, dass ich ihn nicht als Maskottchen habe und er hier ist, um seine Pflicht zu tun, wenn etwas passiert."

"Günther war immer schon ein Mann, der zu seinem Wort steht. Er ist sehr direkt und ich arbeite sehr gerne mit ihm zusammen. Er ist ein toller Teamchef", streut Fittipaldi seinem Förderer Rosen, der ihn 2019 bei Haas aufnahm.

Weltmeister-Enkel für Haas kein PR-Gag

Mit Fittipaldi wird erstmals seit Felipe Massa in der Saison 2017 wieder ein Brasilianer in der Formel 1 am Start sein. Dass es sich dabei um den Nachfahren einer F1-Ikone des Landes handelt, ist für Steiner ein positiver Nebeneffekt. "Darüber kann man sicher nicht unglücklich sein. Emmo [Emerson Fittipaldi] war zu seiner Zeit ein Star. Der Name ist natürlich gut", so der Südtiroler.

Der Marketinggedanke alleine würde den Einsatz allerdings nicht rechtfertigen. "Deshalb ist er nicht hier. Er hat im Simulator einen guten Job gemacht und ist schon für uns gefahren. Wir haben ihn, damit er da ist, wenn wir ihn im Cockpit brauchen. Die kommerzielle Seite haben wir nicht gesehen. Wir wollen keinen Ersatzfahrer, nur damit er bei uns rumhängt und allen erzählen kann, dass er Ersatzfahrer in der F1 ist.", stellt Steiner klar.

Magnussen hilft dem Rookie

Fittipaldi schaut auf eine bewegte, allerdings nur bedingt erfolgreiche Karriere im Motorsport zurück. Er begann seine Karriere im Automobilsport im Jahr 2011 in der NASCAR Whelen All-American Series. Drei Jahre später zog es den in Miami geborenen Brasilianer in den Formelsport. Sein größter Erfolg war 2017 der Titelgewinn in der nicht sonderlich stark besetzten World Series Formula V8 3.5, die nach seiner Meistersaison aufgelöst wurde.

In den darauffolgenden Jahren war Fittipaldi in IndyCar, Super Formula, WEC und DTM zumeist als Teilzeitfahrer unterwegs. Steiner ist jedoch optimistisch, dass er mit dem Sprung ins kalte Wasser unter den Voraussetzungen an diesem Wochenende zurechtkommt: "Er hat dieses Jahr keine Streckenzeit gehabt, aber auf diesem Layout mit drei Geraden und drei Kurven wird er einen guten Job machen."

Dass Fittipaldi 2018 in der IndyCar drei Ovalrennen mitfuhr, sei allenfalls ein Vorteil. "Vielleicht hilft ihm das. Und es wird auch helfen, dass er in seiner Karriere schon bei verschiedenen Teams in unterschiedlichen Autos gefahren ist. Er wird sich schnell anpassen und wir werden ihm dabei helfen. Kevin hat schon angeboten, ihn zu unterstützen", so der Teamchef weiter.

Der bei Haas scheidende Magnussen nahm sich Fittipaldi im Vorlauf des Wochenendes bereits vorbildlich an. "Ich habe schon mit Pietro gesprochen und ihm ein paar Hinweise gegeben, was ihn am Wochenende überraschen könnte. Es gibt so viele Einstellungsmöglichkeiten am Auto, die er zu seinem Vorteil nutzen kann", so der Däne. "Ich lerne Pietro so gut ich kann an, damit er auf Speed kommt. Aber ich bin sicher, dass er einen guten Job machen und sich schnell eingewöhnen wird."