Renault ist nach den Achtungserfolgen in der Formel-1-Saison 2020 ambitionierter und motivierter als je zuvor. Die Vorbereitungen für 2022 haben längst höchste Priorität, denn mit dem neuen Reglement wollen die Franzosen und Fernando Alonso um die Weltmeisterschaft kämpfen. Der Spanier macht bei der Entwicklung bereits Druck, dabei gibt es für Renault noch mehr als nur ein Etappenziel zu erreichen. Platz drei in der Gesamtwertung 2020 ist noch lange nicht fix und das kommende Jahr bedarf trotz Restriktionen weiterer Anstrengungen.

"Wir sind sicherlich der Underdog, aber es ist noch möglich. Wir haben immer noch drei Rennen", so Ricciardo vor dem Saisonendspurt in Bahrain und Abu Dhabi. Renault verlor in der Türkei gewaltig an Boden und liegt hinter Racing Point und McLaren nur noch auf Rang fünf der Konstrukteurswertung. Bis zum heißersehnten dritten Platz sind es 18 WM-Zähler, doch die Gelben müssen auch nach hinten schauen. Auf Platz sechs ist Ferrari bis auf sechs Punkte herangerückt.

Vor dem Rückschlag in Istanbul war Renault nach zwei Podestplätzen durch Ricciardo auf dem Nürburgring und in Imola in der Favoritenrolle auf den Sieg im Verfolgerfeld, doch über die reine Performance lassen sich die Konkurrenten kaum ausstechen, wie auch Teamchef Cyril Abiteboul weiß: "Die Zuverlässigkeit wird am Sonntagabend in Abu Dhabi über den WM-Stand entscheiden. Wir haben alle mehr oder weniger das gleiche Auto, also kommt es auf Konstanz und die Durchführung an."

2020 nur ein Vorgeschmack

Der Franzose spricht damit zwei Punkte an, die bei Renault seit dem Comeback als Werksteam im Jahr 2016 nie so recht zusammenlaufen wollten. Die WM-Platzierungen neun, sechs, vier und fünf zeugen vom Kampf mit der Konstanz. Etwas, das auch 2020 in gewisser Weise noch in der DNA des Teams verankert ist. Denn Abiteboul sieht in den ersten kleinen Erfolgen immer noch die Nachwehen der schwierigen Jahre.

"Unser diesjähriges Auto ist in vielerlei Hinsicht ein Produkt unseres vorherigen Managements", erklärt er und ist deshalb umso optimistischer hinsichtlich der Zukunft: "Wir haben neue Leute, die das Team auf das nächste Level hieven werden. Ich glaube, dass wir den Effekt unserer Umstrukturierung im vergangenen Jahr erst noch sehen werden."

Renault intensiviert Entwicklung für 2021

Langfristig soll diese natürlich zum Kampf um den WM-Titel führen, doch zwischen der Gegenwart und dem großen Traum liegt immer noch das Übergangsjahr 2021. Was vor allem bei Alonso zunächst als notwendiges Übel betrachtet wurde, hat mittlerweile an Wichtigkeit gewonnen. "Wir arbeiten mit voller Kraft am Auto für 2021. Trotz der durch das Reglement bedingten Einschränkungen können wir viel Performance herausholen", so Abiteboul.

Nach einem ernüchternden Jahr 2020 ohne Fortschritte, war der Fokus sehr früh auf das neue Reglement gewandert. Doch die Erfolge mit dem R.S.20 geben dem Team Anlass, am gefundenen Momentum festzuhalten. "Es gibt uns das Selbstvertrauen, dass wir mit unseren Fortschritten auf dem richtigen Weg sind, zumindest was unsere Arbeit in Relation zu den anderen anbelangt", sagt der Teamchef.

Ein weiterer Grund für ein erfolgreiches Jahr 2021 ist die neue Identität des Teams, das in Zukunft als Alpine F1 Team an den Start gehen wird. Der Konzern will die sportliche Schwestermarke von Renault mit dem F1-Engagement pushen. "Wir haben eine klare Unternehmensstrategie mit Alpine", so Abiteboul.

Abiteboul und Alonso machen Druck für 2022

Mit Ricciardos Abgang und McLaren verliert das Team zwar seine fahrerische Speerspitze, doch Nachfolger Alonso kehrt mit jeder Menge Ehrgeiz aus seiner zweijährigen Auszeit zurück. Etwas, das nicht nur das Test-Team von Renault bei den Einsätzen des Spaniers im 2018er Boliden zu spüren bekommt. Auch in der Fabrik in Enstone ist der zweimalige Weltmeister stark involviert.

"Wir waren im Windkanal und er sagte: ihr könnt das 2022er Auto im Moment also noch nicht hier laufen lassen?", so Renault-Technikchef Marcin Budkowski, der Alonso daraufhin erklärte, dass ein Test des Chassis für 2022 reglementbedingt erst ab dem 1. Januar 2021 möglich ist.

Dass am Neujahrstag in der Regel keine Windkanaltests gefahren werden, wollte Alonso laut Budkowski nicht hinnehmen. "Er sagte: okay, wir müssen am 1. Januar einen Testlauf machen. Ich werde herkommen und euch am 1. Januar helfen", so der Pole, der sich beeindruckt zeigt: "So sieht Fernandos Level an Motivation im Moment aus."

Mit dieser Mentalität ist Alonso innerhalb des Teams allerdings nicht alleine, denn auch die Führungsetage will für 2022 nicht einen Tag verschwenden. "Am 1. Januar 2021 wird 2021 bereits hinter uns liegen. Wir werden uns zu 100 Prozent auf das Auto für 2022 konzentrieren", kündigt Abiteboul an. Der Aufschwung in der aktuellen Saison und die anvisierte Fortsetzung im kommenden Jahr ändern daran nichts.

Renault wird durch Erfolge endlich ernst genommen

"Auch wenn wir bessere Resultate haben und Fernando Druck macht, wird sich an unserer Agenda nichts ändern. Unsere Priorität ist das Auto für die Saison 2022", so der Franzose weiter. Eine starke Saison 2021 würde allerdings helfen, um den langfristigen Ambitionen noch mehr Nachdruck zu verleihen.

Allein die Performance in diesem Jahr soll der Reputation Renaults gut getan haben, wie Abiteboul glaubt: "Ich habe das Gefühl, dass man uns jetzt ernst nimmt. Letztes Jahr wollten wir mit dem Motor nachlegen und das ist uns gelungen. Dieses Jahr wollten wir beim Chassis einen Schritt erreichen und auch das haben wir geschafft. Wenn wir nun also für die Zukunft ein Ziel anvisieren, muss man uns ernst nehmen. Aber es liegt noch viel vor uns, um in eine Position zu kommen, in der wir Rennen gewinnen können."