Reverse Grid und Stefano Domenicali sind die beiden bestimmenden Themen im Fahrerlager von Sotschi. Während die umgekehrte Startreihenfolge bei den meisten für strikte Ablehnung sorgt, kommt Domenicali deutlich besser weg. Zu sehr wollte sich bislang aber noch niemand freuen, wurde die Verpflichtung von Stefano Domenicali als neuem Formel-1-Boss doch noch nicht offiziell kommuniziert.

Während des 2. Freien Trainings war es dann allerdings soweit: Zunächst verkündete Lamborghini den Abschied von Geschäftsführer Stefano Domenicali, kurz darauf kommunizierte die Formel 1 die Verpflichtung des Italieners als CEO und Präsident offiziell. Der 55-Jährige wird Anfang 2021 die Position von Chase Carey übernehmen, der seit der Übernahme von Liberty Media im Jahr 2017 im Amt ist.

Die Gefahr, mit dem ehemaligen Ferrari Teamchef Domenicali wäre der Einfluss von Ex-Ferrari-Männern in Schlüsselpositionen der Formel 1 zu groß, sieht die Konkurrenz nicht. Domenicalis Ferrari-Vorgänger Jean Todt ist FIA-Präsident, Ferraris ehemaliges Superhirn Ross Brawn ist Sportchef der Formel 1.

Ferrari-Übermacht mit Domenicali?

Tatsächlich ist die Angst auch unbegründet: Nicht nur, dass Domenicali zuletzt bei Ferraris Erzfeind Lamborghini arbeitete, der Italiener soll auch eine mögliche Rückkehr zu seinem ehemaligen Team abgelehnt haben. 2014 wurde er recht unschön aus Maranello verabschiedet.

Stattdessen soll sich ein Ferrari-Konkurrent für Domenicali stark gemacht haben: Renault. Weil der Volkswagenkonzern darüber nachdenkt, mit Bugatti und Lamborghini zwei seiner Luxusmarken zu verkaufen, sah sich Domenicali offenbar nach neuen Herausforderungen um.

Das wiederum blieb nicht unbemerkt: Luca de Meo, der neue Renault-Boss, soll von Domenicalis Plänen erfahren haben. De Meo war zuvor Seat-Chef, arbeitete also ebenfalls im Volkswagenkonzern und kennt seinen italienischen Landsmann daher ganz gut. Renault-Boss de Meo machte sich schließlich bei Liberty Media für Domenicali stark.

Die Formel-1-Teams können gut mit Domenicali leben. Fast alle Verantwortlichen hatten bereits Berührungspunkte mit ihm. Entweder als Ferrari-Teamchef, Präsident der FIA Formel-Kommission oder als Lamborghini-Boss. Chase Carey bleibt der Formel 1 wie angekündigt auch weiterhin erhalten: Der US-Amerikaner tritt in den Vorstand ein.

Das sagen Carey und Domenicali zum Wechsel an der Formel-1-Spitze

Zum Abschied gibt es warme Worte für Carey. "Chase hat die Formel 1 phänomenal geleitet. Er hat eine erstklassige kommerzielle und sportliche Organisation geformt, die eine lange Liste an Erfolgen vorweisen kann: Der Ausbau der digitalen Präsenz, die Einführung neuer Technischer Regularien sowie einer Budgetobergrenze und ein gerechteres Concorde Agreement mit den Teams", lobt Liberty-Boss Greg Maffei.

"Es war eine Ehre, die Formel 1, anzuführen", so Carey selbst. "Ich bin stolz darauf, dass wir nicht nur durch ein herausforderndes Jahr 2020 gekommen sind, sondern dabei auch noch die Bereiche Nachhaltigkeit, Vielfalt und Inklusion gestärkt haben. Ich bin zuversichtlich, dass wir ein starkes Fundament für den langfristigen Wachstum des Unternehmens gelegt haben. Es war ein Abenteuer und ich habe es genossen, mit den Teams, der FIA und all unseren Partnern zu arbeiten. Ich freue mich darauf, weiter involviert zu bleiben und werde Stefano unterstützen."

"Wir freuen uns, Stefano Domenicali als Präsident und Geschäftsführer der Formel 1 willkommen zu heißen", so Maffei über den Nachfolger von Carey. "Stefano bringt eine reiche Historie an Erfolgen in der Formel 1 mit Ferrari mit und auch in der Automobilindustrie mit Audi und Lamborghini."

Mit Domenicali kehrt auch wieder Stallgeruch auf den Posten des Formel-1-Bosses zurück. "Ich freue mich sehr, bei der Formel 1 anzufangen. Es ist ein Sport, der immer Teil meines Lebens war. Ich wurde in Imola geboren und lebe in Monza", so Domenicali. "Ich freue mich darauf, mit den Teams, den Promotern, den Sponsoren und vielen Partnern der Formel 1 Kontakt aufzunehmen, um das Business weiter voranzubringen. Die vergangenen sechs Jahre bei Audi und Lamborghini haben mir eine breitere Perspektive gegeben und Erfahrung gebracht, die ich nun in die Formel 1 einbringe."