Die Formel-1-Saison 2020 lässt wegen der Coronavirus-Pandemie auf sich warten. Motorsport-Magazin.com nutzt die Zwangspause für eine neue Serie historischer Beiträge.

Heute und zum Anlass des an diesem Wochenende ursprünglich geplanten China GP bei ‚On this day’: Ein denkwürdiger Start zum F1-Rennen am 17. April 2016 in Shanghai samt kuriosem Wortwechsel zwischen Ferraris Sebastian Vettel und Red Bulls Daniil Kvyat hat für den Russen wenig später böse Folgen.

Formel 1 heute vor vier Jahren: You came like a torpedo!

Der China GP gilt nicht zu Unrecht als moderner Klassiker der Formel 1. Seit 2004 im Kalender, lieferte Shanghai bereits jede Menge Aufreger. Einer der größten ereignete sich in der 2016er Ausgabe des Rennens im Reich der Mitte. Sebastian Vettel reiste nach einem technischen Defekt in Bahrain mit bereits 35 Punkten Rückstand auf WM-Leader Nico Rosberg zum dritten Saisonlauf.

Mit dem Mercedes-Piloten auf Pole und Vettel nur in Startreihe zwei zeichnete sich auch in Shanghai keine Aufholjagd ab. Umso mehr verlangte es nach einem optimalen Start. Die beste Traktion erwischte Vettel von P4 allerdings nicht, sodass es in die lange Schneckenkurve hinein brenzlig wurde.

Vettel funkt über Kvyat: selbstmörderisch

Unmittelbar vor Vettel verbremste sich Teamkollege Kimi Räikkönen leicht, rutschte von seiner Linie kurz nach außen, um dann wieder hereinzuziehen. Es knallte. Mit dem linken Vorderreifen fuhr Vettel Räikkönen hinten rechts auf Eck. Der Finne prallte in den Seitenkasten Kvyats, verlor seinen Frontflügel und wurde bis ans Ende des Feldes durchgereicht. Doch wieso Kvyat? Genau diese Frage stellte sich auch Vettel, der ebenfalls Positionen verlor und in erster Linie den Russen für den Vorfall zur Verantwortung zog.

"Große Entschuldigung an das Team und an Kimi. Kvyat ist wie ein Torpedo auf mich geschossen. Das war selbstmörderisch", entrüstete Vettel sich sofort am Boxenfunk. Tatsächlich hatte sich Kvyat rechts neben Vettel befunden - allerdings keinesfalls mit einer derartigen Harakiri-Aktion, wie Vettel beschrieb. Wer die Onboards studiert, erkennt sofort, dass Kvyat vielmehr ein blitzsauberes, starkes Manöver setzte, die Kurve direkt am Innenkerb erwischte und seine Linie hielt.

Vettel & Kvyat liefern Wortgefecht

Das gestand Vettel nach dementsprechendem Video-Studium letztlich auch ein. Völlige Einsicht zeigte der Ferrari-Pilot jedoch nicht. Vettel: "Trotzdem musste ich nach links ausweichen, sonst wären wir gecrasht. Ich hätte nicht viel machen können, ich war im Sandwich. Kvyat kam einfach von hinten aus dem toten Winkel geschossen."

Zuvor war es zwischen Vettel und dem Russen allerdings schon heftig zur Sache gegangen. Im ‚Greenroom’ vor der Siegerehrung - ja, Vettel und Kvyat hatten es trotz des Vorfalls noch unter die Top-3 geschafft - lieferte sich das Duo ein Wortgefecht, das um die Welt gehen sollte - mit Spätfolgen für einen der Beteiligten.

„Du bist da reingeschossen wie ein Torpedo", wetterte Vettel in Richtung Kvyat. "Das ist halt Racing", konterte Kvyat. Vettel zurück: „Racing? Wenn ich auf meiner Linie bleibe, crashst du!“ Kvyat: „Dann fahr’ halt nicht so weiter!“ Noch auf dem Podium ging es weiter. "Ich hatte einen echt guten Start. Dann siehst du die Lücke und willst sie dann natürlich auch haben“, schilderte Kvyat. „Natürlich war das riskant, da hat Seb recht. Aber wenn du aufs Podium willst, musst du Risiko gehen. Damit muss jeder rechnen.“

Die Reaktionen auf die Szene fielen weitgehend einig aus. „Für mich sah es so aus, als wollte Sebastian die Schuld daran, dass er seinen Teamkollegen abgeschossen hat, jemand anderem zuschieben. Kvyat hat einfach eine Lücke gesehen und ist reingestochen", sagte Christian Horner.

Ferrari-Teamchef: Das ist Racing, nicht Monopoly

Dass Red Bulls Teamchef das so sah - kein Wunder. Doch der Ferrari-Teamchef? "Mit dem Finger auf jemanden zu zeigen ist nicht korrekt", watschte Maurizio Arrivabene seinen eigenen Fahrer ab ab. "Kvyat war mit Highspeed auf dem Kerb, ich denke Seb und Kimi hätten in Kvyats Position dasselbe getan.“ Andererseits zeigte Arrivabene auch Verständnis: „Wenn man seine Position verteidigen will, bewegt man sich eben, und leider war Kimi dort. Aber das ist Racing, es ist nicht Monopoly.“

In Russland schoss Kvyat Vettel dann richtig abf, Foto: Sutton
In Russland schoss Kvyat Vettel dann richtig abf, Foto: Sutton

Der Twist der Geschichte sollte allerdings erst noch kommen. Zwei Wochen später wurde der in China noch zu Unrecht zum Torpedo getaufte Kvyat plötzlich wirklich zum Torpedo - und das gleich doppelt. Beim Start zu seinem Heimrennen in Russland kachelte Kvyat vo diesmal wirklich jemandem ohne Not hinten rein. Jemandem? Nein. Wieder Sebastian Vettel! Und das nicht nur einmal. Erst vor Kurve eins, dann noch einmal in Kurve drei.

Russland: Kvyat schießt Vettel doppelt ab - degradiert!

Die Folge: Plötzlich schien das Torpedo-Image perfekt zu passen - auch für Red Bull. Das Team nutzte die Gunst der Stunde und ersetzte Kvyat schon beim nächsten Rennen durch den aufstrebenden Max Verstappen. Der dankte sofort mit einem Sieg - damit war der zu Toro Rosso degradierte Kvyat für immer abgemeldet.

Zu Red Bull zurückkehren sollte der Russe nie wieder - und war gebrochen. Eine derart gute teaminterne Bilanz wie noch bei Red Bull - 2015 in der WM immerhin vor Vettel-Besieger Ricciardo - wies Kvyat gegen Carlos Sainz längst nicht vor: 3:12-Niederlage im Quali-Duell; 4:42 nach Punkten in der restlichen Saison.

Was sonst noch geschah:

Vor 26 Jahren: Beim Pazifik GP 1994 startete Roland Ratzenberger sein erstes und einziges Formel-1-Rennen. Beim Saisonstart in Brasilien hatte sich der Österreicher nicht qualifiziert. Was vor dem dritten Lauf in Imola geschah, wissen wir leider alle.
Vor 26 Jahren: Ebenfalls in Aida erlebte Rubens Barrichello eine Sternstunde. Der Brasilianer fuhr zum ersten Mal auf das Podest.
Vor 34 Jahren: Im Schweizer Genf erblickte Romain Grosjean das Licht der Welt.
Vor 66 Jahren: Ricardo Patrese wurde geboren. Der Italiener war lange Zeit Rekordstarter der Königsklasse. In Australien startete Patrese 1993 sein 256. und letztes F1-Rennen. Erst beim Frankreich GP 2008 überholte ihn Rubens Barrichello und zog bis Brasilien 2011 auf 322 davon.