Die Formel 1 wappnet sich Schritt für Schritt gegen die schon dramatischen und zu erwartenden finanziellen Folgen der Coronavirus-Epidemie für kommerziellen Rechteinhaber und Teams. Rennen werden erst einmal nur auf unbestimmte Zeit verschoben statt komplett abgesagt - mit Ausnahme Monaco. Nachholtermine bis hinein in den Januar 2021 sind denkbar. Die Teams müssen Änderungen des Kalenders nicht mehr zustimmen.

Noch dazu hat der Motorsportweltrat FIA-Präsident Jean Todt die Autorität eingeräumt, ohne große Bürokratie jedwede Entscheidungen zu treffen, um der unerwarteten Krise Herr zu werden.

Formel-1-Regeln 2021 kommen erst 2022

Der offizielle Shutdown der Fabriken in der Sommerpause wurde von August auf März/April vorverlegt und um eine Woche auf deren drei verlängert. So will die Formel 1 sich die Option offenhalten, im Sommer jede Menge Ersatztermine in den Kalender weben zu können, sollte sich die Situation rund um das Coronavirus bis dahin entspannt haben.

Allem voran wurde die für 2021 angesetzte Revolution des Reglements um ein Jahr auf 2022 verschoben. Um Kosten zu sparen, werden die aktuellen F1-Boliden für 2020 weitgehend eingefroren, auch im kommenden Jahr eingesetzt. Die genauen Details bedürfen noch weiterer Abstimmung. Die Entwicklung für 2022 ist in der laufenden Saison zudem untersagt.

Horner will neue Regeln sogar auf 2023 verschieben

Christian Horner begrüßt diese Reaktionen - doch dem Red-Bull-Teamchef geht es noch nicht weit genug. "Wir [die Teams, Anm. d. Redaktion] sprechen darüber, die neuen Regeln um ein weiteres Jahr nach hinten zu schieben, da es meiner Meinung nach völlig unverantwortlich wäre, 2021 die Last der Entwicklungskosten zu tragen", verriet Horner nun der britischen ‚BBC’.

Neues Formel 1 Notstands-Reglement: So sieht es aus!: (11:05 Min.)

Also neue Regeln nach Möglichkeit sogar erst 2023. Unter den Teams sei man sich in diesem Punkt fast einig. Horner: "Es scheint eine ordentliche Einigkeit zu bestehen, aber die FIA muss es ratifizieren, um diese Entwicklungskosten für die Saison 2023 auf 2022 zu verschieben.“

Stabilität als beste Sparmaßnahme

Besser als auf diese Weise lasse sich kaum sparen, so Horner. "Das wichtigste, was wir jetzt brauchen, ist Stabilität. Denn das einzige, das wir wissen, ist, dass jedes Mal, wenn du Änderungen einführst, du auch Kosten einführst - und Stabilität und so viel des Autos wie möglich einzufrieren sind gerade der verantwortungsvollste Weg, diese Kostentreiber herunterzufahren“, erklärt der Brite.

Das gilt für Horner auch für das noch auszugestaltende Notfall-Reglement für 2021. „Das wichtigste und grundlegendste ist da, die Notwendigkeit wegzunehmen, etwas auszugeben, um konkurrenzfähig zu sein“, sagt der Red-Bull-Teamchef. „Also, friert Teile des Autos ein. Das Monocoque ist ja schon abgesegnet. Wir schauen jetzt auch die vordere Aufhängung, Streben, Räder und all die daran hängenden Teile an, Getriebe, vielleicht so 60 Prozent des Autos abseits seiner aerodynamischen Oberflächen, das für dieses und nächstes Jahr eingefroren wird.“

Budgetobergrenze weiter senken? Für Horner zweitrangig

Weniger relevant sei es, die Budgetgrenze vorzeitig weiter zu senken. 175 Millionen US-Dollar dürfen ab 2021 maximal ausgegeben werden, dieser Teil der Formel-1-Revolution wurde nicht verschoben. Allerdings wird aktuell bereits diskutiert, gleich mit 150 Millionen zu starten. „Für mich ist sie [die Budgetobergrenze, Anm. d. Redaktion] fast zweitrangig, sie senkt die Kosten, um Rennen zu fahren", sagt Horner.

Einfrieren von Komponenten sei sehr viel effektiver, um zu sparen. Horner: „Wenn beispielsweise 60 Prozent des Chassis für die nächsten 18 Monate eingefroren sind, wirkt sich dies dramatisch darauf aus, Betriebskosten eines Grand-Prix-Teams zu reduzieren, sei es für Red Bull oder Williams."

Finanzkrise 2008 vs. Coronakrise 2020

Horner sieht die angespannte Lage also längst nicht nur durch die Brille des dank Red Bull gut sortierten eigenen F1-Projekts. „Die F1 ist ein sehr starkes Business [...] Die F1 wird es überleben. Eine andere Angelegenheit ist, ob alle Teams überleben werden - und es ist die Verantwortung aller Teamchefs, im Interesse des Sports und all seiner Teilnehmer zu handeln“, mahnt der Brite. „Wir müssen unser Bestes geben, um sicherzustellen, dass alle zehn Teams nachher noch da sind.“

Der Vergleich zur Finanzkrise 2008 drängt sich auf. Damals reagierten Hersteller wie BMW und Toyota mit dem Exit. „Gerade ist die Welt aber ein anderer Ort“, sagt Horner. Damals habe man genau gewusst, worum es gehe. Diesmal sei die Situation diffuser, weniger vorhersehbar. Dafür sei es 2008 wiederum noch möglich gewesen, überhaupt zu fahren. „Klar wird der Umsatz jetzt sehr hart getroffen. Wir wissen aber noch nicht, wie hart es die F1 trifft.“

Positiv sei in jedem Fall die Reaktion aller Beteiligter. „Alle Teams haben verantwortungsvoll reagiert und an einem Strang gezogen. Natürlich sind einige Teams anfälliger als andere, vor allem die kleinen - und es ist wichtig, dass wir unser Bestes geben, um die F1-Gemeinschaft so gut wir können zu schützen.“

Auch Liberty Media nimmt Horner da nicht aus - und vertraut dem kommerziellen Rechteinhaber, die Situation zu lösen: „Sie haben tiefe Taschen und hatten immer einen langfristigen Blick. Ich denke, dass sie tun werden, was auch immer nötig ist, damit dieser Sport weitergeht.“