Racing Point setzt in der Formel 1 2020 auf eine Kopie des Weltmeister-Mercedes von 2019. Ausgerechnet das ehemalige Force-India-Team, welches Ferrari-Kunde Haas und Red-Bull-Schwester AlphaTauri stets für deren Konzepte kritisierte, paust nun selber beim Lieferanten ab. Haas-Teamchef Günther Steiner kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. Doch von Vergleichen mit dessen Team will sein Counterpart in Pink nichts wissen.

"Manchmal sollte man nachdenken, bevor man redet. Vielleicht bist du irgendwann selbst mal in der Position und dann kannst du nichts mehr dagegen sagen. Wie wir alle wissen, haben sie sich vor ein paar Jahren massiv beschwert und jetzt holt es sie ein", so Steiner, dessen Rennstall von Racing-Point-Teamchef Otmar Szafnauer stets für die Verwendung von Ferrari-Teilen kritisiert wurde.

Mehr als dem Rivalen die eigenen Worte um die Ohren hauen will der Südtiroler allerdings auch nicht. Nachdem sein Team seit dem Debüt 2016 auf den Zukauf von Teilen setzt und sogar das Chassis von Dallara gebaut wird, empfindet er den neuen Ansatz von Racing Point als völlig legitim. "Was soll damit nicht stimmen? Die Regeln sind ziemlich klar", sagt er.

Haas-Teamchef Günther Steiner: Racing Point macht es wie wir

Seiner Ansicht nach hätte dieser Schritt schon viel früher kommen können. "Ich sehe das so: sie benutzen viele Teile von Mercedes also warum sollten sie einen Red Bull kopieren? Es ist Dasselbe wie mit uns. Wir kaufen viele Teile von Ferrari, also welches Auto kopieren wir? Ich denke, einen Ferrari", so Steiner.

Für ihn sitzen Racing Point und Haas nun im selben Boot: "Wenn du einen Toro Rosso oder einen Red Bull kopieren würdest, wärst du ziemlich blöd. Ich denke, sie machen jetzt einfach nur das, was wir machen. Sie versuchen das beste herauszuholen und setzen auf dieses Modell."

Racing-Point-Teamchef widerspricht: Haas kann F1-Auto nicht selbst bauen

Bei Racing Point sieht man das jedoch weiterhin entschieden anders. "Ich sehe darin keine Ironie", sagt Szafnauer, für den der Vergleich mit Haas alleine durch die Truppenstärke des Rivalen von nur rund 100 Mitarbeitern hinkt: "Du kannst nicht nur ein paar 100 Leute haben und dein eigenes Auto designen und entwickeln. Das geht nicht einmal."

Racing Point operiert derzeit noch von der ehemaligen Jordan-Fabrik aus. Im Herbst 2019 begann der Bau eines neuen Standorts, welcher im Sommer 2021 vom Team bezogen werden soll. Die Belegschaft wurde seit der Übernahme durch Lawrence Stroll im Sommer 2018 bereits kontinuierlich erweitert.

"Wir haben bald 500 Mitarbeiter und die Leute, die wir einstellen, gehen alle ins Design, die Entwicklung und die Fertigung. Unser Aerodynamik-Team ist größer als ihr ganzes Team. Also, wo bekommen sie es [ihr Auto] her? Es ist ein Unterschied, glaubt mir", zeigt Szafnauer die Unterschiede zu Haas auf.

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Racing Point lässt Eigenentwicklungen fremdfertigen

Racing Point setzt mit Blick auf die neue Identität als Aston Martin F1 Team weiter auf Wachstum. Um die Lücke zu den Top-Teams zu schließen, werden für die Entwicklung weitere 100 Mitarbeiter eingestellt. Aktuell ist man aufgrund der eingeschränkten Infrastruktur zumindest teilweise auf eine Produktion außer Haus angewiesen.

"Wir haben keine massiven Produktionsmöglichkeiten, deshalb kaufen wir auch ein. Aber wir kaufen es von Leuten, die es für uns herstellen. Es ist immer noch unser Design, unsere Entwicklung", so Szafnauer. Neben den neuen finanziellen Möglichkeiten war die Nutzung des Mercedes-Windkanals für die Saison 2020 der größte Schritt.

Brackley statt Köln: Racing Point setzt auf Mercedes-Windkanal

Bis 2019 nutzte das Team den Toyota-Windkanal in Köln, der einst für den Einstieg der Japaner in die Formel 1 im Jahr 2002 gebaut wurde. Der Wechsel auf die Anlage von Mercedes war für Racing Point ein wichtiger Schritt. "Das war sehr hilfreich, denn vorher mussten wir immer nach Köln und unsere Tests in einem anderen Land durchführen und dann wieder zurückreisen. Das war nicht optimal", so Szanfauer.

"Uns fehlt es an nichts. Der Mercedes-Tunnel ist sehr gut und der Rest des Aerodynamik-Teams ist unser eigenes. Wir haben eigene Design-Anlagen, unser eigenes CFD-Programm, unsere eigenen Computer", sagt der 55-Jährige, für den die aktuelle Situation kein Vergleich zu seinen Anfängen in Silverstone ist. "Als ich zu Force India kam haben wir einen CFD-Computer benutzt, der in Mumbai stand und das hat nicht gut funktioniert."