Endlich. Das neue Reglement der Formel 1 für die Revolution zur Saison 2021 steht weitestgehend. Jahrelang hatte Liberty Media federführend mit der FIA und den Teams an umfassenden neuen Regeln für die Königsklasse des Motorsports gearbeitet.
"Es ist ein neues Kapitel", so FIA-Präsident Jean Todt. "Diese Regeln wurden nur durch Teamwork möglich. Es ist sehr viel Arbeit eingeflossen, ich sehe die Regeln als große Errungenschaft." Formel-1-Boss Chase Carey fügte an: "Heute ist ein wichtiger Tag für die Formel 1. Wir haben die DNA der Formel 1 behalten und entwickeln sie weiter."
Carey konnte sich einen Seitenhieb in Richtung seines Vorgängers Bernie Ecclestone nicht verkneifen: "In der Vergangenheit gab es zu oft zufällige Regeländerungen." Erstmals in der Geschichte der Formel 1 hat sich der kommerzielle Rechteinhaber maßgeblich an der Entwicklung der Regeln beteiligt.
Auch Ross Brawn übte Kritik. "Ich habe nicht verstanden, warum wir die Regeln auf 2017 geändert haben. Die Autos sind schneller, aber sie sind grauenhafte Rennautos, wenn es ums Racing geht", so der Brite.
Nach diversen Zwischenberichten stellten FIA-Präsident Jean Todt (per Video zugeschaltet), F1-Boss Chase Carey, Sport-Chef Ross Brawn und FIA-Technkchef Nikolas Tombazis in Austin die finale Regel-Revolution für die Formel-1-Saison 2021 vor.
Fünf Hauptziele standen dabei im Vordergrund:
- Raceability: Autos, die enges Racing ermöglichen
- Konkurrenzfähiges Feld: Engere Abstände zwischen den Teams
- Finanzielle Nachhaltigkeit: Kostenreduktion und nachhaltiges Business-Modell
- Umwelt: Technischer Vorreiter in Straßen-relevanten Bereichen
- Ästhetik: Gutaussehende Rennautos
Die meiste Arbeit investierte Liberty Media in die Entwicklung des neuen Autos. Ross Brawn baute dafür ein Technik-Team auf, das zuletzt sogar mit einem eigenen Windkanal-Modell in Hinwil testete. Beim Technischen Reglement ab 2021 wird der Dirty Air der Kampf angesagt.
Die Boliden sollen in Zukunft besser hinterherfahren können. Einerseits generieren die Autos weniger verwirbelte Luft, andererseits sind sie selbst weniger empfindlich für Verwirbelungen. Das wird durch weniger komplexe Autos erreicht.
Dafür wird der Frontflügel weiter vereinfacht, damit die Umströmung der Vorderreifen weniger gut kontrolliert werden kann. Dazu werden die Bargeboards, aktuell der Spielplatz der Ingenieure, komplett verboten. Der dadurch verlorene Abtrieb wird weitestgehend vom Unterboden aufgefangen. Der Diffusor zieht sich über den gesamten Seitenkasten, der Ground-Effekt ist zurück.
Damit die Teams die Ziele nicht mit ihrer Entwicklung torpedieren, werden in besonders sensiblen Bereichen bestimmte Komponenten vorgeschrieben. Insgesamt werden die Autos damit erheblich weniger empfindlich. Während die aktuellen Autos eine Autolänger hinter einem anderen Fahrzeug nur noch 55 Prozent Aero-Performance haben, sollen es 2021 86 Prozent sein.
Kritik von Fans und Teams, die Autos würden dadurch alle gleich aussehen, lassen die Regelmacher nur bedingt gelten. Die Experten gehen davon aus, dass in vielen Bereichen durchaus optische Unterschiede möglich sind. Dazu zählen Nase, Frontflügelendplatten, Airbox, Motorabdeckung, Seitenkästen, Bremsbellüftungen und Heckflügel samt Endplatten.
Ein weiterer Kritikpunkt ist das Gewicht. Das wird 2021 von 743 auf 768 Kilogramm steigen. Hauptsächlich dafür verantwortlich sind die größeren 18-Zoll-Reifen von Pirelli die entsprechend größeren Felgen, die vom Einheitslieferanten BBS kommen. Apropos Reifen: Heizdecken wird es zumindest noch 2021 und 2022 geben.
Durch das zusätzliche Gewicht und die geänderte Aerodynamik erwarten die Experten, dass die Boliden an Performance verlieren. 3 bis 3,5 Sekunden pro Runde wird die Formel 1 wohl ab 2021 langsamer.
Zurück zum Gewicht: Bei der Power Unit, die weitestgehend unverändert bleibt, kommen lediglich fünf Kilogramm hinzu. Dafür drücken einige Standardkomponenten und verbesserte Sicherheit aufs Gewicht.
Auch wenn das Motorenreglement stabil bleibt, will die Formel 1 ein paar Feinjustierungen vornehmen. Dabei geht es vor allem um den Treibstoff. 2021 wird der Anteil an erneuerbaren Ressourcen auf 20 Prozent verdoppelt. Der Anteil soll anschließend weiter wachsen.
Für viele Fans ist die Stabilität beim Motor wohl eine schlechte Nachricht. Auch Benzinfluss und Hybrid-Komponente bleiben konstant, obwohl diese Parameter ursprünglich angehoben werden sollten. Leistung und Sound dürften also ähnlich bleiben.
Als die Formel 1 mit den Regeln für 2021 begann, stand der Motor noch ganz oben auf der Prioritätenliste der Änderung. "Wir waren zu Beginn ehrgeiziger", gesteht Ross Brawn. "Aber ich bin froh, dass wir den Motor nicht geändert haben. Denn das wäre ein Schritt nach hinten gewesen. Diese Motoren sind die effizientesten Motoren der Welt. Bei der aktuellen Umwelt-Problematik darf man das nicht vernachlässigen."
Um Diskussionen um die Legalität der Motoren und das Umgehen des maximalen Benzinflusses im Keim zu ersticken, wird es diverse Standardkomponenten am Benzinsystem geben. Bosch wird eine Einheits-Hochdruckpumpe liefern, weitere Pumpen kommen von Marelli. Dazu werden die Leitungen die Kollektoren standardisiert.
Das Einheitsgetriebe wurde zwar doch verworfen, dafür wird die Entwicklung für fünf Jahre eingefroren. Nur eine Änderung der Spezifikation ist in diesem Zeitraum erlaubt. Damit niemand einen großen Performance über diesen Zeitraum mitschleppen muss, werden die Regeln für das Getriebe eingeengt.
Auch die Einführung der Einheitsbremsen wurde zunächst verschoben. Um hier allerdings Geld zu sparen, wird die Geometrie der Bremsscheiben eingeschränkt. Die Anzahl der Löcher sowie ihre Anzahl wird reglementiert. Der Durchmesser der Bremsscheiben wächst dank der größeren Räder von 278 auf 330 Millimeter.
Selbst am Chassis legen die Regelhüter Hand an. Damit größere Fahrer keinen Nachteil mehr haben, werden die Innen-Abmessungen vergrößert. Außerdem gibt es vorne an der Unterseite Vorschriften. Dadurch sollen die Autos weniger Empfindlich auf Beschädigungen durch Kerbs sein und gleichzeitig will man flexible Unterböden damit unterbinden.
Ein Aspekt bei den Chassis-Änderungen ist auch die Sicherheit. Vor allem beim Seitenaufprall werden die Piloten zukünftig besser geschützt. Durch eine längere Nase wird außerdem bei einem Frontaufprall mehr Energie absorbiert. Auch an der Cockpitumrandung wird es Verbesserungen geben.
Damit umherfliegende Teile vermieden werden, könnte eine spezielle Gummi-Lage in bestimmte Karbon-Teile laminiert werden. Gewisse Komponenten am Fahrzeugheck sollen wie die Räder mit Seilen gegen ein Abreisen gesichert werden. Die Seile zur Radsicherung müssen aufgrund der größeren Masse verstärkt werden.
Um die Kosten im Rahmen zu halten, werden die Materialien etwas eingeschränkt. Bei Faserverbundstoffen bleibt alles beim alten, bei metallischen Komponenten wird es Einschränkungen geben.
Apropos Kosten: Ein wichtiger Bestandteil der 2021er Regeln ist die Kostenobergrenze. Die wird bei 21 Rennen 175 Millionen Dollar betragen. Pro zusätzlichem Rennen kommt eine Millionen dazu. Das Sportliche Reglement wird bis zu 25 Rennen vorsehen.
Ausgenommen vom 175-Millionen-Budget sind Kosten für Marketing, Abschreibungen, Fahrergehälter, Aktivitäten, die nicht in Verbindung zur Formel 1 stehen, Kosten für historische Abteilungen, Einschreibegebühren der FIA und Kosten für die Superlizenz, Jahresboni und die drei bestbezahlten Angestellten.
"175 Millionen ist noch immer ein hohes Budget mit allen Ausnahmen, aber wir sehen es als einen ersten Schritt an", erklärte FIA-Präsident Jean Todt. "Die Kostenobergrenze ist erheblich für die Zukunft der Formel 1, der Sport ist derzeit in gewisser Weise ein Opfer seines eigenen Erfolgs", fügte Ross Brawn an.
Bis Dezember 2019 sollen die genauen Regeln zur Budgetobergrenze stehen. 2020 wird es eine erste Trockenübung geben. Bis 30. Juni 2020 können die Teams freiwillig 2019er Daten bei der FIA einreichen. Ein Jahr später ist ein weiterer Probelauf geplant. Am 31. März können die Teams freiwillig ihre 2020er Zahlen einreichen. 2022 wird es dann ernst: Am 31. März müssen ihre Zahlen für die Saison 2021 eingereicht werden, finanzielle und sportliche Strafen drohen.
Auch auf sportlich müssen oder dürfen sich die Fans auf Änderungen gefasst machen. Neben der Anhebung maximalen Saisonläufe auf 25 Rennen wird das Wochenendformat geändert. Bislang dauert ein Rennwochenende inklusive Medientag vier Tage, ab 2021 sind es nur noch drei Tage. Von Qualifikationsrennen ist vorerst nicht die Rede.
Überblick: Neuerungen zur Formel 1 Saison 2021
- Einführung der Budgetobergrenze von 175 Millionen US-Dollar + Ausnahmen
- Größere Reifen: 18 Zoll statt 13 Zoll
- Neue Aerodynamik: Ground-Effect soll für weniger Dirty Air sorgen
- Autos werden schwerer: Mindestgewicht steigt von 743 auf 768 Kilogramm
- Performance wie etwa 2016: Weniger Aerodynamik + Gewicht kosten 3,5 Sekunden
- Motoren bleiben fast identisch
- Sicherheitsniveau weiter angehoben
- Standardisierte Komponenten und Open Source Teile sollen Kosten senken
- Getriebeentwicklung wird eingefroren
- Fahrwerk stark vereinfacht
- Maximal 25 Rennen pro Saison
- Wochenendformat wird angepasst: 3 statt 4 Tage
- Technische Abnahme bindend: Keine neuen Teile über das Wochenende
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