Für viele war es der Aufreger des Japan GP 2019: Sebastian Vettel machte am Start einen kleinen Satz nach vorne, als die Ampellichter noch auf Rot standen. Bevor die Lichter ausgingen bremste Vettel noch einmal und kam zum Stillstand, ehe er beim offiziellen Start wieder losfuhr.

Für viele war klar: Das muss eine Strafe wegen Frühstarts geben. Tatsächlich ermittelten die Stewards, gaben aber schnell bekannt: Keine weitere Maßnahme nötig. Viele rieben sich verwunder die Augen, konnten nicht glauben, dass Vettel ohne Strafe davongekommen war.

Auch Max Verstappen beschwerte sich nach dem Rennen: "Er bewegt sich am Start, dann stoppt er. Ich verstehe wirklich nicht, was da heute mit den Regeln passiert ist." Noch vor zwei Wochen erhielt Kimi Räikkönen beim Russland GP für exakt dasselbe Vergehen eine Durchfahrtsstrafe.

Sebastian Vettel: Habe Momentum am Start verloren

Einen Vorteil hatte Vettel durch das Anfahren nicht. Der Pole-Setter verlor Platz eins schon auf den ersten Metern. "Es war mein Fehler", gestand Vettel sofort und erklärte: "Die Ampel blieb ziemlich lange rot. Ich habe anschließend das Momentum verloren." Also blieb Vettel straffrei, weil er keinen Vorteil hatte? Nein.

Warum aber war bei Vettel keine weitere Maßnahme nötig? Ganz korrekt hätte es heißen müssen: Keine weitere Maßnahme möglich. Denn den Stewards sind bei dieser Frage die Hände gebunden.

Artikel 36.13 a) des Sportlichen Reglements der Formel 1 sagt ganz klar: Eine Strafe kann es nur geben, wenn "es eine Bewegung vor dem Startsignal gab. Die Beurteilung darüber obliegt einem von der FIA zugelassenen und bereitgestellten Transponder, der an jedem Auto angebracht werden muss."

Der Zusatz b) des entsprechen Artikels würde eine Strafe erlauben, wenn der Fahrer das Auto falsch in der Startbox positionierte, sodass der Sensor nicht einwandfrei funktionieren konnte. Das war bei Vettel offenbar nicht der Fall, der viermalige Formel-1-Weltmeister stand richtig in seiner Startposition.

Obwohl die Stewards in ihrer Entscheidung schreiben, dass auf dem Video zweifelsfrei eine Bewegung zu erkennen ist, waren ihnen die Hände gebunden. Über eine Strafe entscheidet einzig und allein die Tatsache, ob der Sensor ausschlägt oder nicht.

Doch warum schlug der Sensor nicht aus? Es ist wohl eine Summe verschiedener Gründe. Faktor Nummer eins ist eine kleine Toleranz der FIA. Weil die Piloten in der Startbox oftmals noch Änderungen an der Kupplungseinstellung vornehmen, bewegen sich die Autos dabei noch minimal. Um zu verhindern, dass die Sensoren in diesem Fall auslösen, erlaubt die FIA eine kleine Toleranz.

Die Zeitnahme-Sensoren sind in den Asphalt eingelassen

Der zweite Faktor ist die Technik. Das Frühstart-Erkennungssystem des Zeitnehmers - nicht der FIA - funktioniert über batteriebetriebene Sensoren in einem zylindrischen Loch in der Startbox. Dieser Sensor korrespondiert mit dem FIA-Transponder, der an allen Autos angebracht ist. Der Transponder befindet sich an der Unterseite der Nase und sendet ein kegelförmiges Signal.

In solchen Löchern stecken die Sensoren, Foto: Motorsport-Magazin.com
In solchen Löchern stecken die Sensoren, Foto: Motorsport-Magazin.com

Der Sensor im Boden registriert die Signalstärke, die vom Transponder des Fahrzeugs ausgeht. Dadurch kann er nicht nur messen, ob sich das Auto bewegt, sondern auch, wie schnell es sich bewegt und wo es genau steht. Allerdings ist diese Technik mit einer Toleranz versehen. Bei Bewegungen in der Größenordnung der Höhe einer Getränkedose kann es vorkommen, dass sie nicht wahrgenommen werden.

Dazu kommt, dass das Reglement in der Formel 1 anders als beispielsweise in der Leichtathletik ist. Beim 100-Meter-Sprint gilt ein Start als Frühstart, wenn die Bewegung weniger als 100 Millisekunden, also 0,1 Sekunden, nach dem offiziellen Startsignal erfolgte. Reaktionen unter dieser Marke gelten als menschlich nicht möglich und beruhen deshalb auf Spekulation. Genau diese Regel gibt es in der Formel 1 nicht. Hier gibt es sogar eine Messtoleranz von 10 Millisekunden in die andere Richtung.

Kurios: 2017 beschwerte sich ausgerechnet Sebastian Vettel noch über diese Regel, als Valtteri Bottas beim Österreich GP offensichtlich zu früh losfuhr, aber ebenfalls nicht dafür bestraft wurde.