Abgesagt wird nicht. Trotz des tödlichen Unfalles von Anthoine Hubert im Formel-2-Rennen am Samstag vor dem Belgien-GP stand die Formel 1 am Sonntag wieder in der Startaufstellung. In der Geschichte des Motorsports ist das nichts Neues - doch für die moderne Formel 1 auch nicht einfach. Denn sie kennt den Tod an der Rennstrecke kaum noch.

Für die Fahrer war Spa genauso ein Schock. Und auch in Monza, keine Woche nach danach, ist die Erinnerung noch frisch. Viele - Daniel Ricciardo, Lando Norris, Carlos Sainz, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Charles Leclerc - lassen das schwarze Wochenende von Spa noch einmal Revue passieren, und versuchen erste Schlüsse aus den Ereignissen zu ziehen.

Der Schock sitzt tief: Zwischen Absagen und unbedingt fahren

Daniel Ricciardo äußerte sich am Sonntag nach dem Rennen am Deutlichsten zu einem möglichen Rückzug. So nah wie er schien daran niemand zu sein: "Am Samstagabend fragte ich mich, was moralisch richtig war." Am Ende fuhr er. "Sobald ich draußen war, durch Eau Rouge fuhr, dann fühlte es sich okay an. Es war Trauer, keine Angst. Wenn es Angst wäre, würde ich nicht fahren."

Andere kamen schnell zum Schluss, dass der einzige logische Weg der in die Startaufstellung war. "Als ich am Sonntagmorgen aufwachte, ging ich schnell laufen, und dabei fühlte ich sofort, dass ich fahren wollte", sagt Carlos Sainz. "Und ich fühlte, dass jeder fahren sollte. F2 war natürlich anders, aber in der Formel 1 dachte ich, dass wir alle fahren sollten. Das wäre wohl das beste Gegenmittel."

"Aber es war immer im Hinterkopf, den ganzen Tag, selbst als ich fuhr", sagt Lando Norris. Er beschreibt, wie er von Vorbereitung bis Rennende immer wieder darauf zurückkam. "Besonders zur Rennmitte, als ich allein war und gegen niemanden fuhr, da saß ich einfach da. Du hast mehr Zeit darüber nachzudenken, dann kam es mir wieder in den Sinn."

Die Formel 1 zollte vor dem Start in Spa Tribut, Foto: LAT Images
Die Formel 1 zollte vor dem Start in Spa Tribut, Foto: LAT Images

Die direkten Auswirkungen sind in Monza Vergangenheit. "Am Sonntagabend habe ich mit ein paar Fahrern auf dem Rückweg gesprochen, das war gut. Und ich war ein paar Tage zuhause, um darüber nachzudenken", sagt Ricciardo, während Norris meint: "Jetzt ist alles wieder so, wie es sein sollte."

Spa erinnert die Formel 1 an Gefahr - besser sicher und langweilig

Jetzt geht es daran, das Geschehene aufzurollen. "Ich glaube, wir hatten alle unsere Momente am Samstag, am Sonntag auf dem Weg zur Strecke", meint Sebastian Vettel. "Bis zu einem gewissen Grad ist Motorsport gefährlich, das ist Teil des Reizes. Aber die letzten Jahre waren ein Weckruf. Mit Jules ... die Leute sagen, es sei zu sicher, langweilig. Aber wir müssen uns verbessern, daran arbeiten. Keine Frage."

"Wenn Zeit verstreicht und nichts passiert, beginnst du zu denken, es sei sicher", sagt Ricciardo zu Motorsport-Magazin.com. "Ziehe die Wände enger an die Strecke, mach es etwas härter für die Fahrer." Aber: "Die Gefahr ist noch immer da", erinnert Lewis Hamilton. "Ich glaube, das muss erwähnt werden, und darf nicht vergessen werden. Wir alle müssen daran denken, sogar die Ingenieure mit denen ich arbeite, oder irgendwer. Du musst einfach daran denken."

"Alles bei diesem Tempo ist gefährlich", erkennt Charles Leclerc. "Andererseits setze ich mich jedes Mal mit der gleichen Mentalität ins Auto. Wir alle machen das, denke ich. Was am Samstag passiert ist, war ein Schock, besonders für die neue Generation. Eigentlich für alle, auch für Seb. Für diese ganze Generation ist es ein viel sicherer Sport."

Formel 1 2019: Unvernunft durch Sicherheit?

Manche bringen nach Spa das Alter ins Spiel. Dass die jüngste Generation der Formel 1 aufgrund der vermeintlichen Sicherheit größere, viel größere Risiken eingehen würde. Die jüngere Generation verbittet sich das. "Ich glaube nicht, dass das Alter eine Entschuldigung ist, dass wir mehr oder weniger furchtlos sind", glaubt Lando Norris.

"Ich wusste immer um das Risiko, aber natürlich ist es ein Schock, wenn es passiert", sagt Leclerc. Norris erklärt: "Alles wird sicherer, manchmal gehst du größere Risiken ein." Standard im Rennfahren. Kein Verhalten ausgelöst von Simracing oder anderen Gründen. "Ich weiß nicht, was am letzten Wochenende passiert ist, und will nicht darüber reden. Aber ich bin sicher, es lag nicht daran, dass jemand etwas Dummes tat oder riskierte."

Das Warten auf die Untersuchung: Neue Perspektive für die Formel 1

Aber was genau passiert ist, das soll eine Untersuchung der FIA klären. Die lief am Samstagabend in Spa an. "Jetzt Schlussfolgerungen zu ziehen ist nicht richtig", legt sich Sebastian Vettel fest. Er ist aber offen: "Ich bin ein Fan davon, in Spa zu fahren. Eine großartige Strecke, großartige Geschichte, einzigartige Kurven. Aber wir müssen es uns genau ansehen, bevor wir etwas entscheiden."

"Nach so einem Unfall ist es immer schwierig, nicht wieder die Sicherheit ins Spiel zu bringen", sagt Daniel Ricciardo. "Strecken-Sicherheit ist sehr gut momentan, Fahrzeug-Sicherheit hat sich verbessert, aber wenn wir 200 km/h fahren, ist noch immer Raum für gefährliche Situationen."

Erstes Thema auf der Liste: Auslaufzonen. Die bei Unfällen helfen und gleichzeitig dem Fahrer klar machen, dass sie nicht in jeder Runde als Abkürzung befahren werden soll. "Zuerst einmal brauchen wir eine sichere Auslaufzone. Dann können wir nach einem Weg suchen, der den Fahrer bestraft", sagt Carlos Sainz. "Aber was Anthoines Unfall gezeigt hat: Sicherheit muss immer vorgehen."