Am 4. März 2001 erblickte Kimi-Matias Räikkönen das Licht der Formel-1-Welt. Mit nur 23 Formelrennen Erfahrung und unter Superlizenz auf Bewährung startete der damals 21-jährige Rookie zum ersten Mal in der Königsklasse des Motorsports. Für Sauber.
Teamchef Peter Sauber hatte der junge Finne sofort bei einem Vorjahrestest in Mugello überzeugt, genauso beeindruckt zeigte sich ein gewisser Michael Schumacher. Der damalige FIA-Präsident und Zweifler Max Mosley (die Superlizenz ...) sollte sich dem nach nur wenigen Starts letztlich auch anschließen.
Kimi Räikkönen: Von Sauber bis Sauber
Nicht weniger, sondern unfassbar viele Starts später fährt Räikkönen wieder für Sauber. Genauer gesagt Alfa Romeo Racing, wie das Team aus Hinwil seit der Saison 2019 heißt. Doch in Alfa steckt weiter Sauber. Und eben dieser Räikkönen, inzwischen - seit McLaren-Tagen - Iceman statt Eiskimo, wie ihn anfangs noch Peter Sauber taufte. Nur eben wieder nicht weiter.
Über Karrierestationen bei McLaren (2002-2006), Ferrari (2007-2009), zwei Jahre F1-Pause (2010/11), Lotus (2012/13) und schließlich wieder Ferrari (2014-2018) ist Räikkönen im zarten Alter von 39 Jahren zurückgekehrt. Ausgerechnet dort, wo alles anfing, bestreitet der Finne dieses Wochenende, beim Monaco GP 2019, nun seinen 300. Grand Prix in der Formel 1.
300 GP, aber zwei Rennstarts weniger
Wobei 300. Grand Prix strenggenommen nicht 300. Start bedeutet. Wirklich Rennen gestartet hat Räikkönen zwei weniger. 2005 kostete ihn die Michelin-Farce von Indianapolis einen, 2017 ein Defekt an seinem Ferrari noch in der Startaufstellung zum Malaysia GP 2017 den anderen. Räikkönen selbst dürfte diese Feinheit jedoch kaum interessieren.
Den Finnen interessiert nicht einmal der Rekord, der ihn nach der 300 bald erwartet. Erfüllt er seinen bis Ende 2020 laufenden Alfa-Vertrag würde er Rekordhalter Rubens Barrichello (326) überholen. Ein Ziel, ein großer Unterschied? "Nein, absolut nicht", winkt Räikkönen in Monaco ab. Lachend. Der Finne weiß genau, wie gerne die Medien mit Zahlen und Rekorden jonglieren.
Kimi: 300 GP, 300 Mal die gleichen Fragen ...
Doch wissen auch die, wie Räikkönen tickt. Kein Wunder nach derart vielen Grands Prix und damit Medienrunden, Interviews. "Immer die gleichen Fragen!", feixt der Finne somit auch auf eine Frage von Motorsport-Magazin.com über jetzt 300 Wochenenden, an denen Räikkönen sich auch den heiß geliebten Fragen stellen muss. In irgendeiner Form anders fühle es sich jedenfalls mal gar nicht an, nur weil da plötzlich die 300 steht.
"Es ist nicht anders als vergangene Woche oder wie es beim nächsten Rennen sein wird. Am Ende ist es einfach eine Zahl", winkt Räikkönen ab. "Klar, es fühlt sich schon anders an als das erste Rennen. Aber danach ändert sich irgendwann nicht mehr wirklich viel, wenn du erst einmal eine gewisse Weile dagewesen bist", schildert uns Räikkönen in Monte Carlo. In einer Medienrunde, in der sich Kimi pünktlich zum Jubiläum in bester Kimi-Antworten-Form gibt. Soll heißen: furztrocken, aber inzwischen ganz sicher nicht unfreiwillig komisch.
Besonders Gefühl? Kimi: Alles Copy & Paste
"Es ist mehr oder weniger derselbe Ablauf von Jahr zu Jahr. Ein paar Orte ändern sich natürlich, [...] aber was an der Strecke passiert, ist mehr oder weniger das ganze Jahr und die ganze Jahre über Copy & Paste", sagt Räikkönen etwa. Die Formel 1. Die Königsklasse. Der feuchte Traum aller Rennfahrer. Copy & Paste eben.
Und wie war das noch gleich mit dem Barrichello-Rekord? Kimi: "Ich bin nicht hier, um der Fahrer zu werden, der die meisten Grands Prix hat. Das bereitet mir absolut null Vergnügen. Es ist nur eine Zahl." Doch wie verträgt sich das mit den Absichten seines Teams? Alfa Romeo widmete dem Iceman etwa schon im Vorschau-PR eine kuriose Anlehnung an den Steifen '300' samt genialer Fotomontage (s.o.).
Räikkönen will Alfa von Feier abhalten
Räikkönen gefällts. Nicht. "Ich habe dem Team schon vor einer ganzen Weile gesagt, dass ich hier wirklich nichts anderes will als bei jedem anderen Rennen. Aber die Leute wollen eben was raus machen. Aber es ist nur eine Zahl, kein Unterschied", winkt er ab. Also gut. Neuer Versuch. Ob der in der Formel 1 bei Jubiläen aller Art obligatorische Kuchen daher ausfallen müsse? Kimi: "Ich versuche, sie zu zwingen, alles abzusagen. Aber da hatte ich bisher keinen großen Erfolg ..." Meint wohl die Presseaussendung.
Oder den weltbekannten Maulwurf, der sich in Monaco in der Alfa-Garage rumtreibt. Aber gut, Promis, die keiner eingeladen hat, gibt es in Monaco ja immer viele. Kein Scherz: Tatsächlich ist 'Little Mole' jetzt neuer Partner des Teams. So will Alfa neues Publikum erschließen. "So können wir hunderttausende Kinder auf uns aufmerksam machen und unserem Sport näher bringen", sagt Teamchef Frederic Vasseur.
Räikkönen und Monaco - keine Lovestory
Aber zurück zu Kimi. Gutes Stichwort überhaupt: Monaco. Das Saisonhighlight der Formel 1. Perfektes Setting also für Kimi Jubiläum. Nein. Nicht mal das taugt dem Iceman. Seine Monaco-Antipathie ist ohnehin schon fast so legendär wie sein einstiger Gorilla-Absturz an selber Stelle.
Doch muss dieser auch 2019 noch einmal gefrönt werden. Drinks statt Kuchen also zumindest für Kimi? Geht schon allein aus einem Grund nicht: "No drinking when driving!", winkt Räikkönen, inzwischen auch Vater einer Tochter und eines Sohns erst pflichtbewusst ab. Nur, um dann die Location abermals zu zerpflücken. "Für uns Fahrer - oder für mich - ist Monaco ... ich mag es überhaupt nicht!"
"Für die Mechaniker ist es sogar noch schlimmer. Mit dem neuen Paddock ist es etwas besser geworden, aber noch immer kein toller Ort zum Arbeiten. Toll, herzukommen und es anzuschauen wenn man all das mag. Aber ich denke, je schneller das Wochenende vorbei ist, desto besser!"
Damit ist der Finne aber noch lange nicht fertig mit bestem Räikkönen-Repertoire. Schließlich gibt es nicht nur sein Jubiläum, sondern auch ein Rennwochenende. Und da gibt es natürlich kein wichtigeres Thema als den 2019 stellenweise neuen Asphalt in Monte Carlo. Da kann man schon einmal ein Fass auf machen.
Die Sache mit dem Asphalt ...
Wie Kimi die Sache sieht? Nun: "Sehen wir dann schon. Mancher Asphalt ist gut, hat mehr Grip als anderer. Anderer hat weniger. Es kommt auch darauf an, wer ihn produziert. Unterschiedliche Länder produzieren auch unterschiedlichen Asphalt."
Aber genug davon. Zurück zu seiner Karriere. Seit seinem Sieg in Austin 2018 ist Räikkönen der einzige Fahrer überhaupt, der sowohl in V10, V8 als auch V6-Hybrid-Ära gewinnen konnte. Wie er die dabei verstrichene Zeit, die Veränderungen in der Formel 1 sieht? Nicht spektakulär. "Klar hat es sich verändert. Das ganze Leben verändert sich ja. Das ist doch eine ganz normale Entwicklung." Ob mehr positiv oder negativ könne er sowieso nicht ändern. Und darauf sein Lieblingssatz: "Es ist wie es ist."
Räikkönen einziger Sieger auf V10, V8 und V6: Alles gleich
Welche Ära oder welches Auto Räikkönen am meisten gefallen haben? "Weiß ich nicht", winkt er auch darauf ab. "Es gab ja ein paar Jahre mit Regeländerungen. Die haben etwas geändert. Aber nicht das Fahren selbst. Auch das Racing war immer mehr oder weniger dasselbe. Auf ein paar Strecken ist es einfacher zu überholen als auf anderen. Seit ich angefangen habe, haben sich die Regeln geändert, es gibt DRS und so, aber die Strecken, auf denen das Überholen leichter ist, sind noch immer dieselben."
Einzig der Anfang der Hybrid-Ära sei einmal ein gröberer Unterschied gewesen. "Weil wir da noch nicht sofort auf dem Level waren wie jetzt. Es war sehr kompliziert und deshalb etwas kniffliger, weil noch nicht alles funktionierte, wie es sollte. Aber wenn du es jetzt ansiehst, kannst du wieder genauso fahren wie mit V10. Da ist kein Unterschied. Außer der Sound, der anders ist", sagt Räikkönen.
Die Weisheiten des Kimi Räikkönen
Wirklichen Einfluss darauf, welche Zeiten gut, welche schlechte gewesen sind, hat für Räikkönen nur eines: der Erfolg. Und Kimi weiß ganz genau: "Ich denke, es macht mehr Spaß, wenn es gut läuft. Wenn es nicht so gut läuft, macht es natürlich weniger Spaß." Wieder so ein hochphilosophischer Satz, mit dem eigentlich niemand etwas anzufangen weiß.
Doch kommen solche Sätze von Räikkönen inzwischen derart hochfrequentiert, dass es nur noch Absicht sein kann. Früher, in seinen ersten Jahren auf dem Weg zum 100. GP, waren es noch die Nicht- oder Ein-Wort-Antworten, die dem Finnen maximal zu entlocken waren. Inzwischen reagiert er auf die immer gleichen Fragen eben anders. Mit immer gleichen Antworten. Das ist nämlich auch keine Antwort und damit Kimis Antwort auf die ungeliebte Pflicht abseits des Cockpits.
Dabei kommt es Räikkönen selbst nicht einmal vor wie Hamsterrad. Trotz Copy, Paste und Konsorten. "Es fühlt sich gar nicht so lang an", sagt Räikkönen über 18 Jahre Formel 1 mit Pause. "Ohne die wäre ich jetzt vielleicht gar nicht mehr hier", ergänzt er. Den Break brauchte der Finne damals, hatte das ganze Drumherum einfach satt. "Aber wenn ich dann mal irgendwann aufhöre und zurückschaue, dann macht es vielleicht mehr Sinn und fühlt sich anders an."
Wann das passiert? "Keine Ahnung", sagt Räikkönen. "Ich habe ja noch für nächstes Jahr Vertrag. Danach schauen wir, wie die Dinge sich entwickeln und ob ich noch Interesse habe." Beim Iceman jedenfalls überrascht einfach nichts mehr. Schon seine Rückkehr nach Hinwil hatte so niemand wirklich erwartet.
Räikkönen über die Zukunft: Nach 2020 noch weiter Formel 1?
Vor allem geht es ihm jedoch darum, noch Leistung zu bringen. Das betonte der Finne immer. Solange er sich konkurrenzfähig fühle, müsse er nicht aufhören. "Ich bin natürlich hier, um meinen Job gut zu machen", betont Räikkönen, so egal ihm auch vieles scheinen mag, vor seinem Jubiläumswochenende in Monaco. Der Sport, der Erfolg, der Wettbewerb sind ihm nämlich nicht egal: "Und ich bin sicher, dass alles Teams glücklicher sind, wenn sie gut abschneiden, als wenn sie es nicht tun." Wer hätte das gedacht?
Doch selbst über dem steht für Räikkönen noch etwas. Etwas, das einem dieser Tage, der Tage der Trauer um Niki Lauda, besonders vor Augen geführt wird. "Selbst wenn du es nicht gut machst - dann ist es nicht, was du willst, aber auch nicht das Ende des Lebens. Am Ende ist es nur Racing und ein Ergebnis von vielen. Es gibt am Ende viel wichtigere Dinge im Leben."
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