Vor Beginn der Formel-1-Saison 2019 herrschte bei Ferrari noch Aufbruchstimmung. Nach der WM-Niederlage gegen Mercedes im Vorjahr übernahm Mattia Binotto als Technikdirektor und Teamchef in Maranello das Ruder. Die Testfahrten verliefen vielversprechend, doch nach sechs Rennen befindet sich die Scuderia mit Sebastian Vettel und Charles Leclerc im WM-Kampf erneut in einer Sackgasse. In Monaco machten nun sogar Gerüchte über eine Rückkehr von Ex-Chefdesigner Simone Resta die Runde.
Der Italiener war im Frühjahr 2018 nach 17 Jahren bei Ferrari zu Alfa Romeo Sauber transferiert worden, wo er seitdem die Rolle des Technikdirektors bekleidet. Das Schweizer Team legte seitdem einen rasanten Aufwärtstrend vom Ende des Feldes hin und ist 2019 als Alfa Romeo Racing im Mittelfeld wieder eine fest etablierte Größe. Doch was ist dran an einem Comeback Restas?
"Ja, ich habe die Gerüchte gehört", bezieht Binotto im Rahmen des Monaco-Wochenendes Stellung zu den Spekulationen. "Als Team versuchen wir natürlich immer uns selbst zu verbessern, indem wir schauen, wo uns Stärken fehlen, ganz ohne Zweifel. Simone war in der Vergangenheit bei Ferrari. Dann ist er als Technikdirektor zu Alfa Romeo gegangen, und das ist für ihn eine großartige Erfahrung", erklärt er.
Ferrari plant mit Rückkehr von Simone Resta
Eine Erfahrung, die in Zukunft Ferrari zugute kommen könnte? Fast könnte man aus Binottos Aussage heraushören, dass Resta bei Alfa Romeo eine Art Weiterbildung durchläuft, um dann mit einem noch kompletteren Skill-Set zurückzukehren. Und tatsächlich scheint dies im weitesten Sinne der Plan zu sein.
"Wir evaluieren, ob er an einem bestimmten Punkt zurückkommen wird", so Binotto, der den Spekulationen um eine kurzfristige Rückkehr Restas aber eine Absage erteilt. "Es ist nichts, was wir schon entschieden hätten", stellt er klar. Der Teamchef will nach fünf nicht planmäßig verlaufenen Wochenenden noch keine große Personalrochade lostreten.
"Wir haben seine Rolle in Maranello momentan abgedeckt", beteuert er, dass Restas Position adäquat besetzt ist. Übernommen wurde diese im Mai 2018 von Fabio Montecchi. Der Ingenieur gehört seit 2003 zur Scuderia und wurde intern befördert. "Es ist also keine Situation, in der jemand besetzt werden muss."
Der Teamchef will der über die vergangenen zwölf Monaten umstrukturierten Truppe noch etwas mehr Zeit geben, zusammenzuwachsen. "Wir sind ein junges Team. Nicht, dass ich selbst jung wäre oder wir jung aussehen. Aber wir sind jung im Sinne davon, dass einige von uns erst kürzlich in neue Rollen geschlüpft sind", sagt er. Binotto übernahm erst vor wenigen Monaten die Teamführung von Maurizio Arrivabene.
Ferrari-Teamchef und Technikdirektor? Binotto widerspricht Doppelrolle
Seitdem lief es für Ferrari nicht unbedingt besser als unter seinem Vorgänger. Ist Binotto mit seiner Funktion als Technikchef und Teamchef überfordert? "Meine Doppelrolle, vielleicht sollte ich das einmal klarstellen - ich habe keine Doppelrolle", erklärt er, dass es in Bezug auf seine Person keinen Interessenkonflikt durch unterschiedliche Aufgabenbereiche gibt.
"Ich habe nur eine Rolle, und das ist die des Teamchefs der Scuderia Ferrari Mission Winnow. Meine Rolle besteht darin, die gesamte Scuderia zu managen, und wie sie sich im Vergleich zu vorher verändert hat. Als Technikdirektor war ich sicherlich auch nicht der klassische Technikdirektor, wie man ihn in der Formel 1 vorfindet."
"Ferrari hat das gesamte Team unter einem Dach. Power Unit und Chassis werden zusammen entwickelt, und ich war der technische Direktor beider Seiten. Das heißt, du kannst kein Spezialist für den Motor, das Energierückgewinnungssystem, die Batterie, die Aerodynamik oder das Chassis sein."
Binotto schon lange in Manager-Funktion
Binotto fühlt sich seit langer Zeit in der Rolle eines Strippenziehers: "Das bedeutet, dass schon der Technische Direktor in der Manager-Rolle war, was die Art und Weise anging, wie wir diesen bei Ferrari einsetzen." Seine Beförderung zum Teamchef bedeutete also weniger einen zweiten Job, sondern eine Erweiterung seiner bisherigen Aufgaben.
"Seit ich Teamchef bin, haben wir intern ein wenig umorganisiert, denn ich muss untersützt werden, besonders auf der technischen Seite. Und es stimmt, dass wir zuhause in der Fabrik und auch an der Rennstrecke ein paar Leute haben, die helfen und unterstützen, das gesamte Team zu managen. Es ist also nicht mehr dasselbe Team. Die Namen dieser Leute wurden nur nie erwähnt, weil das Team wichtiger als das Individuum ist."
Einen Teil seines Jobs hat in dieser Saison ein ehemaliger FIA-Mann übernommen. "Laurent Meckies war letztes Jahr noch nicht hier, jetzt ist er hier an der Rennstrecke und er unterstützt mich dabei, die Aktivitäten vor Ort zu managen. Das habe ich letztes Jahr von der technischen Seite noch selbst gemacht, aber diese Saison mache ich es nicht mehr wirklich."
Binotto sieht viele Vorteil in Ferraris aktueller Besetzung
Binotto ist fest davon überzeugt, dass Kontinuität in der aktuellen Besetzung trotzt der enttäuschenden Performance langfristig der richtige Weg sein wird. "Es hat zweifelsohne Vorteile, denn es bedeutet frische Ideen und vielleicht etwas mehr Kreativität, mehr Dynamik in den Denkprozessen und der Entwicklung", hebt er die positiven Aspekte der Umstrukturierungen hervor.
Dass all dies nicht sofort Früchte trägt, im Kampf gegen ein über viele Jahre hinweg eingespieltes Team wie Mercedes, sei der Natur der Sache geschuldet: "Es bedeutet natürlich auch, dass wir das Unternehmen selbst verstehen müssen, mehr Erfahrung in unseren Rollen sammeln und sicherstellen müssen, dass wir als Team insgesamt wachsen."
Was eine kurzfristige Lösung der Probleme angeht, übt sich Binotto in Durchhalteparolen. "Das Ziel ist immer noch dasselbe: Wir schauen von Rennen zu Rennen und versuchen uns zu optimieren, versuchen das Auto zu entwickeln um zu zeigen, dass wir das Potential haben ein Auto zu entwickeln und seine technischen Konzepte zu verstehen. Als Team müssen wir zeigen, dass wir uns selbst immer noch verbessern."
Dass in wenigen Monaten jeder bei der Scuderia noch auf seinem Stuhl sitzen wird, kann er trotz allem nicht bestätigen. Allerdings habe das nichts mit der aktuellen Lage im Team zu tun. "Es stimmt, dass wir darüber nachdenken, so wie wir immer darüber nachdenken, dass andere Leute vielleicht dazustoßen könnten und andere gehen", so Binotto. "Aber weil ein Unternehmen immer in Bewegung ist, und das ist normal."
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