Daniil Kvyats Formel-1-Karriere schien nach der Saison 2017 beendet. Seit der Degradierung bei Red Bull zugunsten Max Verstappens lief der Russe seiner Form hinterher, wurde schlussendlich vor die Tür gesetzt. Nach einem Jahr der Selbstfindung ist er bei Toro Rosso wieder zurück im Renncockpit. Kvyat hat an sich gearbeitet. Seine Vergangenheit soll ihm bei der letzten Chance in der Formel 1 nicht im Weg stehen.

"Ich fühle positiven Druck", sagt der 24-Jährige im Interview mit der spanischen Sportzeitschrift Mundo Deportivo. Vor zwölf Monaten stand er vor dem Scherbenhaufen, der einst eine vielversprechende Karriere war. Jetzt ist er zurück im Haifischbecken, doch der gebrochene Kvyat scheint Vergangenheit. Der Druck in der Weltelite des Motorsports soll ihm nichts mehr anhaben.

"Du musst immer einen gewissen Druck spüren, ansonsten wärst du kein Mensch" meint Kvyat. "Es ist auch wichtig, ihn zu haben. Aber ich fühle eine sehr positive Atmosphäre um mich herum, innerhalb des Teams. Alle arbeiten sehr gut und das veranlasst mich dazu, optimistisch zu sein und mit guten Gefühlen in die Zukunft zu blicken." Gute Gefühle bei Toro Rosso, das sah vor anderthalb Jahren noch ganz anders aus.

Ferrari brachte Kvyat 2018 wieder auf Kurs

Nach dem Abstieg in Red Bulls Schwesterteam hatte Kvyat sein Mojo verloren. Die Folge war die Trennung von seinen langjährigen Förderern. Dr. Helmut Marko bezeichnete ihn nach seinem letzten Einsatz 2017 in Austin als freien Mann. Für 2018 fand Kvyat bei Ferrari eine neue Aufgabe. Als Simulatorfahrer unterstützte er zusammen mit Ferrari-Junior Antonio Giovinazzi das Team rund um Sebastian Vettel beim WM-Kampf gegen Mercedes.

"Es war ein sehr, sehr positives Jahr. Es war gut, in einem etwas anderen Umfeld wie Ferrari zu arbeiten", sagt Kvyat über seinen Tapetenwechsel. In der Formel 1 kannte der langjährige Red-Bull-Athlet nur die Hallen Toro Rossos und Red Bulls. Nach dem Aus beim Top-Team der Österreicher schien Kvyat gebrochen, konnte bei Toro Rosso nicht mehr an die Leistungen anknüpfen, die er in seiner Debütsaison beim Juniorteam gezeigt hatte.

"Sie [Ferrari] waren sehr gut zu mir und ich habe es wirklich genossen, Teil ihres Teams zu sein. Ich habe dort viele gute Leute kennengelernt", so Kvyat, der in Maranello die dunkle Wolke loswurde, die ihn bei Toro Rosso hemmte, sein volles Potential abzurufen: "An einem Punkt war ich so heiß und so versessen darauf, in die Formel 1 zurückzukehren."

Kvyat nahm sein Schicksal selbst in die Hand und brachte sich bei Dr. Marko wieder ins Spiel, als bei Toro Rosso für 2019 die Fahrerfrage völlig offen war. "Es erschien mir sehr schwierig, wieder zurückzukommen, aber dann ergab sich die Möglichkeit", so Kvyat, der Ende September seine Rückkehr zu Toro Rosso klarmachte.

Kvyats harter Weg zurück: Hatte ein paar richtig schlechte Tage

Das Jahr 2018 begann für ihn zunächst steinig. Desillusioniert vom Formel-1-Aus, musste er mental wieder zurück auf die Beine kommen: "Ich hatte ein paar richtig schlechte Tag. Aber das waren nur ein paar, denn ansonsten war es ein sehr gutes Jahr. Manchmal ist es gut, einige Höhen und Tiefen durchzumachen, und dieses Jahr hat mir geholfen hungrig zu werden."

Die Abwärtsspirale, die seine erste F1-Karriere beendete, ist vergessen. Gelassener, stärker und reifer gab sich Kvyat bei den Testfahrten in Barcelona gegenüber den Medien. "Diese Momente sind Teil einer Sportlerkarriere", sagt er. "Jetzt ist es Vergangenheit. Ich habe es hinter mir gelassen und fokussiere mich auf die Zukunft."

Kvyat hat hart an sich gearbeitet, um sich wieder in das Mindset zu bringen, mit dem er 2014 als Rookie die Red-Bull-Bosse beeindruckte: "Ich habe mich meinem Trainer und Coach anvertraut, der mir mental so sehr geholfen hat. Ich habe ein tolles Team um mich herum und ich bin sehr glücklich, denn diese großartigen Menschen haben mir geholfen, die Vergangenheit gut zu bewältigen", erklärt der Mann aus Ufa.

Diskussion: Neu: Punkte für die schnellste Rennrunde!? (12:21 Min.)

Kvyat will Leistung sprechen lassen

"Ich denke, kleine Dinge können einen großen Unterschied machen. Es ist wichtig, immer Schritt für Schritt zu nehmen und zu sehen, wo du dich als Fahrer und Mensch verbessern kannst." Von einem neuen Daniil Kvyat will er deshalb aber nicht sprechen: "Wir sollten nicht solche starken Worte sagen. Sagen wir einfach, dass sich die Dinge geändert haben."

Zu viel um den heißen Brei reden will der 72-fache Grand-Prix-Teilnehmer nicht. "Ich möchte nicht sagen, was genau es war. Ich will nicht alles verraten, sondern es auf der Rennstrecke zeigen", stellt er klar. Entscheidend ist für ihn, dass er sich auf der Rennstrecke rehabilitiert und das Ansehen zurückerlangt, das ihm 2015 an der Seite Daniel Ricciardos zuteil wurde, als er den Australier bei Red Bull teamintern hinter sich ließ.

Kvyat zum Erfolg verdammt: Bin kein Weltmeister

Den Daniil Kvyat der Saison 2015 wird er brauchen, wenn er seiner Formel-1-Karriere 2019 neues Leben einhauchen will. Denn am knallharten Leistungsprinzip innerhalb Red Bulls hat sich nichts geändert. "Die F1 ist so. Du musst immer gut sein", gibt sich Kvyat keinerlei Illusionen hin. Gerade in seiner Situation gibt es keinen Platz für Schwäche.

"Wenn du ein Weltmeister bist, wird dir ein Moment der Schwäche verziehen. Aber wenn du im Mittelfeld fährst, musst du immer auf deinem höchsten Level sein. Du kannst es dir nicht leisten, drei oder vier Rennen nicht abzuliefern."