Für Toro Rosso beginnt 2019 ein neues Zeitalter. Als Red Bull 2006 ein Jahr nach der Übernahme von Jaguar auch noch Minardi zum B-Team machte, wollten die Österreicher Synergien nutzen. Das funktionierte irgendwann so gut, dass Toro Rosso mit dem richtigen Fahrer - namentlich Sebastian Vettel - sogar einen Sieg einfuhr. Zu gut für Kritiker des Systems. Die Regelhüter zogen die Daumenschrauben an und entwarfen die 'Listed Parts'.
Das sind jene Teile, die ein Team selbst entwickeln und herstellen muss, um als Konstrukteur zu gelten. Man wollte die Formel 1 nicht zu einer Kundenteam-Meisterschaft verkommen lassen. Dann allerdings wurden die Listed Parts wieder gelockert - und mit Haas nutzte das ein Unternehmer, um ein neues Team aus dem Boden zu stampfen.
Heute besteht die Formel 1 aus Mega-Teams (Ferrari, Mercedes und Red Bull), deren Kundenteams und ein paar letzten Mohikanern - McLaren und Williams. Toro Rosso wurde über die Jahre immer mehr zu einem eigenständigen Team mit eigener Entwicklung und allem was dazugehört - 2019 kommt die Rolle rückwärts.
Toro Rosso bekommt komplettes Heck von Red Bull
Wie Franz Tost schon im vergangenen Jahr nach Red Bulls Honda-Entscheidung im Motorsport-Magazin.com-Interview verriet, bezieht Toro Rosso 2019 alle Teile, die das Reglement erlaubt, wieder von Red Bull Technology. Im ersten Jahr verzichtet man noch auf Teile der Vorderachse, weil das Juniorteam Angst davor hat, dass Red Bull mit den neuen Regeln nicht rechtzeitig fertig wird. Doch der Rest des Erlaubten kommt aus Milton Keynes - nicht aus Faenza.
Allen voran natürlich die Heck-Partie. Der Motor kommt 2019 für beide Teams von Honda, da bietet es sich an, dass Toro Rosso Getriebe und Getriebegehäuse von Red Bull Technology bezieht. Mit dem Getriebegehäuse stehen auch die Fahrwerkspunkte fest - also kommt die komplette Hinterachse auch gleich vom großen Bruder.
Auf den Bildern lassen sich - vermutlich genau aufgrund der großen Ähnlichkeiten - keine großen Details erkennen. Auffällig ist nur, dass die Heckflügelbefestigung nun deutlich weiter hinten aus der Crash-Struktur wächst und deshalb senkrecht nach oben geht. So sah es auch am Red Bull RB14 aus.
Neuer Technik-Direktor bei Toro Rosso
Nach den Streitigkeiten über den vorzeitigen Abgang von Technik-Direktor James Key zu McLaren hat Jody Egginton die Rolle interimsweise übernommen. Neben den neuen Regeln stand für ihn beim STR14 die Zusammenarbeit mit Red Bull im Vordergrund. "Beim Design-Prozess selbst hat sich nichts geändert, wir haben nur weniger Variablen, mit denen wir spielen", erklärt Egginton.
"Es wurde viel Arbeit reingesteckt, die Teile von Red Bull Technology so gut wie möglich zu integrieren. Die Integration obliegt aber voll und ganz Toro Rosso", so Egginton. Trotz vieler Zukaufteile bleibt den Ingenieuren in Faenza genügend Arbeit.
Toro Rosso STR14 fehlen viele Technik-Details
Von hinten nach vorne: Am Frontflügel selbst gibt es im Jahr 2019 nicht mehr viel zu analysieren. Die sehen mehr oder minder gleich aus. Auffällig ist nur die Endplatte, die zu simpel aussieht, um wahr zu sein. Während Haas noch an der Hinterkante den maximal erlaubten Freiwinkel ausnutzt, ist die Endplatte bei Toro Rosso komplett gerade.
Die fehlende Komplexität lässt auch an anderen Stellen vermuten, dass Toro Rosso am Launch-Fahrzeug noch nicht alles gezeigt hat. Die Bardeboards wirken viel zu plump. Ende 2018 waren die Ingenieure hier schon viel weiter. In diesem Bereich dürfen sie sich noch voll austoben, wahrscheinlich wurde auch der Radstand etwas gestreckt, um hinter den Vorderrädern mehr Platz zu haben, den Luftstrom zu glätten.
Zumindest an der Frontflügelbefestigung lassen sich Details erkennen. Die Pylonen sind noch etwas länger als im Vorjahr und weisen Öffnungen an der Seite auf. Auch unter der Nase gibt es jede Menge Leitbleche. NACA-Einlässe und ein S-Schacht-Auslass sind ebenfalls vorhanden.
Neue Vorderachse: Ohne Bügel zum Radträger
Interessant ist vor allem die neue Vorderachse. 2017 setzte Toro Rosso die Querlenker für eine bessere Abströmung des Frontflügels nach oben. Der untere Querlenker ist hier das Problem. Damit muss allerdings automatisch der obere Querlenker ebenfalls nach oben wachsen, um die Kräfte nicht zu groß werden zu lassen.
Wie bei Mercedes lösten die Ingenieure das Problem mit einem kleinen Kniff. Weil der obere Querlenker zu hoch war, um direkt mit dem Radträger verbunden werden zu können, wuchs ein kleiner Winkel aus dem Radträger. Weil nicht nur die Frontflügel, sondern auch die Aerodynamik-Teile im Bereich rund um die Bremsbelüftung der Vorderachse stark eingeschränkt wurden, werden die Reaktionen von Mercedes und Sauber interessant. Beide Teams hatten 2018 den Hebel zwischen Radträger und Querlenker.
Merklich tiefer sitzen die Querlenker aber auch am 2019er Toro Rosso nicht. Dafür ist der Winkel des oberen Querlenkers nun steiler, er fällt stärker ab. Möglich ist das, weil der Querlenker auf der Chassis-Seite leicht gebogen ist. Die Anlenkpunkte am Chassis waren schon zuvor auf Anschlag, nach oben ist hier kein Platz mehr. Strukturell will man bei den Querlenkern Biegungen eigentlich vermeiden.
Aggressive Seitenkästen: Toro Rosso ahmt Red Bull nach
Ebenfalls interessant sind die Seitenkästen. Hier gibt es die größten Änderungen. Die oberen seitlichen Crash-Strukturen sind ein ganzes Stück nach unten gewandert. Das sorgt für Kopfschmerzen bei der Monocoque-Struktur, hat aber aerodynamische Vorteile.
Bildete die Crash-Struktur 2018 noch die Oberkante des Seitenkasteneinlasses, ist sie nun die Unterkante. Die Seitenkastenöffnung ist somit deutlich nach oben gewandert. Das hat den Vorteil, dass die Seitenkästen stärker unterschnitten werden können. Die Strömung zum Heck ist dadurch energiereicher, der Diffusor kann besser arbeiten.
Die Seitenkastenflügel wirken ebenfalls noch nicht besonders detailreich - gut möglich, dass Toro Rosso hier noch etwas tarnt. Das Potential für Weiterentwicklung stand im Lastenheft der Ingenieure ganz weit oben. "Wir haben uns darauf fokussiert, ein Auto zu entwickeln, dass nachhaltige und stetige Aero-Entwicklungen erlaubt, ohne größere bauliche Änderungen zu verlangen", so Egginton.
Die Herangehensweise macht Sinn: Durch die auf den ersten Blick klein wirkenden Regeländerungen haben sich die Flussstrukturen der Aerodynamik gravierend geändert. Die Lernkurve zu Beginn eines neuen Reglements ist steiler, deshalb ist die Weiterentwicklung 2019 ein Schlüsselfaktor.
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