Brasilien hat wieder einen Formel-1-Fahrer. Bei den Testfahrten in Abu Dhabi gab Pietro Fittipaldi für Haas seinen Einstand in der Königsklasse des Motorsports. Der Enkel von F1-Legende Emerson Fittipaldi tritt damit in die Fußstapfen von Felipe Massa, der die südamerikanische Motorsportnation mit seinem Rücktritt 2017 in die Fahrerlosigkeit stieß.

Damit war in der Saison 2018 erstmals seit 1969 kein Brasilianer am Start. Niemand Geringeres als Emerson Fittipaldi war es damals, der die mit seinen Erben Nelson Piquet, Ayrton Senna, Rubens Barrichello und Felipe Massa lange und ruhmreiche Motorsportgeschichte des Landes begründete.

Pietro Fittipaldi steht für die dritte Generation der Rennfahrerfamilie. "Natürlich hat er mich inspiriert", so Pietro über seinen Großvater, der 1972 Brasiliens erster Weltmeister in der Königsklasse wurde. Mit dem Racingvirus infiziert hat ihn aber erst die zweite Generation der Fittipaldis.

"Als ich 1996 geboren wurde, hörte er mit dem Motorsport auf. Während ich aufwuchs schaute ich Christian [Fittipaldi, Sohn von Emersons Bruder Wilson] und Max Papis, der mein Onkel ist, beim Rennen fahren zu. Als ich drei oder vier Jahre alt war, schaute ich zu, als sie bei den 24 Stunden von Daytona fuhren", erklärt der 22-Jährige.

Der Name Fittipaldi: Privileg statt Bürde

Von da an war auch sein Weg im Motorsport vorgezeichnet. "Mit vier Jahren bekam ich mein erstes Go-kart und dann ging es los." Ähnlich wie andere Söhne großer Legenden musste auch Fittipaldi von Beginn an mit seinem berühmten Namen zurechtkommen. Der in Miami geborene Youngster sieht ihn allerdings nicht als Bürde.

"Für mich ist es eine Ehre, diesen großen Namen zurückzubringen", sagt er. "Natürlich fragen mich viele Menschen, wie groß der Druck für mich ist. Aber ich fühle keinen Druck. Der Druck ist immer da. Ich bin hier, weil ich Racing liebe und weil ich Rennen und Weltmeisterschaften gewinnen will. Es gibt niemanden, der mehr Druck auf mich ausüben könnte, als ich es selbst tue."

Letztendlich sieht er einen Vorteil darin, in einer Familie von Rennfahrern aufgewachsen zu sein. Nicht nur sein Großvater Emerson startete in der Formel 1, auch Wilson und seine beiden Onkel Christian Fittipaldi und Max Papis schafften es bis in die Königsklasse des Motorsports. "Ich sehe es als ein Privileg, eine ganze Familie zu haben, die mich unterstützt, mir Ratschläge gibt und so viel über Racing weiß", so Pietro.

Emerson Fittipaldi war der erste brasilianische Formel-1-Weltmeister, Foto: Sutton
Emerson Fittipaldi war der erste brasilianische Formel-1-Weltmeister, Foto: Sutton

Fittipaldi beweist Allround-Qualitäten: NASCAR, Formel- und Sportwagen

Sein Weg in die Formel 1 war trotzdem nicht so direkt, wie manch einer glauben würde. Tatsächlich begann Pietro seine Laufbahn im Automobilsport 2011 in einer NASCAR-Amateurserie. Erst 2012 wechselte er in den Formelsport, wo er in den Folgejahren in unterschiedlichsten Serien antrat. Zuletzt erwies sich Fittipaldi als regelrechter Allrounder.

"Ich hatte in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Möglichkeit, so viele unterschiedliche Autos zu fahren", sagt er gegenüber Motorsport-Magazin.com, als er nach seinem unorthodoxen Weg in die Formel 1 gefragt wird. "Letztes Jahr habe ich die Formel V8 3.5 World Series gewonnen. Das war ein Auto mit viel Anpressdruck, das hat mir geholfen."

Nach seinem Erfolg in der mittlerweile beerdigten Nachfolgeserie der Formel Renault 3.5 versuchte er sich 2018 an diversen Boliden: "Ich habe den LMP1-Porsche getestet, der einem F1-Auto ziemlich ähnlich ist. Er ist natürlich langsamer, aber er hat auch so viel Grip, starke Bremsen und viel Power. Du hast 1000 PS und Allrad, die Beschleunigung ist aus den Kurven heraus ziemlich gut."

Horror-Crash verschiebt Fittipaldis Formel-1-Einstand

Die Saison 2018 begann für Fittipaldi aber zunächst mit einem herben Rückschlag. Beim Qualifying für den WEC-Auftakt in Spa-Francorchamps verunfallte er mit seinem LMP1-Gibson in der Eau Rouge heftig und brach sich beide Beine. "Das Jahr war wirklich hart", sagt er. Vor dem Unfall hatte er in Phoenix sein IndyCar-Debüt gegeben und war außerdem beim Auftakt der Super Formula in Suzuka am Start gewesen.

"Eine Woche nach meiner OP reiste ich nach Indianapolis. Ich lebte dann im Indianapolis Motor Speedway in meinem Motorhome. Direkt nebenan an war das Medical Center mit Dr. Trammell, dem IndyCar-Arzt, und dem Physiotherapeuten. Ich war jeden Tag zur Therapie dort und sie haben fantastische Arbeit an meinen Beinen geleistet. Ich war täglich sieben bis acht Stunden dort", sagt Fittipaldi.

In die WEC kehrte er nach dem Unfall nicht zurück, saß dafür Ende Juli in Mid-Ohio aber wieder im IndyCar von Dale Coyne Racing. "Es war schwer, zurückzukommen. Vielleicht kam ich auch etwas zu früh wieder, denn mein linkes Bein war immer noch gebrochen. Es war ziemlich schmerzhaft. Aber nach meinem ersten Rennen begann mein Bein besser zu heilen."

Emerson Fittipaldi mit seinem Enkel Pietro, Foto: Sutton
Emerson Fittipaldi mit seinem Enkel Pietro, Foto: Sutton

Haas hält an Fittipaldi fest: Vertrag als Entwicklungsfahrer auch ohne Test

Ursprünglich hätte sein erster Einsatz für Haas beim Ungarn-Test vor der Sommerpause stattfinden sollen, doch durch den Unfall fiel seine erste Ausfahrt im F1-Auto flach. In 'Beyond the Grid', dem offiziellen Podcast der Formel 1, erzählte Großvater Emerson, wie schwer seinen Enkel es traf, diese Chance durch den Unfall verspielt zu haben.

Die Verletzung änderte an seinem Standing bei Haas jedoch nichts. So war Teamchef Günther Steiner laut Emerson eine der ersten Personen, die sich am Telefon nach dem Zustand des Nachwuchstalents erkundigten. Im Rahmen des Grand Prix von Brasilien wurde der junge Fittipaldi schlussendlich als Entwicklungs- und Testfahrer von Haas bekanntgegeben.

Fittipaldi von der Formel 1 begeistert: Wie das perfekte Rennauto

An seinem ersten Tag in der Formel 1 absolvierte Fittipaldi am Dienstag auf dem Yas Marina Circuit 54 Runden. "Die Bremsen sind unglaublich", lautet sein erstes Fazit. "Du kommst mit 320 km/h an und bremst 90 Meter vor einer Kurve, die im zweiten Gang gefahren wird. Es war wirklich beeindruckend. Auch die Beschleunigung und die Kurvengeschwindigkeiten."

Trotz der Verletzungspause glaubt er, dass ihm die vielen unterschiedlichen Rennautos in den vergangenen Jahren geholfen haben, für die Formel 1 bereit zu sein. "Ich bin mit viel Erfahrung hergekommen und hatte das Gefühl, gut mit dem F1-Auto zurechtzukommen", so Fittipaldi, der sogleich ins Schwärmen gerät: "Es ist der Wahnsinn. Das beste Auto, das ich jemals gefahren bin. Es hat alles, was du dir von einem Rennauto wünschst. Es ist wie das perfekte Rennauto."

Auf dem Plan stand für ihn das übliche Testprogramm eines Formel-1-Teams, das nach einem Defekt am Morgen allerdings erst mit einer kleinen Verzögerung richtig Fahrt aufnahm. "Ich hatte gerade meinen ersten Run absolviert und hatte ein Gefühl für das Auto aufgebaut. Ich wollte gerade wieder rausfahren, dann hatten wir das Problem", erklärt er.

Fittipaldi zog sich bei einem Unfall in der WEC im Mai schwere Beinverletzungen zu, Foto: Speedpictures
Fittipaldi zog sich bei einem Unfall in der WEC im Mai schwere Beinverletzungen zu, Foto: Speedpictures

Fittipaldi lobt Team: Ingenieure machen einen tollen Job

"Das Team hat einen tollen Job gemacht, alles auszutauschen und das Auto zurück auf die Strecke zu bringen. Ein großes Dankeschön ans Team. Wir sind noch mehr als 50 Runden gefahren. Ursprünglich war mehr geplant, aber diese Runden zu haben war wichtig. Wir haben viele Dinge getestet und die Pirell-Reifen von 2018 und 2019 verglichen", fasst Fittipaldi seinen ersten Tag im Dienst zusammen.

Am Ende des Tags belegte er mit einer Rundenzeit von 1:39.201 Minuten auf Pirellis 2018er Hypersoft-Reifen den achten Platz im Klassement: "Ich bin wirklich glücklich damit, wie es gelaufen ist, und auch mit der Performance des Autos und damit, wie mir das Team geholfen hat, auf Speed zu kommen. Bei der Arbeit mit den Ingenieuren sieht man sofort, wie es besser wird. Ich verstehe jetzt, warum sie so gut und effizient sind. Sie machen einen wirklich tollen Job."

Fittipaldis Zukunft offen: Formel-1-Programm verhindert IndyCar-Vertrag

2019 soll er dem US-amerikanischen Team als dritter Fahrer dabei helfen, im Mittelfeld weiter nach vorne zu kommen. Seine Förderer wollen allerdings nicht, dass Fittipaldis Racecraft in dieser Zeit brach liegt. "Natürlich will ich nächstes Jahr Rennen fahren und auch das Team will, dass ich Rennen fahre", sagt er.

Ein Engagement in der IndyCar ist aufgrund seiner Verpflichtungen in der Formel 1 allerdings schon ad acta gelegt. "Das ist leider schon vom Tisch. Ich liebe das Racing in der IndyCar, aber es hätte viele Überschneidungen gegeben. Aber wir werden hoffentlich bald Neuigkeiten haben", erklärt Fittipaldi.