Robert Kubica ist jetzt offiziell in der Formel 1 zurück und wird wieder Rennen fahren. Williams bestätigte in Abu Dhabi, dass Kubica 2019 als Stammfahrer ins Cockpit steigen wird. Jahre nach seiner schweren Arm-Verletzung bei einem Rallye-Unfall wird das Märchen also tatsächlich wahr. Motorsport-Magazin.com traf sich 2018 bereits einmal mit Kubica zum Interview. In diesem beschrieb er seinen Weg zurück in die Königsklasse des Motorsports - vom ersten Renault-Test zum Williams-Testfahrer.

Motorsport-Magazin.com: Du warst sechs Jahre komplett raus aus der Formel 1. Was hat sich 2017 verändert, dass du zurückgekommen bist?
Robert Kubica: Ich denke, dass sich da nichts von einem Tag auf den anderen verändert hat. Ich habe eine schwierige Phase mit vielen Verletzungen durchgemacht, habe viele Eingriffe erlitten während meiner Rehabilitierung und habe angefangen Rallye zu fahren. Ich bin also weg von der Rundstrecke, denn für mich war es so, dass ich spürte, eine Ablenkung zu brauchen - oder ein neues Umfeld. Einfach weil das geistig besser für mich war, leichter war. Nach meiner Rallye-Erfahrung habe ich viel Fortschritt gesehen und habe begonnen, wieder darüber nachzudenken, in der höchstmöglichen Rundstrecken-Kategorie zu fahren.

Dann fing ich damit an, an mir selbst zu arbeiten und zu versuchen, zu verstehen, wie ich mich pushen kann und was ich erreichen kann. Ich wusste, dass ich GT-Autos fahren kann, ich wusste, dass ich DTM-Autos fahren kann, aber ich wusste, dass ich vielleicht nicht mehr Formelautos fahren könnte. Dahinter stand noch ein Fragezeichen. Ich habe ein GP3-Auto getestet und bekam schließlich die Gelegenheit, im Juni mit Renault einen Test in Valencia zu fahren. Es war also ein ziemlich langer Vorbereitungsprozess. Denn ich wusste, dass ich einen hohen Standard erfüllen muss. Das habe ich geschafft, die Frage waren nur noch die paar Einschränkungen, die ich habe. Aber nach dem GP3-Test und verschiedenen anderen Test auch im LMP-Auto habe ich gemerkt, dass mich meine Einschränkungen beim Fahren vielleicht gar nicht behindern.

Dann hatte ich auch noch mental ein paar Fragezeichen. Denn die Formel 1 ist nicht nur ein körperlich, sondern auch mental fordernder Sport. Also habe ich mich gefragt, ob ich noch immer dazu in der Lage bin, wenn mein Kopf nur noch halb so schnell ist. Als ich in Valencia die erste Runde gefahren bin, habe ich festgestellt, dass wir in unserem Körper ein sehr starkes Instrument haben - das Gehirn. Es fühlte sich echt großartig an. Es fühlte sich nicht an, als wäre ich sechs Jahre weg gewesen, sondern zwei Monate. Es war einer der größten Momente meiner Karriere und meines Lebens, ein bedeutender Moment.

Robert Kubica erklärt sein Formel-1-Comeback mit Williams: (02:52 Min.)

Kubica-Comeback begann mit Renault-Tests

Wie schwierig war es für dich, Renault zu überzeugen, dir diesen Test zu geben? Oder haben sie sogar dich überzeugt?
Robert Kubica: Wir mussten uns nicht überzeugen. Wir haben uns mal getroffen und sie wollten mir diese Chance geben. Dafür war ich sehr dankbar. Ich war auch sehr ehrlich mit ihnen, habe gesagt, dass ich denke, es hinzubekommen, es aber eine kleine Chance gibt, ein kleines Risiko, dass ich nicht mehr dazu in der Lage bin. Meine ersten Runden nach sechs Jahren waren sehr besonders, denn sie gaben mir die Gelegenheit eines zweiten Tests in Le Castellet. Sie gaben mir auch noch die Chance, ein modernes F1-Auto von 2017 beim Test in Ungarn zu fahren.

2017 testete Kubica für Renault erstmals wieder ein aktuelles Formel-1-Auto, Foto: LAT Images
2017 testete Kubica für Renault erstmals wieder ein aktuelles Formel-1-Auto, Foto: LAT Images

Ehrlich gesagt war das die größere Schwierigkeit, als zuerst das Auto von 2012 zu fahren. Denn das 2012er Auto war dem sehr ähnlich, was ich kannte und worauf mein Hirn eingestellt war. Da fühlte sich alles vertraut an. Aber als ich in das 2017er Auto gesprungen bin, fühlte sich nichts vertraut an, alles war anders und auf gewisse Weise musste ich von Null anfangen. Es war schwieriger, denn normalerweise fährst du so, wie deine Natur, dein Instinkt es dir sagt. Du denkst nicht darüber nach, wie du fährst. Als Fahrer geschehen 90 Prozent der Dinge auf der Strecke völlig natürlich. Und was ich gewohnt war, war nicht mehr gut - oder war anders. Ich musste alles neu kalibrieren. Aber noch immer müssen gewisse Dinge von allein kommen. Für mich war das ein größerer Schritt, denn ich hatte im Grunde einen Blackout, habe sechs Jahre Veränderungen in der Formel 1 verpasst. Wenn du permanent fährst, gehst du da einfach so durch.

Kubica beim Interview mit Motorsport-Magazin.com, Foto: Sutton
Kubica beim Interview mit Motorsport-Magazin.com, Foto: Sutton

Weil Änderung auf Änderung auf Änderung folgt, alles nicht so viel auf einmal ist...
Robert Kubica: Ganz genau. Mal kommt die Power Unit, mal andere Reifen. Für mich kam alles auf einen Schlag. Das war eine große Herausforderung, zumal die Leute von mir sehr viel erwartet haben, weil sie immer noch im Kopf hatten, wie ich vor meinem Unfall Rennen gefahren bin. Natürlich habe ich mir auch selbst sehr hohe Erwartungen gesteckt. Für mich war es eine gute Gelegenheit. Aber ich musste schon noch daran denken, wo ich nur sechs Monate zuvor noch war. Ich dachte nie daran, mal wieder ein aktuelles F1-Auto zu fahren. Und dann ist es in Budapest passiert, alles geschah ziemlich schnell. Es gab noch immer einige Fragezeichen für manche Leute, es gibt sie noch immer. Aber für mich war das Wichtigste, dass ich jetzt überhaupt keinen Zweifel mehr hege, dass ich es noch kann. Das war für mich der größte Erfolg. Denn die erste Person, die ein Fragezeichen hinter meine Möglichkeiten und Fähigkeiten macht, bin ich selbst. Ich bin Schritt für Schritt gegangen und die positive Sache ist, dass ich mich jedes Mal, als ich wieder ins Auto stieg - auch wenn drei Monate dazwischen lagen - mich immer wohler fühlte und sofort gut fahren konnte. Es wurde mit jeder Gelegenheit besser.

Kubica immer auf Comeback fokussiert: Keine Gefühlsduseleien

Du hast jede Menge Anstrengungen in dein Comeback gesteckt. Hattest du je Angst, dass es für Renault vielleicht nur eine Marketing-Geschichte war?
Robert Kubica: Nein, das denke ich nicht. Es war kein Marketing. Sie waren es, die besonders beim ersten Test gar nicht so viel Publicity wollten. Tatsächlich kam die News ja erst einen Tag bevor ich gefahren bin ans Licht. Ich wusste, dass es auf gewisse Art keine Gefühlsduseleien in der Formel 1 gibt. Du musst deinen Job machen, bei der Musik sein. Ich habe mich gefreut, dass sie mir diese Gelegenheit gegeben haben. Genauso wie ich mich über Williams gefreut habe. Aber die Leute müssen eben alles bewerten und die Entscheidung treffen, mit der sie sich am wohlsten fühlen. Vielleicht fühlten sie sich in beiden Fällen einfach nicht wohl genug oder sie hatten andere Ansichten, wie man Dinge entscheidet. Aber so läuft das Leben eben. Die Leute sahen ja auch das Gute. Dass ich wieder Formel 1 fahre. Aber es gab auch jede Menge Fragezeichen und Diskussionen, die nicht so schön waren. Zum Beispiel, wenn die Leute alles so sehr hinterfragen. Denn sie können nur bewerten, was sie sehen. Vielleicht bin ich noch derselbe. Dann habe ich den ersten, zweiten, dritten, vierten und fünften Test bestritten und irgendwann haben die meisten Leute meine Einschränkungen vergessen. Das war für mich das Positive.

Claire Williams: Warum das Team Robert Kubica für 2019 holt: (01:38 Min.)

Mal ehrlich: Wie siehst du deine Chancen für die Zukunft?
Robert Kubica: Ich versuche, meine Gelegenheit zu maximieren und was meine Arbeit bis jetzt angeht, bin ich happy. Aber es ist kompliziert. Am Ende bin ich jetzt recht lang ganz raus aus dem Sport gewesen. Okay - dieses Jahr hatte ich schon recht viele Gelegenheiten. Trotz der ganzen Testbeschränkungen habe ich viele Runden an verschiedenen Orten gedreht. Das war sehr wichtig für mich und ich denke, dass mir das einen weiteren Schub an Selbstvertrauen gegeben hat.

Nimm' einfach einen Tennisspieler und lass' ihn sechs Jahre seinen Sport nicht machen. Dann gibst du ihm eine Stunde Training bevor er ein Finale gegen Nadal spielen muss. Er kann noch immer gewinnen, aber es ist eine schwierige Herausforderung. Ich habe keine Angst vor Herausforderungen, ich bin zuversichtlich. Aber ich war immer sehr ehrlich, was meine Fähigkeiten angeht. Erst mit Renault, dann mit Williams. Wie ich schon gesagt habe: In der Formel 1 ist keine Zeit für Gefühlsduseleien. Es ist ein hartes Geschäft. Wir müssen die Situation realistisch betrachten. Für mich weiß ich, wozu ich in der Lage bin. Wenn ich von jetzt an fahre, kann es nur besser werden und schon jetzt ist es für mich ein akzeptabler Level.

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