Es war eine denkwürdige Pressekonferenz, die Claire Williams da in Austin gab. Viele Medientermine gibt es von der stellvertretenden Teamchefin des Traditionsrennstalls nicht. Wer abseits der offiziellen Statements etwas von ihr will, braucht eine Privataudienz. In Austin aber setzte die Kommunikationsabteilung eine Presserunde an.

"Das letzte Mal habe ich beim Wintertest vor so vielen Leuten gesprochen", merkt auch Claire Williams selbst an. Damals schwadronierte sie trotz verheerend verlaufenden Tests von WM-Rang vier und schwärmte von ihren beiden talentierten und motivierten Piloten.

Davon ist längst nichts mehr übrig. Williams wird die Formel-1-Saison 2018 als Letzter beenden, das ist auch drei Rennen vor Ende der Saison klar. Dass zumindest ein Pilot das Team nach der Saison verlassen wird, ist auch klar. Denn vor dem Rennen in den USA wurde George Russell als Fahrer für 2019 kommuniziert.

George Russell Williams' Heilsbringer?

Das war auch der Grund für den seltenen Medientermin. Williams wollte noch einmal klar stellen, dass man sich aus freien Stücken für den jungen Briten entschied - und nicht weil er Mercedes-Junior ist und diese Tatsache Ermäßigungen beim Motor mit sich bringt.

Russell - Supertalent, das gerade wie das bekannte heißes Messer durch die Butter durch die Nachwuchsklassen marschiert - erhält bei Williams sogar einen mehrjährigen Vertrag. "Das ist wichtig. Wir bauen das Team nicht nur um einen Fahrer herum, aber wir können auf ihm aufbauen", erklärt die Teamchefin.

Lance Stroll wird den Rennstall zum Jahresende definitiv verlassen. Für ihn geht es zu Force India. Sein Vater, Milliardär Lawrence Stroll, übernahm den Rennstall erst kürzlich mit einem Konsortium. Sohn Lance ist in der Formel 1 nicht unbedingt für sein Talent und seinen unbändigen Einsatz abseits der Rennstrecke bekannt.

Die Liebe zu Lance Stroll schwindet langsam, Foto: Sutton
Die Liebe zu Lance Stroll schwindet langsam, Foto: Sutton

Zwischen den Zeilen gibt das nun selbst die Teamchefin zu: "Jedes Team will einen Fahrer haben, der sich völlig hingibt und die Wichtigkeit seine Rolle im Team versteht." Dazu erzählt sie Anekdoten, wie sich Russell beim Deutschland GP persönlich vorstellte und seither jedes Rennwochenende an ihrer Tür klopfte. Schon wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung hätte er allen Teammitgliedern die Hand geschüttelt. "Wir wollen die Kultur unseres Teams wiederaufbauen", sagt sie.

Es gibt noch mehr Anekdoten aus der erst kurzen Beziehung zwischen Russell und Williams, doch sie alle Zielen auf eine Sache ab: Williams hat wieder ein Talent verpflichtet, keinen Paydriver. "Wir haben über die letzten Monate hart gearbeitet, um diese Wahl - rein auf Talent basierend - treffen zu können", sagt Williams.

Williams: Brauchen einen Reset

Damit ist klar: Das war nicht immer so. Das gibt Williams nun auch offen zu: "Dahin müssen wir dieses Team wieder zurückbringen. Die Verpflichtung ist ein klares Zeichen dafür. Dafür muss man manchmal schwierige Entscheidungen treffen, aber wir müssen einen Reset machen und nicht immer das Gleiche."

"Es kann nicht nicht besser sein", begründet sie ihren Mut. Im Klartext: Schlechter als 2018 geht nicht mehr. "Es wäre falsch, von Fehlern zu sprechen. Wir haben die Entscheidungen auf bestimmten Kriterien basierend getroffen und das hat uns in bestimmte Situationen gebracht", sagt sie zu Motorsport-Magazin.com. Im Klartext: Man sah kurzfristig das Geld, das gewisse Fahrer mit sich brachten.

Woher nimmt Williams das Geld?

Doch wie kann es sich Williams leisten, diese Entscheidung nun zu treffen? Die Ressourcen sollen für die Fahrerentscheidung nicht heruntergefahren werden. "Das Budget wird sehr ähnlich sein", verrät Williams. Mitarbeiter müssen also nicht gehen. "Wir würden bei Williams niemals eine Personalie über die Mitarbeiter des Teams stellen", verspricht sie.

Martini verlässt Williams zum Saisonende, Foto: Sutton
Martini verlässt Williams zum Saisonende, Foto: Sutton

Mit Stroll gehen viele Millionen, dazu verliert der Rennstall auch noch Hauptsponsor Martini. Woher kommt also das Geld, will Motorsport-Magazin.com von der Teamchefin wissen. Williams lacht verlegen: "Das kann ich im Moment noch nicht sagen. Es wird aber Neuigkeiten dazu geben."

Williams 2019 noch auf einen Paydriver angewiesen

Ein neuer Sponsor oder Geldgeber soll das Finanzloch also stopfen. Und auch der zweite Fahrer muss dazu seinen Teil beitragen. "Wir sind noch nicht in der Position, auch bei ihm diese große Flexibilität zu haben, es gibt auch andere Erwägungen. Aber dahin wollen wir wieder", so Williams.

Nur ein Poker, um Toto Wolff etwas mehr Geld für den nächsten Junior aus der Tasche zu ziehen? Immer stärker wird auch Esteban Ocon mit Williams in Verbindung gebracht. Der Traditionsrennstall ist inzwischen Ocons letzte Hoffnung. Bei Force India ist wegen Stroll kein Platz mehr für ihn, bei Toro Rosso, dem anderen noch offenen Cockpit, hat er keine Chance.

Bekommt Esteban Ocon das vakante Cockpit von Lance Stroll?, Foto: Sutton
Bekommt Esteban Ocon das vakante Cockpit von Lance Stroll?, Foto: Sutton

"Wir arbeiten sehr hart daran, Ocon in diesem Sport zu halten", sagt Williams. Der Rennstall hätte den Franzosen gerne langfristig gebunden, allerdings will sich Ocon Optionen für 2020 offenhalten. Daran scheiterte der Deal bislang. "Aber auch kurzfristig ist Esteban jemand, den man im Team haben will", sagt Williams.

Esteban Ocon ist aber nicht allein auf der Shortlist. Auch Robert Kubica soll nach Angaben der Teamchefin gute Chancen haben. Gleichzeitig winken weiterhin die Russen-Millionen von Sergey Sirotkin. Die seines Landsmanns Artem Markelov offenbar nicht mehr, der Vater des Rennfahrers hat derzeit juristische Probleme in der Heimat. Die Frage wird sich wohl noch etwas hinziehen. "Es kann sein, dass es so lange dauert wie in dieser Saison", bittet die Teamchefin um Geduld. Sirotkin wurde am 16. Januar als Fahrer für 2018 vorgestellt. Aber gut Ding will bekanntlich Weile haben.