Die Formel 1 meldet sich am Wochenende mit einem waschechten Klassiker, einem der beliebtesten Grands Prix im Rennkalender überhaupt, zurück aus der Sommerpause 2018: Auf der berüchtigten Ardennen-Achterbahn von Spa-Francorchamps steht der 63. Belgien GP der F1-Geschichte auf dem Programm.

Eau Rouge, Blanchimont, Pouhon & Co. heißt also die Traumkulisse für einen dringend notwendigen Konter von Sebastian Vettel im WM-Kampf gegen Lewis Hamilton. Der amtierende Weltmeister von Mercedes hatte vor den F1-Ferien dem Ferrari-Star dessen in Silverstone einmal mehr eroberte WM-Führung erneut abgeluchst - ebenfalls beim Heimrennen des großen Rivalen.

Powerstrecke Spa: Vettel & Ferrari müssen kontern

Doch nach Hockenheim legte Hamilton sogar nochmals nach, erhöhte mit einem weiteren Triumph auf 24 WM-Zähler Vorsprung auf Vettel. Das entspricht annähernd der Punkteausbeute für einen Sieg. Größer war der Abstand in der WM-Wertung in der laufenden Formel-1-Saison 2018 noch nie zwischen den beiden Erzrivalen gewesen. Umso wichtiger ein schneller und effektiver Konter jetzt in Belgien.

Den muss Ferrari - neuer Motorpower-Leader der F1 - auch wegen der Streckencharakteristik setzen. Genau wie in Monza schon eine Woche später zählt in Spa vor allem Leistung, Leistung und nochmal Leistung. Durch den inzwischen extremen Abtrieb der Formel-1-Boliden gehen wie zuletzt in Silverstone sicherlich auch in Spa mehr Kurven denn je mit Vollgas. Nicht umsonst hatten manche Fahrer selbst in der ultraschnellen Blanchimont eine zusätzliche DRS-Zone gefordert. Damit nicht genug: In Ungarn schon bei den Kunden verbaut, wird bei Ferrari in Belgien zudem die finale Ausbaustufe der Power Unit erwartet.

Vettel glaubt an Ferrari, Mercedes sträubt sich gegen Prognosen

Also: Vorteil Ferrari. Oder? Toto Wolff will nicht einmal mehr die Konkurrenz stark reden. "Vor Spa ist es sehr schwierig, Prognosen abzugeben. Wenn uns der bisherige Saisonverlauf eines gelehrt hat, dann ist es die Tatsache, dass es keinen klaren Favoriten für bestimmte Strecken mehr gibt und dass nicht immer das schnellste Auto auch gewinnt", erklärt der Mercedes-Motorsportchef, das kuriose Bild der laufenden Saison im Blick.

Sebastian Vettel steckt nach dem doppelten Rückschlag unterdessen alles andere als auf, sieht auch ohne WM-Führung zum Sommer wie noch im Vorjahr optimistischer nach vorne. "Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir - falls wir das Auto haben, um kämpfen zu können - sie unter Druck setzen können und in der zweiten Hälfte Dinge geschehen lassen können", so Vettel.

Red Bull in Spa vor zweiten Silverstone?

Sein Argument: Ferrari sei 2018 einfach auf einer sehr viel stärkeren Basis, habe zudem jüngst zurück zur Stärke im Qualifying zu Jahresbeginn gefunden. In Spa ist zumindest letzteres nicht ganz so entscheidend. Lediglich die Hälfte der vergangenen zehn Belgien GP wurde von Startplatz eins gewonnen. Allerdings die 2017er Ausgabe zugunsten Hamiltons. Dafür war Ferrari in Spa bereits 2017 schneller, nur nicht ganz genug, um nach Quali-Pleite den Rivalen auf der Strecke zu überholen.

Und Red Bull? Ist 2018 näher dran, aber so ganz noch nicht auf Augenhöhe mit Mercedes und Ferrari. In Spa dürfte es für Max Verstappen bei seinem halben Heimrennen und den scheidenden Daniel Ricciardo aber richtig schwierig werden - eben auch wegen der hohen Ansprüche an den Motor mit einem Vollgasanteil jenseits der 70 Prozent.

Renault im Mittelfeld von allen Seiten unter Druck

Bleibt der 2018 erneut hochspannende Kampf im Mittelfeld: Hält Renault auch in Belgien Kurs auf P4, behauptet sich vor diversen hungrigen Jägern, allen voran Haas und Force India? Ein schwieriges Unterfangen. Selber Grund wie bei Red Bull. Noch dazu ist Renault eigentlich nur auf dem Papier Vierter, Haas war in der ersten Saisonhälfte eher öfter schneller, besiegte sich nur noch häufiger selbst, liegt zudem nur 16 Zähler in der WM-Wertung zurück.

Gerade auf schnellen Kursen waren die US-Amerikaner Renault voraus, Spa passt Haas also perfekt in den Kram. "Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht so weiter liefern sollten wie vor der Sommerpause", meint da auch Teamchef Günther Steiner. "Ich denke, dass die 100-Punkte-Schallmauer durchbrochen werden sollte und wird. Wenn du Vierter oder Fünfter werden willst, dann musst du das."

Vor Spa: Sauber angriffslustig, McLaren kleinlaut

Doch nicht nur Haas ist gefährlich für Renault, sondern eben auch Force India, weitere sieben Punkte dahinter. Nicht nur, dass der britisch-indische Rennstall zuletzt ohnehin immer mehr aufkam. Noch dazu steht Force India nach der schnell überwundenen Insolvenz jetzt besser da als zuvor, kann wieder investieren - und endlich die ersehnten Upgrades ans Auto bringen. Das sollte den VJM13 von Sergio Perez und Esteban Ocon wieder zu einer richtig scharfen Waffe machen.

Formel 1 2018: Brennpunkte vor dem Belgien GP (07:21 Min.)

Nicht zu vergessen jedoch auch Sauber. Auch die Schweizer sind inzwischen Stammgast weiter vorne im Mittelfeld. Die Ferrari-Power sollte Charles Leclerc und Marcus Ericsson in Spa ebenfalls stark aussehen lassen. "Wir haben die Möglichkeit, an eine starke erste Saisonhälfte anzuknüpfen, die Strecke sollte uns liegen", meint der Schwede.

Nur bei Williams und McLaren werden weiter kleiner Brötchen gebacken. "Spa ist die längste Strecke, auf der wir fahren und große Teile davon gehen Vollgas. Also wird es ein schwieriges Wochenende für uns", meint Fernando Alonso vor seinem Schlussspurt in der Formel 1.

Welche Infos sonst noch wissenswert sind? Hier die kompakte Übersicht mit Links zu allen Details:

Formel 1 in Spa 2018: Die Strecke

Viel gesagt werden muss eigentlich nicht mehr über die 7,004 Kilometer Asphaltband in den belgischen Ardennen. Nicht umsonst heißt der Circuit Spa-Francorchamps auch Achterbahn. Mit Pouhon und Blanchimont gibt es unfassbar schnelle Kurven mit berühmten Namen. Doch im Mittelsektor reiht sich sowieso eine schnelle Ecke an die andere.

Und dann ist da natürlich noch die Mutter aller Kurven: Eau Rouge! Jedes Mal ein Augenöffner. Genauso zuvor La Source - das Nadelöhr bietet am Start Potential für richtig krasse Action und später für Überholmanöver. Von dort geht es über Eau Rouge bis zum Ende der Kemmel komplett Vollgas bis Les Combes - 2018 ist die DRS-Zone sogar 100 Meter länger. Keine dritte Zone gibt es trotz Fahrerwünschen in Blanchimont, dem zweiten langen Vollgasabschnitt bis zur Schikane vor Start-Ziel.

Vollgas und viele schnelle Kurven - das ist also Spa. Und damit auch die besondere Herausforderung dieser absoluten Fahrerstrecke auch für die Teams: Der richtige Kompromiss zwischen High- und Lowdownforce ist fast nirgends so schwer finden.

Formel 1 in Spa 2018: Das Wetter

Die extrem lange Strecke macht Spa jedoch auch unter dem Wetteraspekt besonders interessant: Regen am einen Ende, Sonnenschein am anderen Ende der Ardennen-Achterbahn ist immer möglich. Nicht umsonst sorgte der Belgien GP in der F1-Geschichte bereits für diverse Regenschlachten. Unvergessen etwas der Massencrash am Start 1999.

"Der Ausgang eines Rennens dort ist immer sehr schwer vorherzusagen, insbesondere mit Blick auf das wechselhafte Wetter", erinnert Pirellis F1-Chef Mario Isola. "Das könnte Racing hier noch aufregender machen", ergänzt Marcus Ericsson. Passend dazu die aktuelle Wetterprognose: Einmal soll es das ganze Wochenende über sehr kühl werden, noch dazu droht wenigstens Freitag und Samstag immer wieder der eine oder andere Regenschauer.

Formel 1 in Spa 2018: Die Reifenwahl

In puncto Reifen fällt in Belgien vor allem McLaren völlig aus der Rolle. Die Truppe aus Woking wählte extrem konservativ, hat genauso viele Medium (härteste Mischung) wie Supersofts (weichste) im Gepäck. Zumindest etwas in diese Richtung geht allerdings auch ein Top-Team: Mercedes. Die Silberpfeile haben immerhin drei Satz Medium geordert, bei Ferrari und Red Bull haben bis auf Sebastian Vettel (2) alle anderen Piloten hier nur den Pflichtsatz dabei.

Formel 1 in Spa 2018: Der Zeitplan

In Sachen Zeitplan und TV-Programm können sich die F1-Fans beim Belgien GP entspannt zurücklehnen. Normale Europa-Startzeiten, noch dazu weicht die MotoGP der Formel 1 aus, nicht andersherum. Die TV-Stationen und der 2018 neue Livestream F1 TV Pro liefern auch in Spa das bewährte Programm, einzig beim SRF muss am Rennsonntag auf F1 verzichtet werden.