Ferrari-Kundenteam Haas überraschte im Vorfeld des Großen Preises von Deutschland 2018 mit seiner Absage für die Testfahrten in Ungarn. Die US-Amerikaner bleiben dem zweitägigen Test vor der Sommerpause offenbar als einziges Team fern. Schnell begannen Spekulationen, ob die Entscheidung mit dem Skandal um Haas-Junior Santino Ferrucci zusammenhing. Laut Teamchef Günther Steiner gibt es jedoch andere Gründe.

"In einer Phase wie dieser mit fünf Rennen in sechs Wochen und einem Test in Silverstone dazwischen macht es einfach keinen Sinn", so der Tiroler. Sein Team hatte nach dem Rennen in Großbritannien vor zwei Wochen einen Pirelli-Test absolviert, der ursprünglich für den Barcelona-Test geplant war. "Wir können nicht zwei Autos an einem Tag fahren lassen, deshalb hatten wir sie darum gebeten den Test zu verschieben", erklärt Steiner.

Er sieht in den Testfahrten nach dem Ungarn GP schlichtweg keinen Vorteil für die Entwicklung seines Teams. "Wir haben so viele Daten von den Testfahrten und den Rennen die wir analysieren müssen", so der Teamchef. "Klar hört es sich immer gut an, wenn man einen Test fahren kann. Aber für mich zählt immer das Ergebnis. Ich habe mich mit den Ingenieuren zusammengesetzt und wir waren uns einig, dass wir sowieso schon zu viel Arbeit haben."

Haas-Teamchef wehrt sich: Mehr ist nicht immer besser

Der Test wäre für ihn nur ein unnötiger Geldfresser gewesen. "Warum sollten wir also Geld ausgeben, ohne damit etwas zu erreichen?", so Steiner, der den VF-18 für die zweite Saisonhälfte bereits gut aussortiert sieht. "Unser Auto hat keine Performanceprobleme, also versuchen wir besser alles herauszuholen anstatt uns etwas neues auszudenken und die Leute ohne Grund arbeiten zu lassen."

"Mehr ist nicht immer besser. Quantität zählt nicht mehr als Qualität. Wir versuchen lieber das zu nutzen was wir haben, bevor wir uns mehr, mehr und nochmals mehr aufhalsen und am Ende nichts damit erreichen. Wir halten es einfach und da sind wir uns alle einig", stellt er gegenüber Motorsport-Magazin.com die Marschroute seines Teams klar. Außerdem will er nach den kräftezehrenden Wochen die Batterien seiner Mannschaft für den Rest der Saison aufladen.

"Wir reisen nach Ungarn lieber gleich zurück nach Großbritannien und gehen dann vorbereitet in den Urlaub für zwei Wochen, um dann ausgeruht zurückzukehren", so Steiner, der bei seiner Erklärung für die Testabsage auch auf die Gerüchte um Ferrucci ausfürlich einging. Diese waren tatsächlich alles andere als aus der Luft gegriffen, denn der Formel-2-Pilot absolviert in der Regel die zwei vom Reglement festgelegten Young-Driver-Testtage für das Team.

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Steiner will keinen Paydriver-Test: Sind keine Autovermietung

Nachdem die Stammfahrer Romain Grosjean und Kevin Magnussen beim Barcelona-Test an beiden Tagen im Auto saßen, hätte Haas in Budapest einen Nachwuchsfahrer fahren lassen müssen. Nach seinem Fehltritt vor zwei Wochen in Silverstone steht Ferrucci bei seinen Förderern jedoch auf dem Prüfstand und ein Testeinsatz schien bei der derzeitigen Sachlage eher unwahrscheinlich.

"Wir hätten einen neuen Fahrer einsetzen müssen", gibt Steiner zu und stellt klar, dass Haas nicht für sinnfreie Testfahrten zur Verfügung steht. "Wir haben nichts, was wir testen wollen. Klar, wir kennen viele Leute die für einen Test viel Geld hinlegen. Aber wir sind keine Autovermietung. Wir wollen einen Nutzen für uns haben."

Force India versteht Haas nicht: Test für Formel-1-Saison 2019 wichtig

Bei der Konkurrenz stößt die Entscheidung von Haas auf Unverständnis. Force Indias Chief Operating Officer Otmar Szafnauer erklärte gegenüber Motorsport-Magazin.com, dass der Ungarn-Test für sein Team sogar von enormer Wichtigkeit ist. Über eine Absage habe man "überhaupt nicht" nachgedacht. "Es ist das genaue Gegenteil. Für uns ist es einer der wichtigsten Tests dieses Jahr."

"2019 steht bald vor der Tür und wir haben viele neue Teile, die wir testen müssen", so der 53-Jährige. "Wir haben den neuen Frontflügel und die Bremsbelüftung. Wir haben den neuen Heckflügel noch nicht, aber wir werden die komplette Front des 2019er Autos haben", so Szafnauer. "Wir beginnen Daten zu sammeln, damit wir im Winter entwickeln können." Bei Haas will man den Fokus erst nach der Sommerpause auf 2019 legen.

"Ich weiß nicht ob jemand bereit ist, aber wir sind es nicht", so Steiner. Etwas, das Szafnauer mit einem kleinen Seitenhieb in Richtung des Gegners durchaus nachvollziehen kann. "Andere Teams müssen ihre Entwicklung im Winter nicht selbst machen, weil sie einfach nur darauf warten müssen, dass es jemand anderes für sie macht", nimmt er Bezug auf den von den Privatteams regelmäßig kritisch gesehenen Technologietransfer zwischen Ferrari und seinem Kundenteam.