Langsam wird es unheimlich. Sauber-Rookie Charles Leclerc hat es auch beim Österreich GP in Spielberg in die Punkte geschafft. Beim neunten Saisonrennen der Formel 1 2018 fuhr der Ferrari-Junior auf Platz neun, sammelte damit zum fünften Mal in der vergangenen sechs Grands Prix WM-Zähler. Und: Dieses Mal war es die bis dato wohl größte Meisterleistung des Monegassen. Für Leclerc entpuppte sich das Rennwochenende auf dem Red Bull Ring nämlich zu einem regelrechten Höllenritt.

Schon am Samstag ging es los. Getriebewechsel nach dem dritten Training. Strafversetzung. Deshalb trotz eines erneut starken Qualifyings (P13) nur der vorläufige Startplatz 18, der sich noch um eine Position verbesserte, weil Fernando Alonso durch einen Parc-fermé-Verstoß kurzfristig aus der Boxengasse losfahren musste. Damit startete Leclerc trotz der Strafe vor Teamkollege Marcus Ericsson.

Charles Leclerc räubert durchs Spielberg-Kiesbett

Trotzdem sah sich Leclerc gefordert. Der Ehrgeiz packte den Youngster. Im Rennen wollte er unbedingt den durch das Getriebe erlittenen Schaden wieder gut machen, kündigte bereits eine riskantere Strategie für den Start an. Gesagt, getan. Nach einer Runde war Leclerc bereits auf P14 vorgekommen. Doch dann der Fehler, Leclerc nahm eine Spur des Risikos zu viel. In Kurve sechs rodelte der Sauber durch das Kiesbett, sortierte sich als Letzter wieder ein.

"Ich habe da einen kleinen Fehler gemacht, der uns etwas ins Hintertreffen gebracht hat", gesteht Leclerc im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Ich wusste, dass ich in den ersten Runden sehr hart pushen musste, weil ich von so weit hinten im Grid kam. Da musste ich eben gewisse Risiken eingehen. Ich habe versucht, Pierre (Gasly, Anm. d. Redaktion) zu überholen. Ich weiß nicht, was da genau passiert ist. Aber speziell in dieser Kurve sind in der Runde auch viele andere Autos weit gegangen. Ich habe es einfach verloren, als ich versucht habe, Pierre auszubremsen, der selbst schon spät auf der Bremse war. Wir gingen beide weit, aber bei mir war es dann einfach zu viel."

Leclerc kämpft sich erneut zurück

Charles Leclerc steckte erneut nicht auf: Im Gegenteil. Mit Siebenmeilenstiefeln kämpfte sich der Rookie zurück. "Wir sind sehr schnell zurückgekommen, haben auch sehr schnell überholt", berichtet Leclerc. Nach 14 Runden war er zurück auf P14. Doch kaum war die Wiedergutmachung betrieben, folgte der nächste Nackenschlag: Bottas-Ausfall, VSC. "Es war ein großartiges Rennen für uns, aber wir waren nicht auf der besten Strategie", hadert Leclerc. "Um ehrlich zu sein, war aber jeder auf der Strategie wie wir mit dem Start auf dem Ultrasoft. Abgesehen von Marcus, der auf dem Soft gestartet ist."

Doch schien Sauber sich besonders schwer damit zu tun, nach dem frühen Reifenwechsel den Soft über die Runden zu bringen. "Wir waren gezwungen, an die Box zu kommen als das Virtuelle Safety Car ausgerufen wurde. Es war danach sehr schwierig, das Rennen auf dem Soft zu beenden", schildert Leclerc. "Wir haben aber eine tolle Performance gezeigt und sind noch Neunter geworden nachdem wir nach zwei Runden Letzter waren. Tolle Leistung vom ganzen Team!"

Leclerc bekommt es mit Alonso zu tun

Schwierig war es jedoch nicht nur wegen der Reifen. Auch wegen der Stärke der Gegner. Einmal mehr bekam es Leclerc mit keinem Geringeren als Fernando Alonso zu tun. "Fernando ist etwas später auf Soft gewechselt und hat dann seine Erfahrung ausgespielt. Er war sehr clever, hat seine Reifen gut beisammengehalten und war so am Ende sehr schnell mit Reifen, die noch in besserer Verfassung waren", schildert Leclerc den heißen Tanz gegen Rennende.

Am Ende setzte sich Alonso durch, raubte einen Platz in den Punkten. Entsprechend war sich Leclerc der nächsten Top-Ten-Fahrt nie sicher. "Es gab keinen Punkt, an dem ich dachte, es ist geschafft. Ich habe einfach gepusht wie verrückt - nach meinem Fehler noch mehr. Da wollte ich aufholen und einen noch besseren Job machen und es hat geklappt", sagt Leclerc, atmet auf. Denn noch dazu sorgte sich der Monegasse in den letzten Runden auch noch um seinen neunten Platz. Den hatte er nach 66 Runden freiwillig an den Teamkollegen abgetreten.

Marcus Ericsson überzeugt als Teamplayer

"Marcus war einfach auf einer anderen Strategie", erklärt Leclerc. Sauber versuchte durch den Positionstausch seiner Fahrer, dem im Schlussstint auf Supersofts fahrenden Ericsson noch einen Angriff auf Alonso davor zu ermöglichen, wollte schauen was ging. Sollte klar sein, dass es nicht gehen würde, könnte man ja wieder zurücktauschen. In der Formel 1 eine recht übliche Variante. Doch Leclerc war nicht sicher, ob Ericsson mitspielen würde. Doch der Schwede blieb fair, trat den Platz wieder ab, holte so mit P10 seinerseits immerhin noch einen Punkt.

Faires Teamplay bei Sauber: Ericsson gab Leclerc Platz neun zurück, Foto: Sutton
Faires Teamplay bei Sauber: Ericsson gab Leclerc Platz neun zurück, Foto: Sutton

"Es war ein tolles Rennen. Ich habe mich im Auto wohl gefühlt, und hatte seit dem Start gute Rundenzeiten. Unsere Strategie hat sehr gut funktioniert. Unsere Mechaniker hatten auch einen weiteren schnellen Boxenstopp - ich bin sehr stolz auf die Crew. Es war ein tolles Resultat für das gesamte Team, beide Autos in den Punkten zu haben - vor allem nach dem schwierigen Qualifying von gestern. Wir können alle stolz auf unsere Leistung sein. Ich freue mich für das Team und auch für mich selbst", sagt Ericsson.

Erstmals seit 2015 beide Sauber in den Punkten

Das bescherte Sauber das erste doppelte Punktergebnis seit 2015. "Das gibt dem Team einen tollen Schub. Sie haben das echt verdient nach all der harten Arbeit", sagt Leclerc. "Zwei Autos in den Punkten zu haben, ist eine wichtige Leistung für das ganze Team - an der Strecke, sowie zuhause im Werk. Das ist ein weiteres Zeichen, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen", lobt Teamchef Frederic Vasseur.

Nach einem derart dramatischen Wochenende mit einem solchen Happy End stellt sich nun natürlich einmal mehr die Frage: Kann es Sauber jetzt nicht doch einfach immer aus eigener Kraft schaffen? Immerhin halfen in Spielberg Red Bull, Mercedes und Renault wegen diverser Defekte zwar kräftig mit, doch machte sich Sauber das Leben zum Ausgleich eben auch selbst schwerer als nötig.

Charles Leclerc bleibt vorsichtig. "Nein, ich bin noch immer nicht ganz überzeugt", sagt Leclerc mit einem Schmunzeln, als Motorsport-Magazin.com ihm dieselbe Frage wie nach Frankreich erneut stellt. "Aber wir können schon extrem zufrieden mit unserer Leistung sein. P13, dann fünf Plätze Strafe. Dann vor auf P14, dann ins Kies und Letzter und dann wieder zurück in die Punkte. Tolles Ergebnis fürs Team!"