Geschichte wiederholt sich nicht, heißt es oftmals. Aber der Frankreich GP 2018 erinnert bislang stark an das Formel-1-Wochenende in Barcelona. Streckencharakteristik, Asphalt und Reifen. Zwar waren die Mischungen dort eine Stufe härter, aber die Lauffläche war ebenfalls um 0,4 Millimeter dünner.

"Das hier ist aber nicht Barcelona", meinte Sebastian Vettel nach dem Qualifying auf dem Circuit Paul Ricard. Recht hat er, aber die Parallelen sind frappierend. Neben den eingangs erwähnten Faktoren ist auch das Ergebnis durchaus ähnlich. Die Top-3 gehen in exakt der gleichen Reihenfolge ins Rennen wie in Spanien: Lewis Hamilton vor Valtteri Bottas und Sebastian Vettel.

Nach zuletzt schwierigen Rennen dominiert Mercedes in Le Castellet wieder. Ein nicht unwesentlicher Teil scheint dabei von den Reifen zu kommen. Auch wenn Vettel nach dem Barcelona-Test von seiner ursprünglichen Kritik zurückruderte, die Silberpfeile kommen offenbar mit dem dünnen Gummi am besten zurecht.

Auch wenn sich 0,4 Millimeter nicht nach dramatisch viel anhören, über den gesamten Reifensatz fehlt somit ein Kilogramm Gummi. Für die Hintergründe, warum sich Pirelli an drei Rennwochenenden der Formel-1-Saison 2018 für diese Reifen entschieden hat, empfehlen wir an dieser Stelle das ausführliche Interview mit Pirellis Formel-1-Einsatzleiter Mario Isola.

Ferrari startet in Frankreich auf Supersoft-Reifen

Zurück zum Frankreich GP: Als einziges Top-Team qualifizierte sich Ferrari im Q2 auf den Ultrasoft-Reifen. Mercedes und Red Bull fuhren ihre schnellsten Q2-Runden auf den Supersoft-Pneus. Zur Erinnerung: Die Reifen aus Q2 sind auch gleichzeitig die Startreifen.

"Wir haben eine andere Strategie, mal sehen, was sie bringt", sagte Vettel nach der Qualifikation. Besonders optimistisch hört sich das nicht an. Am Start soll der Extra-Grip der weicheren Reifen rund vier Meter, also eine halbe Startposition bringen, danach allerdings wird es schwierig, mit den Ultrasoft-Pneus zu haushalten.

"Ich hoffe natürlich nicht auf einen Extra-Stopp", sagte Vettel in Anlehnung an Barcelona. Dort hatte er zwar eigentlich die gleiche Strategie wie die beiden Mercedes-Piloten, wollte eine VSC-Phase aber für einen zusätzlichen Reifenwechsel nutzen. Der Schuss ging nach hinten los, Vettel verlor Platz drei an Max Verstappen.

Einen Extra-Stopp will Ferrari auf jeden Fall vermeiden, auch weil die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Boxengasse von 80 auf 60 Stundenkilometer herabgesetzt wurde. Aber tatsächlich könnte sich mit Red Bull ein ähnliches Rennen entwickeln.

Kann Verstappen Vettel angreifen?

Aus eigener Kraft - außer am Start - glaubt auch Red Bull selbst nicht an ein Überholmanöver auf der Strecke gegen Vettel. "Ich hoffe, dass ihre Reifen früher eingehen", so Verstappen. Aller Voraussicht nach wechseln alle Einstopper auf Soft-Reifen. Mit einem längeren ersten Stint kann Red Bull einerseits den Overcut probieren, andererseits länger auf ein Safety-Car oder ein VSC für den Stopp warten. Und in der zweiten Rennhälfte haben die Bullen dann noch immer die etwas neueren Reifen.

All das gilt natürlich nur, wenn Red Bull nicht versucht, mit einem Undercut vorbeizukommen. Auch das könnte sich dank der Strategie als probates Mittel herausstellen. Das Delta von frischen Soft-Reifen auf abgefahrene Ultrasofts ist höher als von frischen Soft auf abgefahrene Supersoft.

Doch Red Bull hatte im Qualifying Probleme. Verstappen landete schon drei Zehntel hinter Vettel, Ricciardo weitere zwei Zehntel. "Aber im Rennen wird es besser", ist sich Verstappen sicher. Der Niederländer haderte mit der Vorderachse. "Aber im Rennen pushen wir weniger, also wird es da kein Problem sein." Dann kommt auch der Motormodi nicht so stark zur Geltung. Bei der Rennpace ist man bei den Bullen also optimistisch.

Zumindest auf einer Seite der Garage. Denn bei Daniel Ricciardo griff man mit dem Setup etwas daneben. Die Idee, am Freitag zwei unterschiedliche Wege zu gehen, ging nach hinten los. Weil das 3. Training ins Wasser fiel, konnte Ricciardo die eigentlich präferierte Variante nicht mehr testen und blieb dann bei der High-Downforce-Variante vom Freitag. Dabei kämpfte er zusätzlich zum fehlenden Topspeed mit Untersteuern. "Wenn die Bedingungen ähnlich sind, wird das im Rennen nicht besser", fürchtet der Australier.

Vettel blickt nicht nach hinten: Mercedes das Ziel

Doch Vettel selbst blickt gar nicht so sehr nach hinten. Der WM-Führende schielt eher auf Mercedes. Angesichts der bisherigen Mercedes-Dominanz und der Barcelona-Parallelen vermessen? "Unsere Longruns waren am Freitag sehr gut", meint der vierfache Formel-1-Weltmeister.

Frankreich GP: Freitags-Longruns Ultrasoft

FahrerDurchschnt. ZeitReifen-AlterStint-LängeGefahren gegen
Vettel1:36,40373Ende
Verstappen1:37,21273Ende
Hamilton1:37,940145Anfang
Räikkönen1:38,023157Ende
Ricciardo1:38,657127Anfang

Der Ferrari-Star hat recht, Ferrari war am Freitag im Longrun deutlich konkurrenzfähiger als es das restliche Wochenende erahnen lässt. Doch - und man ahnt es an dieser Stelle bereits - in Barcelona war Vettel im Longrun auch vorne. Im Rennen konnte er dann keinen Stich mehr gegen Mercedes machen.

Frankreich GP: Freitags-Longruns Supersoft

FahrerDurchschnt. ZeitReifen-AlterStint-LängeGefahren gegen
Hamilton1:37,277123Ende
Ricciardo1:37,489129Ende
Vettel1:37,7522714Anfang
Verstappen1:38,077174Anfang

Dass Vettel auf der Streck etwas gegen die Silberpfeile ausrichten kann, daran glauben auch nur die wenigsten. Zu sehr tendiert die Konkurrenzfähigkeit Richtung Hamilton und Mercedes. Und selbst wenn Ferrari plötzlich schneller wäre: Die Rennstrecke in Paul Ricard ist überholfeindlich wie kaum eine andere Rennstrecke. Schließlich sollte es auch eigentlich eine reine Teststrecke sein. Dazu wird wieder extremes Reifenmanagement und gleichzeitig nur ein Stopp erwartet. Auf dem Papier ist der Frankreich GP 2018 jedenfalls kein Kracher.

Was Mut macht: Auf dem Papier war der Kanada GP ein Kracher. In der Praxis erwies er sich als Schlaftablette. Und: Das Wetter könnte erneut das Salz in der Suppe sein. Ausgerechnet zum späten Rennstart soll das Regenrisiko am höchsten sein. Dann könnte auch Daniel Ricciardo mit seinem High-Downforce-Setup wieder mitmischen. "Dann bin ich der Glückspilz", meint der Australier.

Die besten Frankreich-Momente: Brawn und Prost erinnern sich: (03:08 Min.)