Die Hypersoft-Reifen feiern in der Formel 1 Debüt! Die weichste Mischung von Reifenlieferant Pirelli kommt beim Großen Preis von Monaco 2018 erstmals zum Einsatz. Der pink markierte Pneu wurde speziell für Straßenkurse wie Monte Carlo entworfen. Entsprechend groß war die Vorfreude auf den Hypersoft. Weil der neue Reifen die Schlagzeilen am Trainingstag bestimmte, widmen wir die allseits beliebte Trainings-Analyse diesmal vor allem dem hypersoften Kleber von Pirelli.

Die Vorschusslorbeeren für die neue Reifenmischung waren groß. Viele Piloten sprachen von den besten Reifen, die Pirelli je für die Formel 1 entwickelt hat. Der Extra-Grip gefällt Fahrern. Vor allem, weil der Hypersoft nicht nur eine Stufe weicher ist als der Ultrasoft, sondern eher zwei. Rund eine Sekunde war er im 2. Freien Training zum Monaco GP schneller als sein violetter Bruder. Der wiederum war seinerseits nur rund eine halbe Sekunde schneller als die Supersofts.

Angesichts der Tatsache, dass Pirelli für die Saison 2018 alle Mischungen des gesamten Sortiments ohnehin schon eine Stufe weicher machte, verwundert es wenig, dass schon im Training der Streckenrekord fiel. Der Hypersoft ist also rund drei Stufen weicher als der Ultrasoft des vergangenen Jahres.

Vom neuen Asphalt profitieren die Reifen nicht. Im Gegensatz zu Barcelona, wo die Neuasphaltierung für zusätzlichen Grip sorgte, verfügt die neue Asphaltschicht, die in Monaco an manchen Stellen aufgetragen wurde, über ähnliche Eigenschaften wie die alte.

Die Fahrer genossen den Extra-Grip der Reifen am Donnerstag im Fürstentum sichtlich. Aber der Extra-Grip hat auch seine Kehrseite. "Der Hypersoft-Reifen fühlte sich gut an, aber er hält nicht sehr lange", meint Weltmeister Lewis Hamilton. Der Mercedes-Pilot weiter: "Er sieht gut aus fürs Qualifying, könnte aber im Rennen interessant werden."

Hypersoft-Reifen in Monaco anfällig für Graining

Das Problem lautet Graining. Die Oberfläche der Reifen rubbelt sich relativ schnell ab. Viele hatten selbst mit dem Hypersoft erwartet, fast das ganze Rennen durchstehen zu können. Doch das sieht nach dem ersten Trainingstag ganz anders aus. "Das ist unmöglich", sagte Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko zu Motorsport-Magazin.com.

"Es gibt Graining an allen Reifen, vor allem aber vorne links", gestand Pirellis Formel-1-Einsatzchef Mario Isola. Im Gegensatz zu den letzten Rennen gibt es daher auch wieder Reifenabbau. Ein recht ungewohntes Bild in Monaco. Am stärksten neigt der Hypersoft zum Graining, Ultrasoft und Supersoft deutlich weniger.

"Man muss beide Achsen stark managen", erklärt Renaults Technik-Chef Nick Chester. "Auf der Vorderachse ist das Graining ein großes Problem, die Hinterachse wird durch die Traktion sehr stark beansprucht."

Durch das Graining baut der Reifen nicht nur schneller ab, sondern verschleißt auch schneller. All das macht verrückte Strategien wie in der Vergangenheit fast unmöglich. Pirelli glaubt, dass die Boxenstopps vom Abbau, nicht mehr vom Verschleiß diktiert werden.

Formel 1 2018: Lewis Hamilton zu Ferrari? (06:37 Min.)

Safety-Car wird zum Strategie-Glücksspiel

In der Theorie wäre deshalb wahrscheinlich eine Zweistopp-Strategie schneller. In der Praxis wird das aber wohl niemand freiwillig versuchen, weil Track-Position in Monaco alles ist - Lewis Hamilton weiß seit seinem überflüssigen Reifenwechsel hinter dem Safety-Car ein Lied davon zu singen. Doch könnten der starke Reifenabbau und entsprechende Performance-Unterschiede vielleicht doch zu Überholmanöver führen? "Ganz klar, nein", meint Carlos Sainz.

Die Teams sehen sich aufgrund der Reifen-Situation in einem kleinen Dilemma. Was ist besser: Ein Start auf Hypersoft oder ein Start auf Ultrasoft? Die hohe Safety-Car-Wahrscheinlichkeit könnte hier das ganze Rennen durcheinanderwürfeln. Wer auf Ultrasoft startet und bei einem frühen Safety-Car zum Wechsel gezwungen wird, tut sich schwer, auf Hypersoft durchzufahren. Dann müssten eventuell die Supersofts aufgeschnallt werden - die deutlich langsamer sind. Oder man legt einen zweiten Stopp ein.

Wer auf Hypersoft losfährt, muss entsprechend früher stoppen und geht das Risiko ein, bei einem späteren Safety-Car viel zu verlieren, weil die Konkurrenz den Stopp unter dem neutralisierten Rennen 'billiger' bekommt. In den letzten Jahren waren diese Überlegungen weniger schwierig, weil man durch die längere Lebensdauer der Reifen deutlich variabler war. 2017 funktionierte der Overcut sogar besser als der Undercut.

Deshalb gehen die Meinungen 2018 auch auseinander. "Ich erwarte, dass die Top-10 definitiv versuchen werden, mit Ultrasoft zu starten. Denn es wird nicht leicht und ziemlich hart mit dem Reifenmanagement", glaubt etwas Force Indias Technik-Chef Andy Green. Doch das Risiko, sich mit Ultrasoft für Q3 zu qualifizieren, ist groß. "Ich kann es mir deshalb nicht vorstellen", meint hingegen Isola.

Monaco 2018: Profitiert Red Bull von Hypersoft-Reifen?

Durch die neuen Hypersoft-Reifen ist selbst im sonst recht langweiligen Monaco-Rennen für etwas Spannung gesorgt. Und der Hypersoft-Reifen scheint noch etwas anzustellen: Er beeinflusst offenbar das Kräfteverhältnis. "Unser Auto ist damit ziemlich schnell", freut sich etwa Max Verstappen.

Die Red Bulls dominierten am Donnerstag, Sebastian Vettel musste sich im Ferrari schon um mehr als eine halbe Sekunde geschlagen geben. Ein Vorsprung, der aber sicherlich nicht nur den Hypersoft-Reifen, sondern vor allem der Streckencharakteristik geschuldet ist. Deshalb ist die Hoffnung bei Red Bull groß, endlich auch im Qualifying vorne zu stehen. "Der Vorsprung war so groß, dass wir auch hoffen können, den Partymodus zu überstehen", so Marko.

Doch Ferrari zeigte schon oftmals in der Formel-1-Saison 2018, dass der Trainingstag noch nicht das wahre Bild wiederspiegelt. Darauf baut auch Vettel: "Red Bull hat stark ausgesehen, aber es ist nicht das erste Mal, dass sie am Freitag stark sind."

Red Bull scheint mit den Hypersofts sehr gut zurechtzukommen, Foto: Red Bull
Red Bull scheint mit den Hypersofts sehr gut zurechtzukommen, Foto: Red Bull

Longruns in Monaco mit wenig Aussagekraft

Auf die sonst übliche ausführliche Longrun-Analyse des Trainings verzichten wir an dieser Stelle aus mehreren Gründen. "Der Longrun ist hier ein bisschen wurscht, weil es wichtiger ist, vorne zu stehen", nennt Vettel selbst Grund Nummer eins.

Doch durch den hohen Reifenabbau und die dadurch entstehenden Möglichkeiten bei der Strategie wird er zumindest etwas relevanter. Doch verschiedene Faktoren machen die Longruns in Monaco schwer durchschaubar. Der Verkehr war diesmal noch schlimmer, weil durch den losen Kanaldeckel 30 Trainingsminuten fehlten.

Außerdem gab es keine klare Longrun-Strategie bei den Mischungen. Manche fuhren erst mit Hypersoft und dann mit Ultrasoft, andere umgekehrt. Das verfälscht das Bild extrem. Andere - Red Bull - fuhren sogar nur mit Hypersoft. Und bei Mercedes probierte Hamilton sogar die Supersoft. Deshalb listen wir die Zeiten auf, weisen aber auf ihre geringe Relevanz hin.

Longrun-Zeiten auf Hypersoft

FahrerZeitGefahren gegenStint-LängeReifenalter
Verstappen1:15,044Ende1020
Ricciardo1:15,253Ende1020
Vettel1:15,599Anfang518
Bottas1:16,195Anfang615
Verstappen1:16,284Anfang920
Räikkönen1:16,649Anfang619

Longrun-Zeiten auf Ultrasoft

FahrerZeitGefahren gegenStint-LängeReifenalter
Vettel1:15,684Ende1323
Räikkönen1:15,781Ende616
Bottas1:16,132Ende1020

Longrun-Zeiten auf Supersoft

FahrerZeitGefahren gegenStint-LängeReifenalter
Hamilton1:15,978Ende715