Shooting-Star oder Bay Boy? Haas-Pilot Kevin Magnussen ist beides. Der Däne holte sich in der Formel-1-Saison 2018 schon mehrmals den Titel Best of the Rest, schlägt Teamkollege Romain Grosjean inzwischen regelmäßig. Doch immer wieder macht er auch mit (zu) aggressiven Aktionen auf sich aufmerksam. Motorsport-Magazin.com verabredete sich mit Magnussen zum Interview.
Es gab nach dem Rennen in Baku ein paar ziemlich heftige Schlagzeilen, zu denen du dich in den sozialen Netzwerken selbst geäußert hast. Wie fühlst du dich, wenn du solche Schlagzeilen siehst, die völlig aus dem Kontext gerissen und nur Blödsinn sind?
Kevin Magnussen: So sind die Medien heutzutage einfach. Die sind völlig kaputt...
Was meinst du mit kaputt?
Kevin Magnussen: Einfach die Art und Weise wie die Medien heute arbeiten. Die Dinge sind äußerst selten im richtigen Kontext. Es geht alles nur darum, die meisten Klicks zu bekommen und die dramatischste Schlagzeile. So viel Drama wie möglich, aber nicht viel Substanz...
Machst du deshalb etwas anders? Denkst du mehr darüber nach, bevor du etwas sagst?
Kevin Magnussen: Es ist für mich schwierig, unehrlich zu sein. Wenn ich nach etwas gefragt werde, fällt es mir wirklich schwer, nicht meine ehrliche Meinung abzugeben. Manchmal wirst du etwas gefragt, gibst eine ehrliche Antwort und es wird zu etwas aufgeblasen, das es so nicht verdient hat. Hin und wieder kommt da eine schlechte Story dabei heraus oder eine, an der nichts dran ist.
Ich denke nicht, dass mit den Interviews die ich gegeben habe irgendetwas nicht gestimmt hat. Ich glaube, dass manche Medien meine Zitate einfach genommen haben, um eine ganz andere Situation, die mit Pierre [Gasly in Baku], aufzublasen. Sie haben meine Aussagen falsch benutzt. Das meine ich, wenn ich sage, dass die Medien heutzutage kaputt sind. Es ist einfach nicht die Wahrheit. Glaube nichts von dem, was du liest...
Als du noch bei McLaren warst hatte man eher einen anderen Eindruck von dir. Du schienst wie ein McLaren-Stereotyp, das Kind von Ron Dennis. Jetzt bist du ein ganz anderer Mensch. Ist das nur der Eindruck den wir haben oder geht es dir genauso?
Kevin Magnussen: Ich bin kein anderer Mensch. Aber ich habe einen anderen Ansatz zum Racing und zur Formel 1, generell. Bei McLaren war alles sehr neu, sehr groß, sehr viele Eindrücke die man verarbeiten musste. Meinen Platz in der Formel 1 zu finden hat eine Weile gedauert. Besonders im ersten Jahr. Dazu hatte ich mit McLaren aber auch ein Team, das irgendwelche Probleme in den Medien, falsche Geschichten oder schlechte Publicity gar nicht mochte. Niemand will das, aber für mich war es einfacher, mich zurückzuhalten.
Von außen sah es so aus, als ob du bei Renault etwas mehr aus dir herausgekommen bist und jetzt einfach nur Kevin bist...
Kevin Magnussen: Ja, jetzt fühle ich mich frei, das zu sagen was ich denke. Sowohl im als auch außerhalb des Autos ist es mir nun erlaubt, meine eigenen Grenzen auszuloten. Ich kann meinen eigenen Weg finden, nicht nur im Umgang mit den Medien sondern auch dabei wie ich Rennen fahre. Wie ich mich darauf vorbereite, wie ich lebe, das alles passt mir viel besser. Niemand sagt mir, was ich machen soll. Wir sind uns alle einig, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben.
Und das ist, so viele Punkte und die bestmöglichen Resultate zu holen. Das Team vertraut darauf, dass ich für mich und für meine Performance das Richtige tun werde. Sie überlassen es mir und sie vertrauen mir. Sie geben mir die Verantwortung. Bei McLaren, besonders dort, sagen sie dir immer was du zu tun hast. In jeder Lebenslage. Wie du leben sollst, wie du sein sollst, was du sagen oder tun sollst. Hier ist es anders.
Was machst du mit dieser Freiheit? Was hat sich dadurch für dich geändert?
Kevin Magnussen: Ich lebte zum Beispiel in England, in Woking. Ich fuhr dort viel im Simulator, aber eigentlich konnte ich in Dänemark besser trainieren. Denn dort hatte ich ein paar Leute und sogar Anlagen, die besser waren. Bei McLaren hatten sie Anlagen zum Trainieren, aber es war nicht notwendig, dort zu sein. Ich bin nur für den Simulator hin und hergereist. Ich habe mich in England wirklich sehr isoliert gefühlt.
Das ist nur ein Beispiel dafür, wie McLaren sehen wollte, dass ich entschlossen bin. Sie wollten sehen, dass ich mein Leben in Dänemark mit meinen Freunden und meiner Familie opfern kann, um in Woking zu sein und dort dafür zu leiden. Letztendlich war ich aber nur glücklich, in der Formel 1 zu sein und diese Chance bekommen zu haben.
Eine letzte Frage zu deiner McLaren-Zeit: Du hast uns in einem Interview nach Melbourne 2014 versprochen, dass das nicht dein einziges Formel-1-Podium sein würde. Also, wann kommst du zurück? Ist es eine Frage von ob oder wann?
Kevin Magnussen: Ich habe das Gefühl, dass es um das Wann geht. Es gibt in mir nichts, das irgendwie aufgegeben hätte. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich meine Chancen vertan habe. Klar, ich war auf dem Podium. Es war in meinem ersten Rennen, das ist schon ein bisschen seltsam. Ich glaube, dass mein erstes Podest ein sehr glückliches war. Alle Gegebenheiten waren richtig und ich wurde am Ende sogar Zweiter, das war verrückt.
Aber ich bin auch jetzt nicht so weit weg. In Australien war ich Vierter, und das verdient. Ich habe den Red Bull in der ersten Kurve überholt und war Vierter. Das ist nicht so weit vom Podium entfernt. In Bahrain war ich Fünfter, ebenfalls verdient. Ich denke, mit einem perfekten Wochenende und dazu etwas Glück kann es auch im Haas klappen. Aber du brauchst etwas Glück.
Abgesehen davon, dass der Haas in diesem Jahr stärker ist, sieht es so aus, als ob du eine regelrechte Performance-Explosion hattest. Wo kommt das her?
Kevin Magnussen: Ich denke, da geht es um viele Dinge. Ein zweites Jahr bei einem Team zu sein hat sehr geholfen. Sie haben mich jetzt viel besser kennengelernt. Sie verstehen wie ich fahre, was ich brauche, meine Schwächen und meine Stärken. Dadurch haben sie eine viel bessere Möglichkeit mir zu helfen, mich zu unterstützen und mir zu geben, was ich brauche.
Das ist eine große Sache wenn man in die Rennen geht. Dazu auch die Erfahrung aus dem Vorjahr zu haben, mit denselben Leuten, ob Ingenieure oder Mechaniker. Alle wissen Bescheid. Du kannst auf das letzte Jahr schauen und sagen: Okay das hat funktioniert und das hat nicht funktioniert und dich dementsprechend anpassen.
Ist das der ultimative Beweis, dass dein Wechsel zu Haas die richtige Entscheidung war? Denn es war immer deine zentrale Forderungen, nicht nur einen Einjahresvertrag zu erhalten.
Kevin Magnussen: Eines der Dinge, die ich wirklich brauchte, war etwas Commitment von meinem Team. Das hatte ich in der Formel 1 nie, weder bei McLaren noch bei Renault. Sie ließen sich immer alles offen und machten keine Anstrengungen, dir irgendwelche Sicherheiten zu geben. Ich bin hier bei Haas angekommen und habe sofort die warme und freundliche Atmosphäre gespürt, und auch ihr Commitment.
Das gibt dir so viel mehr Selbstvertrauen. Klar, wir sind ein kleines Team. Aber ich bin sicher, dass es für jeden Fahrer das Beste ist, wenn er sich sicher fühlt und das Vertrauen vom Team spürt. Denn ich gebe dem Team alles was ich kann, also erwarte ich von ihnen, dass sie mir auch alles geben.
Wozu ich dich auch fragen muss, ist deine Reputation im Fahrerlager. Es gibt ein paar Fahrer, die dich für dreckig und unfair halten. Und das sind wirklich nicht nur die Schlagzeilen in den Medien, denn sie sagen es im Funk oder in den Medienrunden. Denkst du, dass es etwas gibt, das dich zu einem dreckigen Fahrer macht? Oder hast du diesen Eindruck selbst überhaupt nicht?
Kevin Magnussen: Ich gebe auf der Rennstrecke mein Bestes. Ich gebe im Auto alles was ich habe und das werde ich auch niemals ändern.
Es klingt vielleicht etwas seltsam und hart, aber mit manchen Piloten haben wir schon über ein Arschloch-Gen gesprochen, das du in der Formel 1 vielleicht brauchst. Denn du bist ja nicht hier, um Freunde zu finden, weder auf noch neben der Strecke. Wir werten das nicht als schlechte Eigenschaft, weil du es brauchst. Würdest du sagen, dass du dieses Gen von Natur aus hast?
Kevin Magnussen: Ich weiß nicht. Ich habe einfach nur das Gefühl, dass ich mein Bestes gebe und mir ist es egal, was die anderen Fahrer darüber denken. Es könnte mich wirklich nicht weniger interessieren, was sie denken. Was für mich zählt, ist, dass ich aus meinem Rennen das Maximum herausgeholt habe. Wenn ich eine Strafe bekomme, habe ich aus meinem Rennen nicht das Beste herausgeholt.
Wenn ich bestraft werde, habe ich einen Fehler gemacht. Dann liegt es an mir, mich zu ändern und mich zu verbessern. Mir ist es egal, wenn sie denken, dass ich dreckig fahre. Wenn ich keine Strafe bekomme, bedeutet das, dass bei mir alles in Ordnung ist. Das ist mein Anhaltspunkt. Sie können sagen, was sie wollen. Ich versuche nur mein Bestes zu geben und in jedem Aspekt des Motorsports so nah wie möglich ans Limit zu gehen.
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