Das letzte Rennen der Formel-1-Saison 2017 lieferte das unschöne Sahnehäubchen auf eine Saison, die gefühlt viel zu wenig Überholmanöver lieferte. Schon vor der Einführung der neuen Chassis-Regeln für 2017 gab es kritische Stimmen, die davor warnten, dass das Problem der "Dirty Air" durch die ausgeklügeltere Aerodynamik noch zunehmen wird. Der Blick auf die Anzahl der Überholmanöver zeigt nun: Im Vergleich zu 2016 gab es tatsächlich einen deutlichen Einbruch.

Die Gesamtzahl der Überholmanöver halbierte sich fast von 866 im Vorjahr auf nur noch 435 in dieser Saison. Somit gab es statt 41,2 nur noch 21,8 Überholmanöver im Schnitt pro Rennen. Damit lassen sich die Befürchtungen nun auch faktisch belegen. Das Delta der Pace zweier Fahrzeuge musste 2017 weit über eine, auf manchen Strecken gar zwei Sekunden betragen, um tatsächlich einen Angriff auf den Vordermann starten zu können. Ansonsten war es für den Hintermann schlicht nicht möglich, zu folgen.

Besonders deutlich wird dieser Umstand durch weitere Kennziffern. Im Rennen mit den meisten Überholmanövern auf trockener Piste gab es 2016 insgesamt 128 Manöver, in China war dies der Fall. 2017 sank diese Zahl auf gerade einmal 42 Manöver, dieses Mal in Baku. Und selbst Regenrennen lieferten kaum noch das gewohnte Spektakel. In Shanghai gab es mit 31 Manövern die meisten in einem Regenrennen 2017, im Vorjahr lag der Wert noch bei 64 und damit mehr als doppelt so hoch, aufgestellt in Brasilien.

Nun gab es auch vor 2017 bereits Rennen in der Formel 1, die eher einer Prozession glichen und wenig Spannung boten. Doch selbst das an Überholmanövern ärmste Rennen 2016, der Ungarn GP, lieferte immerhin noch zehn Manöver. Im Vergleich zum Pendant 2017 war das aber sogar noch ein echtes Überhol-Fest. Denn während des Russland GP 2017 gab es - festhalten - genau ein (!) Überholmanöver.

Überhol-Statistiken 2016 und 2017 im Vergleich

20162017
Überholmanöver gesamt866435
Überholmanöver pro Rennen41,221,8
Meiste Manöver in einem Trockenrennen128 (China GP)42 (Aserbaidschan GP)
Meiste Manöver in einem Regenrennen64 (Brasilien GP)31 (China GP)
Wenigste Manöver in einem Rennen10 (Ungarn GP)1 (Russland GP)

Der Titel des Überholkönigs 2017 geht übrigens an Daniel Ricciardo. Der Australier überholte insgesamt 43 Mal, setzte also statistisch jedes zehnte Manöver in dieser Saison. Er folgt damit seinem Teamkollegen Max Verstappen, der 2016 den Titel einheimste - mit 78 Manövern, wohlgemerkt. Der Niederländer kam in diesem Jahr noch auf 22 Überholaktionen und verhalf damit Red Bull mit 65 Manövern insgesamt zum Status als gefährlichstes Team in diesem Bereich.

Ricciardo war auch der Fahrer, der innerhalb eines Rennens die meisten Fahrer kassierte. In Silverstone überholte er 13 Mal. Selbst überholt wurde Ricciardo neunmal, in dieser Wertung liegt er nicht ganz vorne. Diese Ehre gebührt einerseits Verstappen, andererseits Weltmeister Lewis Hamilton, die beide jeweils nur zweimal im Saisonverlauf einen Platz im Zweikampf abgeben mussten. Sebastian Vettel wurde dreimal überholt.

Max Verstappen war 2017 kaum zu überholen, Foto: Mercedes-Benz
Max Verstappen war 2017 kaum zu überholen, Foto: Mercedes-Benz

Weniger Boxenstopps = weniger Taktik

Doch nicht nur die fehlenden Überholmanöver sorgten für wenig Spannung. Auch über die Strategie konnten die Teams nur wenig ausrichten. Die Reifen waren durch Pirellis konservative Herangehensweise härter und damit haltbarer als im Vorjahr. Das zeigt sich auch beim Blick auf die Anzahl der Boxenstopps.

2017 gab es in allen Rennen zusammengenommen 533 Boxenstopps. Das entspricht 26,7 Stopps pro Rennen respektive 1,5 Stopps pro Fahrer und Rennen. In der Vorsaison lagen auch diese Werte noch deutlich höher. Insgesamt gab es 933 Boxenstopps, also 75 Prozent mehr. Auch die Durchschnittswerte pro Rennen (44,4) sowie pro Fahrer und Rennen (2,01) waren im Vorjahr höher.

Zumindest die Anzahl an Boxenstopps soll im kommenden Jahr wieder deutlich zunehmen. Pirelli hat erst jüngst die Reifenmischungen für 2018 präsentiert, insgesamt gibt es sechs Mischungen Trockenreifen, die insgesamt eine Stufe weicher sein sollen als die diesjährigen Pneus. Damit soll die Strategie wieder ein höheres Gewicht bekommen. Und die Rennen wieder an Spannung zulegen.