Der WM-Kampf findet beim Grand Prix von Japan 2017 längst nur noch zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel statt. Hamiltons Mercedes-Stallgefährte Valtteri Bottas zählte sich vor der Sommerpause selbst noch zu den Titelaspiranten, hat mittlerweile jedoch 59 Punkte Rückstand auf den WM-Leader. Für den Nachfolger von Weltmeister Nico Rosberg läuft es in der zweiten Saisonhälfte bisher alles andere als rund.

"Es ist im Moment wirklich schwierig. Wir haben so ein gutes Auto mit so viel Potential für gute Resultate, also will ich auch abliefern", hadert der Finne mit den Ergebnissen der letzten Rennen. Während Hamilton mit einem Sieg-Hattrick in die zweite Jahreshälfte startete, befand sich Bottas gleich beim ersten Rennen in Spa-Francorchamps im Rückwärtsgang. Obwohl der Silberpfeil auf der Ardennen-Achterbahn noch eine Macht war, fuhr er dem Stallgefährten das gesamte Wochenende über hinterher.

In den darauffolgenden Rennen gelang es Bottas ebenfalls nicht, an seine Form aus den ersten elf Rennen anzuknüpfen. Er macht keinen Hehl daraus, dass er seinen eigenen Ansprüchen derzeit alles andere als gerecht wird. "Das Einzige was ich will ist, zu performen und die Ziele zu erreichen, die ich mir persönlich gesetzt habe, Das ist mir zuletzt definitiv nicht gelungen", gibt er offen zu. Bottas spart im Gegensatz zu vielen anderen Profi-Sportlern nicht mit Selbstkritik. Als Schwäche sieht er diese Offenheit jedoch nicht.

"Es interessiert mich nicht wirklich, was die Leute in der Öffentlichkeit denken. Ich bin immer sehr ehrlich mit mir selbst und wenn es irgendetwas gibt, das ich selbst verbessern kann, und ich in den Spiegel schaue und mir sage, dass ich etwas verbessern kann, tue ich das normalerweise auch", erklärt er. Auf der Suche nach einer Erklärung vermutete er das Problem aber zunächst nicht nur bei sich selbst, sondern auch auch bei seinem Dienstfahrzeug.

In der Formel 1 ist es nicht ungewöhnlich, dass bei einem Chassis der Wurm drin ist und der betroffene Fahrer nach dem Wechsel auf einen neues wieder zurück zur alten Form findet. "In Belgien habe ich eine schlechte Leistung gezeigt. Sowohl die erste Rennhälfte als auch das Qualifying liefen nicht gut für mich, also habe ich viele Fragen gestellt", erklärt Bottas, dass er auch bei den Ingenieuren nach Antworten suchte.

"Ich wollte ganz einfach alle Dinge ausschließen können, die einen Einfluss haben könnten. Also wollte ich auch sicherstellen, dass das Material gut ist." Beim Team direkt um ein neues Chassis gebeten habe er jedoch nicht: "Nicht direkt. Mit der heute verfügbaren Technologie könnte das Team ein Problem am Chassis feststellen, bevor wir es einfach wechseln. Ich vertraue dem Team dahingehend, dass sie alles tun um sicherzustellen, dass das Auto in einem guten Zustand ist."

Bottas: Hamilton holt mehr aus dem Mercedes heraus

Dass der Mercedes nicht auf jeder Rennstrecke einfach zu handhaben ist, zeigte sich in der ersten Saisonhälfte mehrfach. Hier war es in Monaco und Sochi jeweils Hamilton, der mit dem von Teamchef Toto Wolff zur Diva erklärten F1 W08 eine Probleme hatte. Bottas hingegen schien mit dem launischen Boliden besser zurechtzukommen. In den letzten Rennen zeigte sich das genaue Gegenteil. "Die Kompromisse die wir auf manchen Kursen eingehen müssen, um ins richtige Fenster zu kommen, waren manchmal eine ziemliche Herausforderung", gesteht Bottas.

Der 28-Jährige glaubt, dass er sich zuletzt nicht so gut anstellte wie der Teamkollege. "Ich denke, Lewis war einfach in der Lage, mit einem schwierigen Setup etwas mehr herauszuholen. Ein paar Dinge beim Fahrstil machen immer einen Unterschied", erklärt Bottas, der davon überzeugt ist, dass er an der schwierigen Situation wachsen kann. "Du brauchst immer ein schlechtes Wochenende, um daraus zu lernen. Ansonsten wirst du diese Unterschiede nicht bemerken."

Die Abstände auf Hamilton sind seit der Sommerpause konstant. Im Regen von Monza verlor er im Qualifying zwei Sekunden, in Singapur und Sepang unter trockenen Bedingungen jeweils über eine halbe Sekunde, ähnlich wie in Spa-Francorchamps. "Es sind keine großen Dinge, sondern nur Details. Aber so ist der Sport. Es geht immer um Nuancen und darum, deinen Fahrstil anzupassen. Das kann manchmal sehr schwierig sein und dann fühlt sich auch das Fahren nicht mehr so natürlich an", so Bottas.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff kann die Probleme seines Piloten nachvollziehen. "Wir haben ein Auto, das ein sehr enges Arbeitsfenster in Sachen Reifen hat. Nicht in diesem Fenster zu sein, ist ein grundlegendes Problem für uns in der Saison 2017", so der Österreicher, der Bottas nicht als einzigen Fahrer mit derartigen Schwierigkeiten sieht. "Der Fahrstil spielt dabei eine große Rolle. Lewis konnte sich besser anpassen als Valtteri. Aber bei den anderen Teams gibt es auch Diskrepanzen unter den Teamkollegen. Es ist nicht so, dass er der einzige Top-Fahrer wäre, der darunter leidet."

Bottas hat aus Malaysia-Debakel gelernt

Bottas glaubt, dass er sich momentan in einem Lernprozess befindet. "Ich sehe die Dinge positiv. Aus all diesen schwierigen Wochenenden die wir hatten, konnte ich so viel lernen um besser zu werden", so der Finne. Vor allem Malaysia soll in dieser Hinsicht hilfreich gewesen sein: "Beim Rennen in Malaysia wurden mir so viele Antworten auf meine Fragen gegeben. Wir haben zusammen mit den Ingenieuren versucht, jedes einzelne Detail zu verstehen. Ich habe sehr aus dem letzten Wochenende gelernt."

Wolff glaubt daran, dass Bottas bald zu seiner alten Form zurückkehren wird. "Ich denke, er wird über diese harte Zeit hinwegkommen. Es heißt, ruhige Meere machen keine harten Seeleute. Er wird sich aus der gegenwärtigen Performance-Misere befreien und stärker zurückkommen. Er hat ein Formtief in den letzten Rennen, aber niemand schreibt Valtteri ab", ist der Teamchef überzeugt.