Lewis Hamilton möchte die Formel-1-Weltmeisterschaft 2017 gewinnen. Aber nicht um jeden Preis. Seinen vierten WM-Titel will der Mercedes-Pilot mit so viel Stil wie nur möglich einfahren - und deshalb nach Möglichkeit auf jede Form von Teamorder verzichten.
Oder besser gesagt: Hamilton will alles daran setzen, dass Mercedes sich gar nicht erst genötigt sieht, das bei den Fans so wenig geliebte, weil in den sportlichen Wettkampf eingreifende, Mittel einzusetzen wie es etwa Ferrari seit Monaten vorlebt.
Dort zählt Stallregie praktisch seit Saisonbeginn zum Tagesgeschäft. Sebastian Vettel gilt de facto seit seinem Auftaktsieg in Australien als WM-Fahrer, Kimi Räikkönen als Stallbursche oder Steigbügelhalter im Rennstall von Maranello.
Mercedes-Teamorder durch WM-Situation immer wahrscheinlicher
Mercedes wählte bislang einen anderen Ansatz, sträubte sich gegen jede Form von Teamorder mit Blick auf das WM-Gesamtbild (nicht einzelne Rennentscheidungen). In Ungarn zum Beispiel schenkte Lewis Hamilton nach erfolglosem Angriff auf Ferrari seine zuvor von Valtteri Bottas geschenkte dritte Position sogar freiwillig wieder her.
Doch inzwischen scheint sich das Blatt Stück für Stück zu wenden. In Monza, noch mehr in Singapur machte die Teamführung um Toto Wolff zunehmend Andeutungen, bald vielleicht nicht mehr um eine klare Zuteilung der Fahrer herumzukommen. Sprich, eine Nummer eins und eine Nummer zwei zu wählen.
Hintergrund: Durch zuletzt drei Siege am Stück kristallisiert sich Lewis Hamilton auch auf dem Papier klarer und klarer als Top-Anwärter der Silberpfeile heraus. 51 Punkte Vorsprung auf Valtteri Bottas bei noch sechs ausstehenden Rennen, also 150 zu holenden Zählern, sprechen eine deutliche Sprache.
Hamilton: Will Teamorder mit Pace unnötig machen
Doch Lewis Hamilton selbst will das Inkrafttreten einer klaren Rollenverteilung bei Mercedes zu seinem Vorteil abwenden. "Mein Ziel ist es, sicherzustellen, dass wir nicht in eine Position kommen, in der sie es (Teamorder, Anm. d. Red.) machen müssen", sagt Hamilton. Zwischen den Zeilen lässt sich bereits erahnen, wie der Brite das zu erreichen gedenkt: Mit roher Pace.
"Mein Ziel ist, sicherzustellen, dass ich jedes Wochenende den besseren Job mache - was nicht immer der Fall ist, denn Valtteri wird stärker darin, das Auto zu verstehen", stellt Hamilton klar. "Ich denke, dass Ungarn zum richtigen Zeitpunkt geschehen ist. Mein ehrliches Ziel ist, sicherzustellen, dass ich nicht noch einmal in dieser Position bin. Es ist eine leichte Entscheidung, wenn das Team keine Entscheidung treffen muss", ergänzt der WM-Leader.
Lewis Hamilton erwartet Einsicht von Valtteri Bottas
Noch dazu sei er sicher, Bottas werde schon die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen, sollte der Finne Hamilton doch einmal den Schneid abkaufen und damit im WM-Kampf gegen Vettel schaden können. "Ich denke, dass Valtteri seine eigenen Entscheidungen treffen wird, sobald er spürt, dass der Titel für ihn außer Reichweite ist - wann auch immer das ist", sagt Hamilton.
Großer Respekt, großes Vertrauen schwingen mit - eine Harmonie, die es bei Mercedes in den Vorjahren so nie gegeben hat. Doch mit Bottas kommt Hamilton richtig gut aus. So gut, dass er es sich in Ungarn sogar hätte erlauben können, Bottas nicht wieder vorbei zu lassen. "Valtteri kam nachher zu mir und sagte mir, er habe gar nicht erwartet, dass ich ihn wieder vorbei lassen würde", berichtet Hamilton.
"Aber stellt euch mal vor ich wäre so. Shit! Für mich war das einfach die richtige Entscheidung. Aber ich denke, selbst wenn ich vorne geblieben wäre, hätte er es verstanden. Ich denke nicht, dass er deshalb angepisst gewesen wäre. Ich war sieben Sekunden vorne. Wenn er direkt hinter mir gewesen wäre - dann vielleicht", erklärt Hamilton. "Ich denke, dass wir einfach eine gute Arbeitsbeziehung haben."
Bottas: WM-Kampf mit Etappenziel Vettel
Zumindest in einem Punkt wird sich Hamilton aber offensichtlich noch gedulden müssen: Seine WM-Chancen hat Valtteri Bottas noch längst nicht aufgegeben - wenngleich der Finne erst einmal in Etappenzielen denkt. "Das nächste Ziel ist, zu versuchen, vor Sebastian zu gelangen", sagt Bottas. "Aber ich würde niemals den Titelkampf aufgeben bis es Punkte-technisch keine realistische Möglichkeit mehr gibt. Ich weiß, dass das eine lange Angelegenheit ist, aber es würde keinen Sinn ergeben, aufzugeben."
Doch erscheint Ziel Nummer eins - Sebastian Vettel - für Bottas in Malaysia ohnehin schon Aufgabe genug. "Es wird ein harter Kampf mit Ferrari und auch Red Bull würde ich nicht unterschätzen", sagt Bottas. "Sie werden dieses Jahr immer stärker und waren an manchen Orten überraschend schnell. Ich denke, dass es ein enger Kampf wird. Aber hier sollte es für uns besser laufen als zuletzt in Singapur."
Hamilton sicher: Vettel schlägt in Malaysia zurück
Von nicht minder großem Widerstand geht Lewis Hamilton in Malaysia aus. Insbesondere von Sebastian Vettel erwartet der Brite einen starken Konter. "Er ist immerhin viermaliger Weltmeister", sagt Hamilton. "Aber es ist schwer zu wissen, wie er reagiert. Der Fehler im letzten Rennen ... ich weiß nicht wie stark er zurückschlagen wird. Aber ich muss annehmen, dass er dieses Wochenende stark kontern wird", ergänzt der Mercedes-Pilot.
Zusätzliches Vertrauen verleiht Hamilton seine jüngste Siegesserie jedenfalls nicht. "Ich habe über die letzten Rennen nicht so viel nachgedacht", sagt er. In Singapur sei er einfach nur überrascht gewesen statt zehn oder 15 Punkte zu verlieren, satte 25 gutzumachen. Mehr nicht. "Meine Einstellung ist exakt genauso wie zuvor", sagt Hamilton.
"Aber natürlich ist es ein gewissen Wendepunkt in der Saison wenn du die ganze Saison dahinter warst und jetzt die WM anführst. Ich muss jetzt einfach versuchen, dass es der letzte war", ergänzt der Brite. Ob Jäger oder Gejagter mache für ihn dabei jedoch keinen Unterschied. "Nur weil du vorne bist, heißt das nicht, dass du es in der Tasche hast", erklärt Hamilton. "Im Rennen, da ist es ein großer Unterschied ob du führst oder jagst. Aber wenn du um die WM kämpfst, dann ist die Philosophie ganz anders."
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