Der Grand Prix von Italien könnte sich im Titelkampf 2017 zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton zum entscheidenden Wendepunkt erweisen. Erstmals in der Saison steht Vettel nach Monza nicht mehr an der Spitze der Fahrer-Weltmeisterschaft. Mehrere Male war Jäger Hamilton zuvor nah dran am roten WM-Leader. Mit dem dominanten Sieg in Ferraris Wohnzimmer führt der Brite die Meisterschaft nun mit drei Zählern Vorsprung an. In diese Position befand er sich das letzte Mal vor 12 Monaten.

Nach dem Italien GP 2016 stand Hamilton zum letzten Mal an der Spitze der WM. Monza als Kehrtwende für Lewis Hamilton? So war es auch im vergangenen Jahr - allerdings im negativen Sinne. Erst musste er sich Nico Rosberg in Italien geschlagen geben, beim darauffolgenden Rennen in Singapur verlor er die WM-Führung an diesen. Davon und vom Motorschaden in Sepang sollte sich Hamilton trotz einer Siegesserie in der Gesamtwertung nicht mehr erholen. Der Titel ging an Rosberg, 2017 lief er ab dem ersten Rennen Vettel hinterher.

"Es ist ein bestärkendes Gefühl", so Hamilton, der vor wenigen Wochen in Österreich angesichts eines Rückstandes von 20 Punkten auf Vettel noch besorgt über den wachsenden Druck im Titelkampf sprach. In Monza fand die 13 Rennen andauernde Jagd auf WM-Leader Vettel ihr vorläufiges Ende: "Es war eine konstante Suche und ein Kampf um Perfektion." In China war Hamilton nach dem zweiten Saisonrennen punktgleich mit Vettel. In Silverstone verringerte der Brite den Rückstand, nachdem dieser in der Zwischenzeit bis zu 25 betragen hatte, auf einen Zähler.

In der ersten Saisonhälfte leistete sich Hamilton in Monaco und Sochi zwei schwache Wochenenden. Zusätzliches Pech in Aserbaidschan und Österreich sorgte dafür, dass er zwar immer wieder an Vettel herankam, jedoch nie vorbei. "Die letzten paar Rennen waren wirklich stark. Ich fühle mich stärker und leidenschaftlicher in den letzten drei oder vier Rennen", erklärte Hamilton seine momentane Top-Form. Die Initialzündung sei der Sieg beim Heimrennen gewesen: "Silverstone war für mich ein ermutigendes Wochenende. Das hat den Funken gebracht, um unser Feuer zu entzünden."

Vettel nach Monza-Niederlage erst richtig heiß

Sebastian Vettel sieht den möglicherweise nur vorübergehenden Verlust der WM-Führung längst nicht als Beinbruch. "Auch wenn heute eindeutig Speed gefehlt hat und wir auf den Deckel bekommen haben: Ich weiß, dass wir ein sehr gutes Auto haben und ich bin voller Hoffnung für die nächsten Rennen", gab sich der viermalige Weltmeister kämpferisch. "Jeder im Team ist motiviert in die richtige Richtung zu gehen, auch wenn es auf dem Papier hier nicht so aussieht."

Dass er seine Felle nicht davonschwimmen sieht, machte er obendrein auch mit einer Liebeserklärung an die Ferrari-Fans deutlich. "Ich weiß, dass ich heute nur Dritter geworden bin. Aber die Auslaufrunde und die Zeit auf dem Podium - da fühlt man sich wie der König der Welt", schwärmte Vettel, der sein Feuer in den ausstehenden sieben Rennen erneut auflodern lassen will. "Die Leute geben uns so viel Kraft. Ich bin überzeugt, dass wir was auch immer in den nächsten Rennen kommt, durchziehen werden und richtig etwas nach vorne geht."

WM-Führung für Hamilton und Mercedes nur ein Etappenziel

In der Tat surfte Vettel in der ersten Saisonhälfte mehr oder weniger auf einer Welle des Erfolges. Selbst Durststrecken, wie die neunwöchige Sieglosigkeit zwischen Monaco und Budapest, überstand er an der WM-Spitze. Bei Mercedes will man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, was einen Wechsel des Momentums zwischen Vettel und Hamilton angeht. "Ich kann nicht für ihn sprechen. Vielleicht macht es für ihn einen Unterschied. Aber für mich sind es noch sieben Rennen, in denen es 25 Punkte gibt", sagte Toto Wolff.

"Der Abstand ist winzig und in Singapur kann es auch wieder gegen uns laufen", mahnte Wolff. Für ihn wird erst ganz zum Schluss abgerechnet. "Wir müssen am Ende die meisten Punkte haben. Es geht also darum cool zu bleiben und die Schwankungen abzuwarten. Insofern ist der aktuelle Punktestand nicht wichtig", fügte er an. Hamilton weiß, wie schnell ein WM-Kampf kippen kann. Dementsprechend teilt er die Ansichten seines Teamchefs.

"Jetzt die WM anzuführen, wenn auch nur mit ein paar Punkten - dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich habe deswegen jetzt in keiner Weise die Ruhe weg", so der dreimalige Weltmeister, der Vettel lieber den Druck spüren lassen will, dem er in den ersten zwölf Saisonrennen ausgesetzt war: "Ich werde mich genauso antreiben wie in den letzten Rennen. Ich hoffe, dass ich das Bild umdrehen kann. Es waren ja schon mal über 20 Punkte zwischen ihm und mir. Das will ich auch schaffen. Mal sehen, ob ich ihm zeigen kann, wie sich das anfühlt."