In der Formel 1 ist üblicherweise Lewis Hamilton für das Brechen von Rekorden verantwortlich. So auch beim Qualifying in Monza, wo der Mercedes-Star den Rekord von Michael Schumacher mit seiner 69. Pole Position knackte. Rekorde brechen kann aber auch Lance Stroll. Am Samstag stieg der Williams-Fahrer zum jüngsten Fahrer der F1-Geschichte auf, der jemals ein Rennen aus der ersten Startreihe in Angriff genommen hat.

Stroll fuhr im chaotischen Regen-Qualifying sensationell auf den vierten Platz. Noch sensationeller: Weil Max Verstappen und Daniel Ricciardo auf den Plätzen zwei und drei Motoren-Strafen für das Rennen kassieren werden, stieg Stroll in die erste Startreihe neben Hamilton auf. Mit dieser Leistung löste er in der ewigen Liste Max Verstappen ab, der 2016 in Spa beim Start aus der ersten Reihe 25 Tage älter war als Stroll heute.

Quasi-Premiere im Regen

"Schön, ein weiterer Rekord", freute sich Stroll, nachdem er in Baku als jüngster Formel-1-Rookie aller Zeiten auf dem Podest gestanden hatte. Für Stroll dürfte das überragende Monza-Qualifying zum rechten Zeitpunkt gekommen sein. Seit dem Baku-Wunder tat sich der junge Kanadier schwer, vor allem im Qualifying. Umso mehr drehte er im Regen auf - bei einer seiner ersten Formel-1-Fahrten überhaupt bei nassen Bedingungen.

"Ich habe einfach Spaß, wenn es nass ist", sagte Stroll. "Du lässt laufen und probierst unterschiedliche Dinge aus. Da geht es nicht so sehr ums Setup oder das Auto. Dann macht Racing Spaß: Wenn auch das Gefühl eine Rolle spielt und du nicht eingeschränkt bist. Bei Regen kannst du das Auto herumwerfen und unterschiedliche Linien versuchen. Es war ein Prozess, um die beste Runde zu finden. Und ich hatte nichts zu verlieren."

Gefühl wie in der Formel 3

Auf Pole-Setter Hamilton fehlten Stroll zwar 1,5 Sekunden im Q3 des Qualifyings. Der Rückstand auf den Drittplatzierten Daniel Ricciardo betrug aber nur zwei Zehntelsekunden. Stroll erklärte, warum er sich bei den ungewohnten Verhältnissen leichter tat als zuletzt im Trockenen: "Ich muss im Trockenen noch viel lernen und meinen Fahrstil anpassen. Das fühlt sich noch nicht so natürlich an. Etwa, was ich mit den Reifen machen und wie ich bremsen kann."

Stroll weiter: "Im Nassen ist es anders. Das ist wie in der Formel 3, so wie im vergangenen Jahr. Ich konnte immer den Speed mit in die Kurven nehmen und musste nicht darüber nachdenken, ob die Reifen im Trockenen nach einer Runde den Geist aufgeben. Es sind diese Details." Dass Stroll eine derartige Leistung gelingen würde, hätte nicht einmal sein Williams-Team gedacht. Wie auch: Regen in der Formel 1 war Neuland für ihn, selbst bei privaten Tests konnte er nicht auf nasser Bahn fahren.

Das ist ein Erinnerungsfoto wert

"Wir hatten keinen Vergleich, was wir erwarten konnten", sagte Williams-Technikdirektor Paddy Lowe. "Aber es war schön zu sehen, dass er so weit vorne stand. Was für eine Leistung - der Jüngste aller Zeiten in der ersten Startreihe. Und das in Monza, eine der besten Strecken. Und neben Lewis Hamilton - davon muss man eigentlich ein Foto machen!"

Williams hatte angesichts des regnerischen Samstags versucht, Stroll besonders gut auf das nasse Qualifying vorzubereiten. Im 3. Training am Morgen bot ihm das Team an, mehr Regenreifen-Sätze als üblich zu nutzen, um sich mit den Mischungen vertraut zu machen. "Normalerweise machen wir das nicht, weil sie im Rennen zum Einsatz kommen könnten", erklärte Lowe. "Er sagte aber: 'Nein, ich nehme es, wie es kommt, und spare die Reifen'. Er wollte kein zusätzliches Training, sondern ist einfach raus und hat seinen Job erledigt."

Massa: Er hat nichts zu verlieren!

Das gelang Stroll mit Bravour. Die erste Hürde ist geschafft - am Sonntag folgt die nächste. Als wäre der Start von Platz zwei nicht schon herausfordernd genug, bekommt er es mit WM-Anwärter Lewis Hamilton zu tun. Wie geht man das am besten an? Motorsport-Magazin.com fragte Strolls erfahrenen Teamkollegen Felipe Massa: "Die Fahrer, die um den Titel kämpfen, müssen mehr aufpassen. Die anderen haben nichts zu verlieren, Mann!"

Das klingt spannend, doch einfach reinhalten gegen Hamilton wird Stroll sicherlich nicht. "Ich will nicht in Kurve 1 mit Lewis zusammenkrachen", sagte er. "Ich weiß, dass er um die Weltmeisterschaft kämpft und ich nicht. Das muss man respektieren, aber jeder fährt sein eigenes Rennen." Nach den letzten Pleite-Rennen könnte Williams die Punkte dringend gebrauchen. Nie zuvor standen die Chancen besser. Auch mit Massa, der von Platz sieben angreift.

Der nächste Podestplatz?

Am Sonntag soll es in Monza trocken bleiben. Andere Verhältnisse als im Qualifying, aber Williams war auf seinen Longruns am Freitag ordentlich unterwegs gewesen. Ist für Stroll sogar ein weiterer Podestplatz drin? "Ich möchte gar nicht darüber nachdenken", sagte Paddy Lowe. "Drum herum sind noch ein paar schnelle Autos."

Namentlich: Valtteri Bottas im zweiten Mercedes und die beiden Ferrari. Als Puffer hat Stroll nur Esteban Ocon hinter sich, der ebenfalls nicht zu unterschätzen sein dürfte. Stroll realistisch: "Wenn es trocken bleibt, kann ich die Mercedes und Ferrari sicherlich nicht aufhalten. Aber es ist ein langes Rennen, da kann viel passieren." So wie Startplatz zwei beim ersten richtigen Einsatz im Regen zum Beispiel...