Flavio, wie würden Sie die Ergebnisse des Teams im ersten Saisondrittel zusammenfassen?

Flavio Briatore: Es lief bisher sehr gut, kein Zweifel. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass wir noch gar nichts erreicht haben – außer unserem erklärten Saisonziel, Rennen zu gewinnen und um den Titel mitzukämpfen. Die diesjährige Saison ist mit 19 Rennen, die längste, die es je gab, und es wird schwierig sein, unser hohes Leistungsniveau in jedem Rennen zu halten. Wir hatten zum Beispiel im Grand Prix von Monaco ernsthafte Schwierigkeiten. Aber gerade deshalb war es so befriedigend, zum Nürburgring zu kommen und Mercedes bei ihrem Heimspiel zu besiegen – dieser Sieg hat uns einen großen psychologischen Schub verpasst. Diese beiden Rennen zeigen beispielhaft, welch schmaler Grat zwischen Erfolg und Misserfolg liegt.

In Barcelona und Monaco war Renault nicht in der Lage, um den Sieg zu kämpfen. Wie hat das Team darauf reagiert?

Flavio Briatore: Ich habe damals gesagt, dass du nicht alle Rennen gewinnen kannst. Wir fahren gegen die besten Hersteller und Piloten der Welt, unsere Gegner pumpen riesige Budgets in die Formel 1 und der Wettbewerb ist extrem hart. Gegen Konzerne wie Toyota oder Honda anzutreten, ist kein Kinderspiel. Außerdem haben wir erst vor vier Jahren begonnen, das zu säen, was wir heute ernten. McLaren-Mercedes dagegen investiert seit über einem Jahrzehnt massiv ins Team. Ferrari verfügt nicht nur über ein immenses Budget, sondern profitiert auch von der großen Stabilität im Team, wo die Führungsmannschaft länger beisammen ist, als unser Werksteam existiert. Wir wissen, was wir in diesem Wettstreit erreicht haben, auch wenn Außenstehende das manchmal nicht erkennen. Wir haben andere Hersteller kommen und gehen sehen, für die selbst unsere schlechtesten Resultate noch ein Traumergebnis gewesen wären. Ich finde, dass die Teams in Viry und Enstone fantastische Arbeit leisten.

Ein heißes Eisen in der Formel 1 ist momentan das Reifenreglement. Was denken Sie darüber?

Flavio Briatore: Wir sollten immer daran denken, warum die Regel mit dem einen Reifensatz für Qualifying und Rennen eingeführt wurde. Wir wollten in jenen Bereichen, die dem Zuschauer nicht zugute kommen, Geld sparen. Ein Punkt dabei waren die Motoren, die wir nun zwei Rennen lang verwenden. In diesem Kontext waren wir uns einig, dass auch der Aufwand der Reifenhersteller beschnitten werden müsste. Aber da auf dem Reifensektor nun mal zwei große Unternehmen gegeneinander kämpfen, gehen beide ans Limit. Es liegt in der Verantwortung der Teams, gemeinsam mit dem Fahrer zu entscheiden, was bei einem Problem passiert. Genau wie in vielen anderen Bereichen müssen sie das Risiko abschätzen. Am Nürburgring wussten wir, dass es Probleme mit der Haltbarkeit geben könnte, und haben unsere Strategie entsprechend ausgerichtet. Fernando ist für meine Begriffe dort ein besseres Rennen gefahren als Kimi, weil er keinerlei Schwierigkeiten bekam und bis zum Ende attackieren konnte. Manchmal kannst du siegen, weil du schneller bist, manchmal, weil du deine Gegner in Fehler treiben kannst. Genau das haben wir in der Eifel geschafft. Auf der anderen Seite ist uns völlig klar, dass McLaren in Monaco besser gearbeitet hat als wir. Aber in dieser Saison unter den bestehenden Regeln sehen wir interessantere Rennen und unterhalten die Fans besser. Wir möchten natürlich auf keinen Fall, dass einem Fahrer etwas passiert, aber die Risiken zu beherrschen war immer Teil des Sports und ist sicherlich einer der Gründe, warum die Leute die Formel 1 lieben. Es ist dieser Mix aus Risiko, Strategie und Racing, der die Fans anzieht.

Das Renault Team hat sich von Mittelfeld-Positionen beim Comeback 2001 kontinuierlich an die Spitze vorgearbeitet. Worin besteht das Erfolgsgeheimnis?

Flavio Briatore: Es gibt bloß ein Geheimnis, und das sind die Menschen. Wir haben in diesem Team Spezialisten versammelt, die wissen, wie man Rennen gewinnt. Mich erinnert die Situation an die große Zeit von Benetton vor zehn Jahren. Es ist, als ob ich denselben Film noch einmal sehe, aber mit neu besetzten Rollen. Die Leute in unserer Organisation sind sehr stark, sie sind echte Racer. Unser Team ist nicht so groß wie die unserer Gegner, aber wir sind flexibel und können Entscheidungen schnell umsetzen. Wir haben flache Hierarchien und kurze Wege. Wir kommunizieren schnell, jeder kennt seine Rolle und seine Aufgaben genau. Und hinter uns steht die Renault Gruppe. Benetton war ein Bekleidungshersteller; heute arbeiten wir für einen weltweit erfolgreichen Automobilkonzern, der uns Zugang zu vielen Technologien verschafft. Darin liegt ein wesentlicher Grund für unseren Aufstieg.

Seit kurzem führt Carlos Ghosn die Renault Gruppe. Ändert sich dadurch etwas in Ihrer Arbeit?

Flavio Briatore: Ich kenne Carlos Ghosn als wettbewerbsorientierten Manager. Das hat er mit der Sanierung von Nissan bewiesen, und ich bin glücklich, dass er nun die Geschicke des Konzerns leitet. Sein Vorgänger Louis Schweitzer gab grünes Licht für die Rückkehr in die Formel 1 und erteilte mir zusammen mit Patrick Faure die Verantwortung für das Team. Ich glaube, ich habe ihr Vertrauen gerechtfertigt und beabsichtige, das auch in Zukunft zu tun. Renault ist nicht in der Formel 1 um nur mitzufahren – wir wollen an der Spitze mitmischen und uns als leistungsfähiges Unternehmen präsentieren. Wenn du siegst, erhalten dein Image und deine Verkäufe durch die Formel 1 einen enormen Schub. Aus dieser Chance müssen wir das Maximum herausholen.

Diese Denkweise zeigt, warum Sie im Fahrerlager als der effizienteste Manager gelten…

Flavio Briatore: Man kann ein Rennteam mit 800 Mitarbeitern nicht ohne unternehmerisches Denken führen. Hier geht es nicht nur ums Rennfahren – wer das möchte, soll sich mit ein paar Freunden zusammentun, ein Auto bauen, es zur Rennstrecke fahren und einsteigen. Aber wir sprechen hier von einer komplexen Aufgabe, und von einer großen Verantwortung für das Image eines Weltkonzerns wie Renault. Und das bedeutet nun mal Business und nicht Hobby. Unser Ziel besteht darin, das maximale Ergebnis mit minimalen Investitionen zu erreichen – und obwohl wir an Ergebnissen gemessen werden, finde ich, dass es vor allem auf die Art und Weise ankommt, wie wir sie erzielen. Einfach mit offenem Scheckbuch herumzulaufen, ist nicht schwer, aber wir bilden Mechaniker, Ingenieure und Fahrer aus. Wir investieren in die Zukunft – sowohl in die der Fahrer als auch ins Team.