Bei Red Bull wusste man nach dem Qualifying selbst nicht genau, wie man dieses Ergebnis nun einschätzen soll. Platz drei für Max Verstappen, Rang vier für Daniel Ricciardo: ein Erfolg auf ganzer Linie? Teamchef Christian Horner schwankt. "Hätten sie mich gestern gefragt, dann war das Ergebnis besser als unsere gestrige Erwartung. Nach heute Morgen hatten wir gedacht, dass wir wenigstens Nico [Rosberg; Anm. d. Red.] schlagen können. Wir waren sehr nah dran", sagte Horner gegenüber Sky UK.

Doch nach einer starken letzten Runde von Rosberg blieb den Bullen nur die zweite Startreihe. Von Frust jedoch keine Spur. Der Rückstand auf Mercedes war so gering wie selten zuvor, und die Punkte werden ja ohnehin erst im Rennen verteilt. Und dafür wählt Red Bull - wie bereits teilweise in Austin - einen anderen Ansatz als Mercedes. Sowohl Verstappen, als auch Ricciardo starten mit den Supersofts, Mercedes wird den ersten Stint mit den gelben Reifen absolvieren. Motorsportberater Dr. Helmut Marko sieht darin ein Risiko, aber ein bewusst kalkuliertes. "Entweder sind wir ganz dumm oder ganz gescheit", so Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Liebend gerne hätte er in dieser Position einen Red Bull in der ersten Startreihe gesehen. Doch der finale Versuch von Rosberg verhinderte dies - zu Markos Überraschung. "Es hat sich außer Rosberg fast niemand verbessert. Max hatte im ersten Run im dritten Sektor leider einen Fehler, ohne den es die erste Reihe gewesen wäre. Und im zweiten Run hat er sich im ersten Sektor nicht verbessert, dafür im dritten", analysierte er.

Max Verstappen scheiterte knapp an Reihe eins, Foto: Sutton
Max Verstappen scheiterte knapp an Reihe eins, Foto: Sutton

Strecke verhindert abschließende Verbesserungen

Den Eindruck bestätigte Verstappen selbst auch. Noch in Q2 setzte der Niederländer die Bestzeit. In Q3 aber wurde es schwieriger. "Ich konnte einfach nicht denselben Grip-Level erreichen. Ich hatte Probleme im ersten Sektor, wo ich normalerweise am stärksten bin. Das zeigt, wie sich der Grip innerhalb weniger Minuten ändern kann", erklärt Verstappen. Daniel Ricciardo war mit seinem letzten Versuch ebenfalls überhaupt nicht zufrieden. "Es war schrecklich, um ehrlich zu sein. Ich kam in Kurve sechs an und war etwa vier Zehntel langsamer als meine vorhergehende Runde. Ich war im Nirgendwo", war er fassungslos.

Warum die Verbesserungen - abgesehen von Rosberg - am Ende ausblieben, wusste er nicht genau. Er hat aber einen Verdacht. "Auf diesem neuen Asphalt ist es sehr schwer, die Reifen auf Temperatur zu bekommen. Und dann kannst du einmal halt eine Rundenzeit zusammenkriegen, wo alles passt, so wie Sebastian gestern", spielte er auf Vettels Bestzeit am Freitag an. "Aber wenn du die Reifen nicht warm bekommst, wechselt es sofort zu einem Low-Grip-Asphalt, wie man ihn noch nie gesehen hat", erklärt er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

Red Bull will über Strategie zuschlagen

Mit den supersoften Reifen erhoffen sich Verstappen und Ricciardo gerade am Start einen großen Vorteil. "Natürlich hat er mehr Verschleiß, daher liegt es an mir, die richtige Balance zu finden, um den Reifen lange am Leben zu erhalten. Aber am Start, wenn er mir gelingt, habe ich definitiv einige Möglichkeiten auf dem langen Weg zu Kurve eins", so Verstappen. Ricciardo erklärt, warum nicht - wie in Austin - teamintern gesplittet wurde. "Wir denken, das ist besser. Ein Ein-Stopp-Rennen ist hier schwer und wenn wir dann auf denselben Reifen starten wie Mercedes, bringt es uns nichts", erklärt er. "Wie in Austin, so hatten wir hier das Gefühl, eine Chance zu haben, wenn wir etwas anderes versuchen", so der Australier.

Sollte der Plan besser aufgeben als in Austin, wo ein Virtuelles Safety Car Platz zwei unerreichbar machte, könnte Red Bull das Zünglein an der Waage im WM-Kampf sein. Setzt sich der Trend des Wochenendes fort, dass zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg gefühlte Welten liegen, könnte Red Bull genau in diese Lücke hineinfahren.

Entscheidet Red Bull die WM?

Verdrängen sie Rosberg auf Rang vier und Hamilton gewinnt, kann der Brite wieder aus eigener Kraft Weltmeister werden. Doch auch die andere Richtung wäre denkbar. Klaut einer der beiden Red-Bull-Fahrer Hamilton den Sieg, kostet ihm das satte sieben Punkte. Selbst wenn Rosberg nur Rang vier belegen würde - Hamilton würde nur sechs Punkte auf Rosberg aufholen. Bei einem Mercedes-Doppelsieg wären es immerhin sieben. Red Bull kommt also eine Schlüsselrolle zu.

Das Ziel bei den Österreichern ist ganz klar, in den Kampf um den Sieg einzugreifen. "Mercedes war nicht so stark wie zuletzt und unsere Longruns waren gut, aber es hängt jetzt wieder viel von der Temperaturentwicklung ab. Wir haben aber unseren Plan, ganz klar", kündigt Helmut Marko vielsagend an. Und auch Ricciardo hat zumindest Rosberg ins Visier genommen. "Wenn wir ein bisschen verstehen können, was heute auf meinem letzten Versuch passiert ist, wenn wir die Reifen in ein besseres Fenster kriegen, dann ist alles möglich. Nico hatte den ganzen Tag über Probleme und hatte am Ende eine saubere, gute Runde. Aber wir sind morgen mit den Supersofts in einer guten Position, zumindest hoffen wir das", so der Australier.