Richtig glücklich wird kein Renault-Verantwortlicher beim Blick auf den aktuellen Stand der Konstrukteurswertung in der Formel 1 sein: Für das eigene Team stehen dort nach 14 Rennen immer noch nur jene sechs Punkte, die Kevin Magnussen etwas glücklich beim Russland GP Anfang Mai holte.

Renn-Direktor Frederic Vasseur räumte im Vorfeld des Singapur GP ein, dass dies "hart" sei. Aber, so der 48-Jährige etwas nebulös: "Wir können einen klaren Fortschritt erkennen in Bereichen, die von externer Seite nicht einsehbar sind." Geschäftsführer Cyril Abiteboul versprach, dass im letzten Saisondrittel Strecken anstünden, die besser zu den Stärken von Renault passen würden. Mit den noch vor der Sommerpause gebrachten neuen Teilen will man bis zum Finale zumindest Sauber und Manor in der Teamwertung hinter sich halten.

Beim französischen Autobauer hatten allerdings bereits zuvor mehrere Verantwortliche gebetsmühlenartig betont, dass für 2016 ohnehin keine großen Sprünge zu erwarten seien. Man denke vielmehr langfristig. "Nächstes Jahr peilen wir die Top-5 bei den Herstellern an. Im Jahr darauf wollen wir regelmäßig um Podestplätze kämpfen. 2020 wollen wir mit der besten Power Unit und dem besten Chassis um die Meisterschaft kämpfen", formulierte Renault Sport Racing-Präsident Jerome Stoll im Juli.

"Für mich ist ein Zeitfenster von fünf Jahren, von unserem heutigen Standpunkt bis hin zum Gewinn einer Weltmeisterschaft, nicht unrealistisch", pflichtete Technologie-Direktor Bob Bell vor dem Rennen in Belgien bei. Er verwies als Beispiel auf Mercedes. Der Konzern habe nach dem Kauf von Brawn GP ebenfalls fünf Jahre bis zur ersten Weltmeisterschaft benötigt.

Fokus frühzeitig auf 2017 gelegt

Die aktuell ausbleibenden Erfolge von Renault lassen sich zum Teil mit eben jener langfristigen Planung erklären. Bereits Anfang Juli sagte Nick Chester, Technischer Direktor Chassis, dass der Fokus bereits auf der kommenden Saison liege: "Das Programm hat sich deutlich in Richtung 2017 verschoben. Wir befinden uns in dem Stadium, in dem wir das Chassis definieren, uns die Kühlung und das Aufhängungslayout ansehen und im Windkanal die Karosserie entwickeln." Die Motor-Entwicklung für dieses Jahr war da bereits eingestellt.

Zwei Gesichter des Umbruchs: Nick Chester (links) und Bob Bell, Foto: Sutton
Zwei Gesichter des Umbruchs: Nick Chester (links) und Bob Bell, Foto: Sutton

Wenn die Karten angesichts der geänderten Regeln 2017 neu gemischt werden, will Renault viel besser aufgestellt sein. Dafür wird innerhalb des Rennstalls gerade viel umgebaut und kaum ein Stein auf dem anderen gelassen. Besonders in den Bereichen Chassis, Personal und Infrastruktur soll sich etwas tun. Vor dieser Saison fehlte dafür die Zeit, denn die Übernahme von Lotus durch die Franzosen erfolgte erst relativ spät - zu spät unter anderem für die Konstruktion eines neuen, eigenen Autos. Entsprechend war der diesjährige Bolide mehr oder weniger der unter großem Geldmangel entwickelte Lotus, was ebenfalls als Grund für die dürftigen Leistungen 2016 angesehen werden kann.

Renault-Konzern investiert

Es gilt nun, die ungenügende Infrastruktur des Vorgänger-Rennstalls zu überarbeiten oder - wo nötig - komplett neue Anschaffungen zu tätigen. Sowohl in der Motorenfabrik in Viry als auch am Chassis-Standort Enstone wird mächtig Geld in die Hand genommen. "Es gibt ein sehr großes Investment in das Team. Renault hat damit begonnen, uns mit den Werkzeugen auszustatten, die wir brauchen, um das Team voranzubringen. Wir erneuern Maschinenwerkzeuge und Equipment, um angefangen vom Windkanal-Modell bis hin zu fertigen Fahrzeugteilen alles herstellen zu können", erzählte Bell bereits. Abiteboul kündigte aktuell "neue Betriebsbereiche und neue Gesichter" für 2017 an.

Dass zumindest der derzeitige Renault-Motor mehr als konkurrenzfähig ist, beweist Kunde Red Bull. Das Chassis der Franzosen gilt dagegen als problematisch. Diesbezüglich sei "alles auf Kurs", ließ Bell wissen und führte aus: "Die [neuen] Chassis-Modelle sind schon zur Konstruktion freigegeben. Wir stecken Herz und Seele in das Auto für das nächste Jahr. Wir sind alle hungrig danach, bei der Performance einen großen Schritt vorwärts zu machen." Vasseur nannte außerdem das Reifen-Management als große Baustelle."

Zum Umbruch passt auch, dass über die Fahrerpaarung diskutiert wird. Jolyon Palmer und Kevin Magnussen dürfen sich ihrer Cockpits für das kommende Jahr - nach eher durchschnittlichen Leistungen 2016 - keineswegs sicher sein. In den vergangenen Monaten wurden unter anderem Sergio Perez und Valtteri Bottas ernsthaft als neue Renault-Piloten gehandelt. Dies zeigt, dass die Branche an die Wirkung des aktuellen Umbruchs beim Formel-1-Rückkehrer glaubt. Noch hält sich das Team bei der Frage nach den Fahrern für die nächste Saison jedoch bedeckt.