Die Top-Teams sind längst besetzt und doch haben diverse hoch angesehene Fahrer noch keinen Vertrag für 2017 unterschrieben. Selbst das Ausscheiden von Massa und Button zum Ende der Saison hat an der Situation für Sergio Perez, Valtteri Bottas und Konsorten nicht viel geändert. Das Problem: Auf den ersten Blick scheint keines der noch verfügbaren Cockpits den großen Erfolg zu versprechen. Andererseits werden mit dem neuen technischen Reglement die Karten für das kommende Jahr neu gemischt. Wer mutig ist, könnte im Jahr 2017 also trotzdem die Chance auf ein konkurrenzfähiges Auto haben.

Renault: Vom Hinterbänkler zum Podiumskandidaten?

Bei den für 2017 noch verbleibenden Plätzen bietet Renault den Piloten als einziges Team den Status eines Werksfahrers. Beim Blick auf den aktuellen WM-Stand dürfte sich aber jeder Fahrer einen Wechsel zu Renault zwei Mal gut überlegen. Mit gerade einmal sechs Punkten rangiert das französische Team auf dem drittletzten Platz und liegt damit sogar weit hinter Neueinsteiger Haas. Nach der relativ kurzfristigen Übernahme von Lotus liegt Renault allerdings laut eigenen Aussagen damit im Plan. Aber nicht nur das: die Mannschaft von Teamchef Frederic Vasseur hat große Pläne.

Schon Anfang Juli äußerte Technikdirektor Nick Chester, dass das Team den Fokus frühzeitig auf die kommende Saison gelegt hat: "Das Programm hat sich deutlich in Richtung 2017 verschoben. Wir befinden uns in dem Stadium, in dem wir das Chassis definieren, uns die Kühlung und das Aufhängungslayout ansehen und im Windkanal die Karosserie entwickeln."

Renault will in der Formel 1 wieder an alte Erfolge anknüpfen, Foto: Sutton
Renault will in der Formel 1 wieder an alte Erfolge anknüpfen, Foto: Sutton

Die Vorzüge eines Werksteams

Es dürfte klar sein, dass Renault nicht zum Spaß zurück in die Formel 1 gekommen ist. Wer die Geschichte der französischen Automarke kennt, weiß, dass Renault bei seinen zwei Werkseinsätzen zwischen 1977 und 1985 sowie 2002 und 2009 nichts anbrennen lassen hat. Auch dieses Mal will das Team zurück an die Spitze, und um Siege sowie Titel kämpfen. "Für mich ist ein Zeitfenster von fünf Jahren, von unserem heutigen Standpunkt bis hin zum Gewinn einer Weltmeisterschaft, nicht unrealistisch", so Technikchef Bob Bell.

Die Konzernführung rund um Geschäftsführer Carlos Ghosn will mit allen Mitteln dafür sorgen, dass Renault zurück an die Spitze kommt - und als einer der größten Automobilhersteller der Welt, hat man in Boulogne-Billancourt auch diese Mittel. "Es gibt ein sehr großes Investment in das Team. Renault hat damit begonnen, uns mit den Werkzeugen auszustatten, die wir brauchen, um das Team voranzubringen", sagt Bell. Wer bereit ist, das Risiko einzugehen, könnte in der dritten Formel-1-Ära von Renault über kurz oder lang mit einem Top-Auto belohnt werden.

Williams: Nur ein Formtief?

Williams ist in der Formel 1 der Dinosaurier unter den Privat-Teams. Nachdem die Truppe zum Ende der V8-Ära eine Durststrecke hatte, rehabilitierten sie sich ab 2014 mit den Power Units von Mercedes im Heck wieder. In den letzten beiden Jahren behauptete sich Williams jeweils mit dem dritten Rang in der Konstrukteurs-WM. In der Saison 2016 geht es zwar bisher leicht bergab, aber von einem kompletten Absturz ist man noch weit entfernt. "Wir wussten, dass es 2016 viel schwieriger würde. Wir sind in das dritte Jahr mit einem unveränderten Reglement gegangen und das Feld ist näher zusammengerückt", so Claire Williams gegenüber ESPN.

Auch wenn Williams zurzeit Mühe hat, sich gegen Force India im Kampf um den vierten Gesamtrang durchzusetzen, bietet das Team im Vergleich zu den anderen Privatrennställen wahrscheinlich sowohl finanziell als auch strukturell die beste Perspektive für ein erfolgreiches Engagement in der Königsklasse. Mit dem milliardenschweren Vater von Entwicklungsfahrer Lance Stroll könnte bei einem Aufstieg des jungen Kanadiers zudem zusätzlich die Kasse klingeln.

Williams gehörte bis zur Saison 2016 noch zu den Top-3, Foto: Sutton
Williams gehörte bis zur Saison 2016 noch zu den Top-3, Foto: Sutton

Hoffnung auf Wiederholung von 2014

Die für 2017 anstehende Veränderung im technischen Reglement könnte Williams ebenfalls gelegen kommen. Als die Formel-1-Ingenieure sich für 2014 das letzte Mal neuerfinden mussten, war der Traditionsrennstall aus Grove ganz vorne mit dabei. Ein Umstand, der entgegen vieler Meinungen laut Claire Williams nicht nur den Mercedes-Motoren geschuldet war: "Unser Ergebnis war nicht nur ein Resultat von der Änderung im Motoren-Reglement. Eine solche Änderung alleine reicht nicht. Bei uns wurde im Hintergrund einfach hart gearbeitet."

Dementsprechend besteht auch 2017 wieder die Chance, in die Nähe der Top-Teams vorzustoßen und wieder zum Podiumskandidaten zu werden. Zu weit aus dem Fenster lehnen will sich die Chefetage aber nicht. "Ich bin in meiner Art sehr risikoscheu und angesichts nächsten Jahres weiß niemand, wo er stehen wird.", so Claire Williams. Eine Wiederholung von 2014 hat sie allerdings trotzdem auf dem Plan: "Es kann auch sein, dass es wieder einen Ziehharmonika-Effekt gibt und das Feld auseinandergezogen wird."

Motorsport-Magazin.com meint: Eine Frage von Mut und Geduld

Letztendlich stehen vor allem Fahrer wie Sergio Perez und Valtteri Bottas vor einer schweren Entscheidung. Beide sitzen bei Force India respektive Williams momentan im vorderen Mittelfeld fest im Sattel. Eine Position, die ein Rennfahrer wohl nur bei einem Wechsel auf garantiertes Top-Material ohne Bedenken aufgibt. Beide sind allerdings auch schon seit über drei Jahren bei ihren Arbeitgebern und es könnte mit jeder weiteren Saison die Stagnation der Karriere drohen.

Ein Teamwechsel könnte sich in gewissen Karrierephasen also durchaus als richtig erweisen und das Risiko unter Umständen auch belohnt werden. Selbst, wenn der Weg bis zum großen Ziel möglicherweise viel Geduld abverlangen wird. Genauso gut könnte es aber auch sein, dass der verlassene Arbeitgeber den großen Aufschwung erlebt und der große Neuanfang in einem anderen Team zur Luftnummer verkommt. Die Chancen stehen 50:50.(Florian Becker)